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Sportliche Integration„Das ist, was ihnen bleibt“

Beim Fußballspielen kommen Geflüchtete und Studierende in Bremen regelmäßig zusammen, obwohl es mit der Kommunikation nicht immer klappt.

Inszwischen trainieren regelmäßig bis zu 50 Flüchtlinge hinter er Uni Bremen Foto: Leandra Hanke

BREMEN taz | Mahdi Mousari sprintet über den nassen Kunstrasen. Seit Stunden nieselt es. Es ist kalt, die Temperaturen liegen kaum über dem Gefrierpunkt. Mousari und die anderen kann das nicht vom Fußballspielen abhalten. Beim dritten Fußballcup für und mit Geflüchteten wird verbittert um den Sieg gekämpft. Organisiert wurde das Turnier vom Arbeitskreis Sport (AKS) der studentischen Refugee Welcome AG an der Uni Bremen.

Seit Juli kicken Geflüchtete wie der 24-jährige Mousari und Studierende des AKS regelmäßig auf den Sportplätzen bei der Universität. Angefangen mit zwei Terminen pro Woche, trainieren inzwischen täglich bis zu 50 Geflüchtete.

Dass nicht immer alles rund läuft, kriegen die Studierenden natürlich mit. „Die Stimmung ist nicht immer die beste, verständlich bei der schlechten Wohnsituation in den Unterkünften“, sagt Tim Stegemann vom AKS. Die Bremer Flüchtlingspolitik schaffe es nicht, genügend Wohnraum zur Verfügung zu stellen.

Unfreiwillig viel Zeit

Sportstätten & Flüchtlinge

Von ursprünglich 20 Dreifachturnhallen werden Ende März voraussichtlich nur noch zehn für die Unterbringung von Flüchtlingen und Asylsuchenden benötigt. Die anderen sollen nach den erforderlichen Renovierungsarbeiten voraussichtlich mit dem Ende der Osterferien wieder für den Sport zur Verfügung stehen.

Die Zahl der Flüchtlinge geht zwar seit November vergangenen Jahres wieder zurück, ist aber nach wie vor mehr als doppelt so hoch wie in den ersten Wochen des Jahres 2015. Im Januar und Februar 2016 sind dem Land Bremen 1.579 Menschen zugewiesen worden. In den beiden ersten Monaten des Jahres 2015 waren es 661.

Für die Sanierung städtischer Sportstätten wurden jüngst knapp 900.000 Euro freigegeben. 650.000 Euro werden in zwei Kunstrasenplätze und ein Rasenplatz für den Fußball investiert. Außerdem bekommt die SG Findorff nach dem Brand im Oktober neue Sportgeräte.

Auch Mahdi Mousari, der vor drei Monaten aus Afghanistan nach Bremen gekommen ist, lebt in einer Zeltunterkunft. Hier in Deutschland gefalle es ihm, sagt er, er wünsche sich nur, dass er zur Schule gehen könnte. Seine unfreiwillige Freizeit verbringt er bis zu fünfmal die Woche auf dem Sportplatz. „Die Kommunikation ist manchmal ein Problem beim Fußball“, sagt Mousari. Bei den Spielen wird arabisch, persisch, englisch und deutsch gesprochen. Eine bessere Verständigung würde manchmal einiges erleichtern, bestätigt Tarik Nissen (AKS): „Entscheidungen könnten besser erklärt werden, damit sich niemand ungerecht behandelt fühlt.“ Tarik Nissen und Tim Stegemann gehören zu den Aktivsten des Arbeitskreises Sport. Stegemann möchte nicht nur helfen und organisieren, sondern auch, dass Geflüchtete selbst aktiv werden. „Wir bringen das Wissen über die Strukturen an der Uni mit, versuchen aber auch die Geflüchteten mit einzubinden.“ Die Turniere planen sie zusammen und auch wöchentliche Trainingstermine werden abgegeben.

Der 24-jährige Ali Abha aus Afghanistan hat die Verantwortung für das Sonntagstraining übernommen. „Ich liebe Fußball“, schießt es aus ihm heraus. „Sport ist gut für die Gesundheit, die beste Möglichkeit, seine Fähigkeiten zu verbessern, und man trifft Freunde“, erzählt Abha in gutem Englisch.

Früher war er TV-Moderator

In Afghanistan habe er als Fernsehmoderator gearbeitet und nur in seiner Freizeit und an Sonntagen Fußball gespielt. In Deutschland steht er abseits der Gesellschaft: „Uns ist nicht erlaubt, irgendetwas zu machen, es bleiben nur Sport - und Sprachkurse.“ Ali Abha gehört zu einem der stärksten Teams: „Etihad“ (zu deutsch: Einheit). Er übernimmt oft die Trainerrolle. „Ich würde auch selbst mitspielen, aber sie brauchen einen wie mich als Chef“, lacht er und gibt gleich das nächste Kommando vom Spielfeldrand.

„Uns ist nicht erlaubt, irgendetwas zumachen, es bleiben nurSport - und Sprachkurse“

Ali Abha, afghanischer Flüchtling

Obwohl Fußball für viele Geflüchtete die Nummer eins ist, organisiert der AKS auch Basketball, Volleyball und Fitnesskurse für Frauen in den Sporthallen. Die Studierenden kümmern sich darum, dass Geflüchtete die regulären Sportkurse der Uni mitmachen können oder vermitteln sie an öffentliche Sportvereine.

Die Refugee Welcome AG an der Uni Bremen, zu der der Arbeitskreis Sport gehört, ist ein Zusammenschluss von Studierenden, die Aktivitäten und Sprachkurse für Menschen in Notunterkünften anbieten. Ein Engagement, auf das die Uni stolz ist, aber bisher noch nicht ausreichend unterstützt, findet Nissen. Zwei wissenschaftliche Hilfskräfte pro Arbeitskreis wäre nach den Vorstellungen des AKS angemessen. Momentan werde aber noch darüber verhandelt, wie genau die weitere Unterstürzung der Uni aussehen solle, sagt der AKS. Bisher stellt der Hochschulsport immerhin die Plätze, Hallen und Bälle zur Verfügung.

An manchen Tagen herrschen Spannungen zwischen den Spielern und Nationalitäten. Diese entladen sich oft beim Schiedsrichter: Dass ein syrischer Schiri in einem Spiel zwischen Afghanen und Syrern unvoreingenommen ist, wird oft lautstark bezweifelt – und anders herum. Bisher bleibt es dennoch bei „Machogehabe“ und blöden Sprüchen, geprügelt hätten sich die Jungs noch nie, sagt Tim Stegemann.

In den Vereinen außen vor

Die Power der Jungs ist unübersehbar. Selbst nach fünf Stunden Turnier setzten sie mit einem irren Tempo das deutsche Team „FC Ballern“ unter Druck. Am Spielrand spielt Herkunft dann keine Rolle mehr. „Sehr schön“, lobt ein kleiner Junge das gefallene Tor. „Deutschland gut, zwei zu eins.“ Dann ein Foul und die Gelbe Karte. „Penalty, penalty0“, rufen die Zuschauer gemeinsam. Der Sieger des Fußballcups ist zum dritten Mal in Folge ein Team von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten aus Afghanistan.

Sie haben nicht die Möglichkeit, in Sportvereine einzutreten, erzählt Tarik Nissen: Die Sportvereine verlangen eine Einverständniserklärung der Eltern oder eines Vormunds, den viele nicht haben, erklärt Nissen. „Das hier ist, was ihnen bleibt.“

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