Sprache und Rassismus: Das Wort, das man nicht sagen darf
Marius Jung denkt, man darf über alles lachen. In seinem Buch nimmt er sich der sogenannten N-Wort-Debatte an und plaudert aus dem Nähkästchen.
Was darf man denn nun eigentlich sagen – Schwarze, N****, Farbige, Afrodeutsche oder People of Color? Nach der Debatte im vergangenen Jahr sind das Wörter, bei denen viele sofort empört nach Luft schnappen. Marius Jung verwendet sie trotzdem. Sogar mehrmals. Er singt auch „Zehn kleine N****lein“ und verteilt „N****küsse“. Ein Rebell könnte man meinen, aber darum geht es nicht.
Im Kookaburra Comedy-Club in Berlin präsentierte er am Montag sein Buch „Singen können die alle – Handbuch für N****freunde“, er kündigt es als Standardwerk für Sprachverwirrte an.
Sein Ziel ist nicht zu beleidigen – auf seinem T-Shirt steht „N**** sagt man nicht“, für alle, die es nicht gleich verstehen. Marius Jung macht sich lustig über die Tabuisierung von Sprache, die dem alltäglichen Rassismus keinerlei Abbruch tut. Ihm geht es darum was hinter den Wörtern steckt, um die Intention.
Rassismus kann viele Wege gehen und kommt auch ganz gut ohne den Begriff aus, das wird aus seinen zum Teil autobiografischen Erzählungen klar.
Meine Haare gehören nur mir
Die älteren Frauen in einem Krankenhauszimmer etwa, die den Kölner anstarren und nur langsam und ungewöhnlich laut mit ihm sprechen, als er eine Freundin besuchen will. Menschen, die bei seinem Anblick ihre Wertgegenstände in Sicherheit bringen oder ihm ungefragt die Haare wuscheln, um sich gleich darauf mit einem grinsenden „Die musste ich einfach mal anfassen“ zu rechtfertigen.
Marius Jung: „Singen können die alle - Handbuch für Negerfreunde“ Carlsen Verlag, 2013, 160 Seiten, 8,99 Euro
Das anwesende Publikum lässt sich in keine Zielgruppe einordnen. Einige dürften Marius Jung aber schon länger kennen, sie lachen besonders laut, an so ziemlich allen Stellen. Jung liest auf der kleinen Bühne aus seinem Buch, zwischendurch singt er, von seinem Gitarristen Till Kersting begleitet, erwartbare Lieder wie „Ebony and Ivory“, „Black or White“ und eben „Zehn kleine N****lein“. Und ja, er kann tatsächlich singen.
Die Frage ob man darüber wirklich lachen darf, hängt trotzdem deutlich im Raum. Die Zurückhaltung schadet wahrscheinlich nicht, denn sein Versuch die Debatte auf eine andere Weise zu führen, könnte auch in einen pseudoautorisierten Rassismus nach dem Motto „Ich kenn' da einen, der sagt auch N****“ ausarten.
Jesus war zumindest südländisch
Etwas ernster wird Marius Jung nur kurz, als es um Kinderbücher geht. Man könne das Wort überspringen, bei angemessenem Alter erklären oder das Buch wechseln. Die Tabuisierung des Wortes würde bei Kindern aber wenig Sinn machen, denn spätestens im Internet wären sie sowieso damit konfrontiert.
Im Grunde ist sein Buch ein sehr einfach aufbereiteter Appell mehr über Konflikte zu sprechen. Die Lesung besteht aber größtenteils aus Anekdoten und auch platten Witzen, richtig politisch wird es nicht. Die Erzählungen über ihm grundlos angedichtete Eigenschaften wie Gesangs- oder Tanztalent und fehlerhafte kulturelle Zuordnungen kommen beim Publikum gut an.
Er spielt mit der Ignoranz, die ihm begegnet, egal ob er von seinem Gegenüber nun zu Täter oder Opfer gemacht wird. Als Jung aber sagt, dass Jesus wohl ein Schwarzer oder zumindest ein südländischer Typ gewesen sein muss, ist Schluss mit lustig. Es bleibt still im Kookaburra. Das kümmert ihn aber kein bisschen, schließlich geht es ihm genau um diese Grenzen.
In einer früheren Version dieses Textes wurde das N-Wort ausgeschrieben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen