Spotify-Hörspiel „Batman unter Toten“: Ohne Umhang und Maske

In der Hörspielserie „Batman unter Toten“ ist dieser nicht Rächer der Nacht. Er arbeitet als forensischer Anthropologe in einer Gothamer Klinik.

Ein Mann im karierten Anzug und mit Hut auf spricht in ein Aufnahmemikrofon

Alexander Scheer spricht Harvester, den Gegenspieler Batmans Foto: Timotheus Theisen

Fiebertraum? Drogentrip? Eine neue Realität? Gleich zu Beginn der Hörspielserie „Batman unter Toten“ holt die Erzählung den ganz großen Hammer raus: Bruce Waynes Eltern leben noch – und er selbst arbeitet nicht als Rächer in der Nacht. Stattdessen finden die Zuhörenden ihn als forensischen Anthropologen im Keller einer Gothamer Klinik, wo er Leichen untersucht und den Ansprüchen seiner Eltern nicht genügt.

Statt über die Dächer der verfluchten Stadt zu springen und Kindheitstraumata zu verdrängen, klammert er sich an Skalpell und Kriminalfälle. Von denen gibt es in Gotham City genügend.

Aktuell durchlebt die Stadt die Serienmorde des Harvesters, der seinen Opfern einzelne Organe entfernt und ihnen ein Stück Amygdala des vorhergehenden Opfers auf die Zunge legt, damit sie deren Angst schmecken können.

Ein Fall für Wayne: Der versetzt sich Pa­tho­lo­g*in­nen­kli­sches entsprechend in die Rolle der Opfer und sagt so wundervoll Pathetisches wie: „Sterben ist eine Kunst wie alles. Ich kann es besonders schön.“ Als Wayne dann auch noch vom Harvester niedergeschlagen wird, reicht es seinem Übervater, und er schickt ihn – als hohes Tier in der Klinik kann er es ja machen – in Therapie.

Nur für Erwachsene

Die ungewöhnliche Ausgangssituation der lebenden Eltern zieht in die zehnteilige Serie rein und ist eines der Mittel, die die Produktion zu einem dicken Erfolg machen sollen. David S. Goyer hat die Geschichte geschrieben. Er ist bestens bekannt mit Gothams Finsternis, weil er die Handlung für Christopher Nolans Dark-Knight-Trilogie mitentwickelt hat.

Batman, ein Comic-Held, ein Charakter des Visuellen, wird ins Auditive gebracht. Da muss man liefern. Gerade auch, weil es nicht das erste Batman-Hörspiel ist. Erst 2021 wurde „HBO Max’s Batman: The Audio Adventures“ veröffentlicht, eine Reihe knallbunter, überdrehter Erzählungen. Das aktuelle Hörspiel „Unter Toten“ ist finsterer, gewalttätiger.

Zu Beginn jeder Folge wird gewarnt, dass sich das Hörspiel nur an erwachsene Hö­re­r*in­nen wendet. Wer sich mit Wayne zur Autopsie begibt, erfährt sehr schnell, warum. Es schmatzt und zerrt, während er den Kehlkopf entfernt. Die anderen Eingeweide schleimen in den Ohren bis zum nahezu erlösenden Plopp. Geräusche, als würde jemand in einer Kathedrale Krabben aufbrechen und hinunterschlingen.

In Deutschland wurde das Hörspiel produziert in Zusammenarbeit mit Pool Artists (unter anderem „Faking Hitler“). Das tiefe Brummen von Wayne stammt von Murathan Muslu. Und auch die anderen Dar­stel­le­r*in­nen sind bekannte und begabte Spre­che­r*in­nen und Schauspieler*innen. Die erste Produktion aus der mehrjährigen Partnerschaft zwischen Spotify, Warner Bros und DC Comics muss zum Erfolg werden. Auch weil sie gewagt ist.

Auf Bildungsbürgerlichkeitsniveau eines Radiotatorts

Doch leider drohen manche Dialoge auf das Bildungsbürgerlichkeitsniveau eines Radiotatorts abzurutschen. Besonders zu Beginn der Serie werden Informationen über die Charaktere plump in Sätze gepackt wie den der neuen Assistentin von Wayne: „Das Opfer ist in ihren Zwanzigern – genau wie ich.“

Wie gut, dass Barbara Gordon (gesprochen von Lorna Ishe­ma) dem mit Authentizität entgegentritt. Die Tochter vom ehemaligen Commissioner Jim Gordon (richtig, der der in anderen Erzählungen das Bat-Zeichen in den Himmel strahlt) will herauszufinden, wo Batman abgeblieben ist, nicht wegen Gotham, sondern vor allem aus Sorge um Batman selbst.

Die interne Ermittlerin, verhasst bei manchen Kol­le­g*in­nen der Polizei, holt dafür sogar einen von Batmans Erzfeinden aus der Psychiatrie und ermöglicht in persönlichen Gesprächen mit dem Riddler tiefe Einblicke in ihr Seelen- und Familienleben, die die Story über lange Strecken hinwegtragen. Weil die Zu­hö­re­r*in­nen keine Reaktionen oder Gedanken lesen können, sind die Ma­che­r*in­nen gezwungen, uns alles Wichtige, Charmante oder Verschlüsselte in Dialogen zu erzählen.

Das machen sie sehr gekonnt. Gordon muss ebenso wie Wayne in Worte fassen, was sie sonst durch Handlungen zeigen konnten. Dadurch sitzen sie nicht beim Psychiater auf der Couch, wie Wayne Senior es sich gewünscht hätte, sondern bei den Zuhörer*innen. Das klassische Comic-„Pow“ wird ersetzt durch frühe Kindheitserinnerungen, die in den Serien- und Filmproduktionen oft keinen Platz finden. Und auch wenn sie nicht immer ausgespielt wird: Das ermöglicht eine starke Charakterentwicklung.

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