Diskussion um Henri Nannen: NS-Vergangenheit des Stern-Gründers
Henri Nannen wurde lange als Journalisten-Legende gefeiert. Nun rückt seine NS-Vergangenheit in den Fokus. Dabei war die längst bekannt.
B eim Stern dürfte es sie gerade ein bisschen wurmen, dass das Magazin in den 1960er Jahren den Wettbewerb „Jugend forscht“ erfunden hat. Hier konkurrieren bis heute junge Menschen mit Projekten aus Naturwissenschaften und Technik miteinander.
„strg f“, das Rechercheformat von funk, versteht sich selbst als Jugend forscht. Es hat sich jetzt näher mit Henri Nannen beschäftigt, dem legendären Stern-Gründer, Chefredakteur und Herausgeber. Genauer gesagt ging es um seine Arbeit in der Nazizeit. Dass er im Zweiten Weltkrieg teil einer Propagandatruppe der SS war, ist lange bekannt. Dass „der begnadete Journalist Henri Nannen in Berlin zur SS-Standarte,Kurt Eggers' gehört und in Oberitalien beim Südstern an antisemitischer und ein bisschen pornografischer Propaganda gegen den anrückenden Feind mitgewirkt“ hatte, auch. 2010 hatte dies Willi Winkler schon für die Süddeutsche aufgeschrieben und auch, dass diese Flugblätter „nicht verloren gegangen sind; ein Teil der Serie findet sich heute in der Handschriftenabteilung der Berliner Staatsbibliothek“.
Bloß hatte sie keiner gezeigt, weshalb „strg f“ in ebendiese Staatsbibliothek gefahren ist und das nachgeholt hat. Seitdem drehen sie beim Stern, der seit Neuestem zu RTL gehört, ein bisschen am Rad. Ja, die im funk-Beitrag präsentierten Flugblätter, für die Nannen verantwortlich war, sind sexistisch, rassistisch und vor allem antisemitisch. Dass SS-Propaganda rassistisch und antisemitisch war, verwundert nicht wirklich.
Der Stern will anlässlich seines 75. Geburtstags Nannens Tätigkeit in den Nazijahren in „allen Facetten von Fachleuten prüfen lassen“. Kann er sich eigentlich sparen, so ziemlich alles ist bekannt. Bloß hatten sich Nannen genau wie der Stern bei früheren Auseinandersetzungen immer drumherum gedrückt. Vorbild für den Stern war übrigens eine Illustrierte aus der NS-Zeit namens, äh, Stern. Und das Flugblatt-Projekt hieß Südstern.
Diskussion um Umbenennungen
Für junge Menschen ist das zum Glück heute weder vorstell- noch hinnehmbar, weshalb sich „strg f“ ehrlich empört. Muss das jetzt gleich zur Namenstilgung von Nannen bei allem, wo er steht, führen, wie es gerade diskutiert wird? Nein, vom Nannen-Preis bis zur Kunsthalle Emden würde das weniger Sinn machen, als die unterbelichteten Teile der Geschichte ans Licht zu holen.
Der Stern gehört zu RTL und damit auch zu Bertelsmann. Dieser Konzern ist in der Nazizeit mit Durchhalteblättchen für die Wehrmacht reich geworden. Wie sich Bertelsmann aus seiner braunen Vergangenheit herauszustehlen versuchte, kann der Stern ja gleich mit aufarbeiten. Ansonsten übernehmen auch das die jungen Forscher von „strg f“. „Aber Vorsicht! Alles was du heute postest, wird auch in 100 Jahren wiedergefunden und neu bewertet“, rät die Mitbewohnerin.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben