Spitzenduell in der Fußball-Bundesliga: Ein Klassiker zum Vergessen
Mit der Ära des „deutschen Clásico“ begann die Langeweile. Spiele zwischen Bayern und Dortmund sind unbedeutend. Spannend ist ein anderes Duell.
E xakt ist die Geburtsstunde des Begriffs „deutscher Clásico“ nicht zu ermitteln. Im Archiv der deutschen Presse-Agentur taucht er im November 2013 zum ersten Mal auf. Für Thomas Müller, hieß es damals, habe das Duell zwischen Bayern München und Borussia Dortmund das Potenzial künftig zu einem deutschen Clásico zu werden. Auf lange Sicht werde dies ein Spiel, das die Liga und auch Europa elektrisiert.
2012 feierte noch Borussia Dortmund die deutsche Meisterschaft. Und was der Bayern-Profi Müller da prognostizierte, war nichts anderes als die Verheißung einer großen spannenden Ära. Der wahre Clásico zwischen Real Madrid und dem FC Barcelona birgt schließlich die fast ein Jahrhundert alte Geschichte erbitterter Auseinandersetzungen auf Augenhöhe. In 181 Meisterschaftsduellen hat Real gerade einmal zwei Siege und zwei Tore mehr erzielt.
Doch kaum war der Mythos vom ewigen deutschen Zweikampf zwischen dem Bayern und den Borussen begründet, gingen seither alle nationalen Titel an die Münchner. Das macht allerdings überhaupt nichts. Denn ist so ein Begriff erst einmal auf der Welt, führt er sein Eigenleben. Wie sehr er von der Wirklichkeit abgekoppelt ist, kann man dieser Tage wieder beobachten.
In den Vorschauen auf das Duell zwischen den beiden Teams am Samstagabend (18.30 Uhr) werden zum einen rituell alte Zeiten heraufbeschworen, als das Verhältnis der Klubs in etwa so prickelnd war, wie heute das zwischen Arminia Bielefeld und Eintracht Frankfurt, und die Schwarzgelben von den Roten noch mit 1:11 blamiert wurden. Zum anderen wird die Legende der Ausgeglichenheit weiter gestrickt, indem beispielsweise darüber spekuliert wird, wer an diesem Samstag das Zünglein an der Waage sein könnte: Robert Lewandowski oder Erling Haaland?
Trump'sche Ignoranz
Freilich kann Dortmund diese eine Partie gewinnen, die Titelserie des FC Bayern unterstreicht dagegen schon seit längerem, wie einseitig der Wettbewerb geworden ist. Man muss gegenüber Zahlen schon ein Trump'sches Verhältnis der Ignoranz pflegen, um weiter die Geschichte des deutschen Clásico erzählen zu wollen. Marketingstrategen haben es noch nie so ernst mit der Wahrheit genommen. Die Deutsche Fußball-Liga titelte noch vergangenes Jahr vor dem liebgewonnenen Duell: „Vorfreude auf den „Klassiker“ – in Deutschland und der ganzen Welt“. In 205 der 211 Fifa-Mitgliedsländer werde die Partie übertragen, hieß es.
Diese Woche scheint sich die Welt offenbar etwas weniger auf das Duell zu freuen. Zumindest veröffentlichte die DFL keine Zahlen. Der Begriff des deutschen Clásico mag nicht mehr aus der Welt zu schaffen sein, seine Strahlkraft wird jedoch Jahr für Jahr abnehmen.
Zumal im Schatten dieses Duells längst RB Leipzig zu einem Protagonisten der Liga aufgestiegen ist. Mit dem Champions-League-Erfolg gegen Paris St. Germain unter der Woche demonstrierte das Team von Julian Nagelsmann einmal mehr seine Möglichkeiten. Das einzige und wahre Duell in der Bundesliga wird wohl künftig um Platz zwei zwischen Borussia Dortmund und RB Leipzig ausgetragen. Das Problem ist nur, dass sich Kämpfe um zweite Plätze schlecht vermarkten lassen.
Die Dortmunder Fans können sich freuen. Ihr Team wird aus Mangel an Alternativen einstweilen weiter zum großen Herausforderer des FC Bayern hochgejazzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen