Satirezeitschrift gegen die Nazis: Spottverse aus dem Versteck
Versteckt auf einem Dachboden in den Niederlanden, produzierte Curt Bloch ein einmaliges Satireblatt gegen die Nazis: das „Unterwasser-Cabaret“.

Curt Bloch war so ein Untergetauchter. Der junge jüdische Mann war nach der NS-Machtübernahme aus Dortmund in die Niederlande geflüchtet. Als nach der Besatzung Hollands durch die Wehrmacht 1942 die Judenverfolgung eskalierte, verbarg er sich mit weiteren Verfolgten auf einem Dachboden in Enschede.

Doch Blochs Hinterlassenschaften sind überhaupt nicht traurig. Sie zu lesen macht vielmehr einen Heidenspaß. Hier entpuppt sich Humor als Waffe.
Bloch hockte im Versteck, immerhin bei Freunden. Außerdem war er verliebt. Und unglaublich kreativ. Und so begann er zu schreiben. Kein Tagebuch, nein, auch keine traurigen Verse. Curt Bloch wurde zum Begründer, Herausgeber, Autor, Chefredakteur und Illustrator einer Wochenzeitung, die die Nazis mit bissigem Spott verhöhnte. Er nannte sein Periodikum das „Unterwasser-Cabaret“ oder, auf Niederländisch, „Het Onderwater-Cabaret“. Und wenn die Gestapo auch sein Blatt nicht lesen konnte, denn dieses war, den Umständen seiner Entstehung geschuldet, ja ein Unikat, so half es doch dem Autor über eine – man verzeihe die Wortwahl – beschissene Zeit hinweg. Und es bestärkte seine Freunde und Mitgefangenen, weiter durchzuhalten, bis zum Sieg der Alliierten.
Curt Bloch: „Das Unterwasser-Cabaret“. Herausgegeben von Aubrey Pomerance. Aufbau,
Berlin 2025, 369 Seiten, farbig illustriert, 48 Euro (Die Andere Bibliothek) oder 28 Euro (Extradruck)
Herr Göring behielt seinen Bauch
80 Jahre nach der Befreiung sind jetzt Auszüge aus dem Unterwasser-Cabaret erschienen. Hier ein paar Kostproben daraus:
„Denn Adolf kam dann zur Regierung,
Er nahm die Sache in die Hand
Und dank der weisen Hitlerführung
Geschah’s, dass erst die Wurst verschwand.
Und Butter, Speck und Fettigkeiten
Kaffee und Tee verschwanden auch,
Doch trotz der Magerkeit der Zeiten
Behielt Herr Göring seinen Bauch.“
Das „Unterwasser-Cabaret“ war mehr als nur eine niederländisch-deutsche Gedichtsammlung. Curt Bloch illustrierte sein Blatt auch – mit Montagen, die er mithilfe alter Zeitschriften zusammenstellte. Mit den Deutschen hatte Block gebrochen, sie, die Teile seiner Familie ermordeten, sollten nun ernten, was sie in Europa angerichtet hatten.
„Lässt mich das Elend oft verstummen
Und schickt mir düst’re Phantasien,
Hör ich dann mit Motorbrummen
Die R.A.F. nach Deutschland zieh’n.
Dorthin wird ihre Fracht getragen,
Nach Hamburg und ins Ruhrgebiet,
Das mindert Leiden und Verzagen,
Ich summ dann das Propellerlied:
Wir bieten euch ’ ne Riesenshow,
Ob Krankenhaus, ob Kriegsdepot,
Nichts wird verschont und nirgendwo,
Ob Stahlwerk, Hafen oder Haus,
Dem Dritten Reich droht der Garaus.“
19 Monate lang, bis zum April 1945, hielt Block in seinem Versteck durch, jede Woche eine neue Ausgabe des „Unterwasser-Cabarets“ dichtend. Insgesamt 95 Ausgaben erschienen, die an die engsten Freunde gingen. Allerdings dachte der Jurist schon damals daran, dass sein Werk möglicherweise nach der Befreiung in höherer Auflage erscheinen könnte:
„Herr Göbbels hat nun jahrelang
Das Denken euch vergiftet,
Nun kriegt ihr, wisst dem Himmel Dank,
Die Hirne ausgelüftet“,
reimte Bloch im Januar 1944. Doch aus der Publikation für ein breiteres Publikum wurde nichts, genauso wenig wie aus seiner großen Liebe zu Kriegszeiten. 1948 zog Curt Bloch mit seiner neuen Partnerin Ruth nach New York. Sein „Unterwasser-Cabaret“ landete gebunden im Wohnzimmerschrank im Haus der Familie in Queens – bis Aubrey Pomerance, Archivleiter des Jüdischen Museums in Berlin, darauf aufmerksam wurde und nach einer Ausstellung jetzt Blochs Buch herausgebracht hat.

Und sollte es noch jemanden geben, der an der Aktualität seiner Verse zweifelt, der möge lesen, was Bloch im Juni 1944 unter der Überschrift „An meine deutschen Leser“ zu Papier brachte:
„Ihr wähnt euch endgültig entflohen
Dem Schatten der Vergangenheit
Und denkt nicht dran, dass euch bedrohen
Der gleiche Schmerz, das gleiche Leid.“
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