Sportroman von Johns Grisham: Zu viel des Guten
Thrillerautor John Grisham ist begeisterter Basketballfan. Das merkt man seinem aktuellen Werk „Das Talent“ auch an – leider.
M it Sportromanen ist es so eine Sache. Solange es um die Sportler geht, ihr Leben, was sie denken, wen sie lieben und wie sie leben, passt es meistens. Wenn es aber auf das Spielfeld geht, dann wird es schwierig. Wird in aller epischen Breite ein Spielzug geschildert, der nur ein paar Sekunden dauert, kann es schnell öde werden. Kostprobe gefällig? „Mit dem Rücken zum Korb nahm er an der Freiwurflinie einen Pass an. Mit beiden Händen feuerte er den Ball über den Kopf, ein flacher Wurf, der keine Chance hatte, in den Korb zu gehen. Sollte er auch nicht. Er wirbelte herum, hakte seinen Verteidiger ein und fing den Ball in der Zone, nachdem er mit Wucht vom Brett abgeprallt war.“ Alles klar?
John Grisham: „Das Talent“ Übersetzt von Imke Walsh-Araya, Heyne 2021, 400 Seiten, 22 Euro
Logisch: Es geht um Basketball. Die Eagles, ein College-Team aus Durham, spielt gegen die große Duke University. Und ein Spieler aus dem Südsudan wirft das Team, deren Uni-Mannschaft zu den ganz großen in der Geschichte gehört, beinahe im Alleingang aus dem Wettbewerb um den nationalen Titel. John Grisham hat sich diesen No-Look-Pass über das Brett zurück zum Passgeber ausgedacht. Der Mann, der mit seinen Thrillern einen Bestseller nach dem anderen landet und dabei so treffsicher ist wie Stephen Curry von der Dreipunktelinie in der NBA, ist Basketballfan. Er sitzt, wann immer er es einrichten kann, am Spielfeldrand, wenn die Cavaliers der Virginia University ein Heimspiel haben.
Da hat bis vor Kurzem ein junger Mann aus Guinea für Aufsehen gesorgt. Vier Jahre hat Mamadi Diakite für Grishams Uni gespielt, bevor er einen Vertrag in der NBA unterzeichnet hat. Niemand hat dem jungen Mann, der sich via Facebook dem US-Highschool-Sportbetrieb selbst angepriesen hat, viel zugetraut. 2019 gehörte er dann zu dem Team, das die US-College-Meisterschaft gewonnen hat. Er soll immer so schön gelächelt haben beim Spielen, hat Grisham in einem seiner Interviews zu seinem Basketball-Roman „Das Talent“ gesagt. Dessen Held Samuel Sooleymon blickt auch immer recht freundlich drein beim Spielen.
Von Rebellen getötet
Der ist 17, als er mit einer Juniorenauswahl des Sudsudans zu einem Turnier in die USA mitgenommen wird. Und so schwer all die Spielbeschreibungen zu ertragen sind, mit denen Grisham seine Leser quält, so faszinierend und fesselnd ist die Geschichte, die er seinem Protagonisten verpasst hat. Sie führt in ein vom Bürgerkrieg geplagtes Land, in dem sein Vater von Rebellen getötet wird. Sie spielt in einem Flüchtlingslager in Uganda, wohin sich seine Mutter und zwei seiner Geschwister retten konnten.
Am Ende führt sie einen begabten Basketballer aus dem Elend an den Esstisch einer braven US-Mittelstandsfamilie. Ein wahrhaft amerikanisches Märchen, in dem der wackere Samuel, weil er so intensiv trainiert, von einem mittelmäßigen Werfer zum besten Schützen der College-Geschichte wird. Sogar nette Cops gibt es da. Die bringen Samuel, statt ihn zu erschießen, nachdem er sich in der Stadt verlaufen hat, mit dem Streifenwagen zurück ins Wohnheim.
Das war wohl selbst dem Autor zu viel des Guten und er lässt seinen Helden sterben, bevor die NBA-Karriere, auf die ja alles zuläuft, beginnen kann. Samuel wird tot in seinem Hotelzimmer gefunden. Jemand hatte ihm auf einer Party Drogen zugesteckt. Auf ein kleines Happy End muss man dennoch nicht verzichten. Professionelle Superfluchthelfer holen Samuels Familie aus Uganda in die USA. Da ist die Thrillerschreibmaschine Grisham in ihrem Element. Das liest sich ganz gut weg.
Und dann kommen wieder solche Sätze: „Drei Minuten vor Schluss erzwang Duke einen Ballverlust, der zu einem leichten Korb führte und blockt dann einen Wurf, was mit einem weiteren einfachen Treffer für sie endete.“ Ein Sportroman eben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen