Spielabbruch nach Rassismus-Eklat: Ein Fußballmoment
Am Sonntag wurde in Duisburg ein Drittliga-Spiel wegen rassistischer Beleidigungen abgebrochen. Gut so. In Zukunft sollte das die Regel sein.
Fußball ist ein finsterer Sport. Wo sich Menschen zum Kicken treffen, da versammeln sich auch üble Gestalten. Es wird gesoffen, geschimpft und der Weg zur Gewalt ist dann bisweilen auch nicht weit. Rassismus ist eine der Ingredienzen dieser ureigenen Fußballmischung. Die schönen Videospots mit prominenten Kickern, die sich gegen Rassismus aussprechen, konnten daran nicht viel ändern.
Am Sonntag ist es in Duisburg geschehen. Aaron Opoku vom Drittligisten VfL Osnabrück will in der Partie beim MSV Duisburg einen Eckball ausführen. Affenlaute schallten ihm entgegen. Er kann nicht mehr. Schiedsrichter Nicolas Winter schickt die zwei Teams in die Kabinen. Eine halbe Stunde später steht fest: Das Spiel wird nicht mehr angepfiffen.
Es ist das erste Mal in der Geschichte des deutschen Profifußballs, dass ein Spiel nach rassistischen Beleidigungen aus dem Publikum abgebrochen werden muss. Es ist ein trauriger Moment. Es ist ein Fußballmoment.
Fußball ist ein geiles Ding. Mit anderen im Stadion der Leidenschaft für einen Klub durch kindliche Anfeuerungsrufe Ausdruck zu verleihen, gehört für viele zu einem vollendeten Wochenende. Es nennt sich Fußballkultur, wenn man mit einem Bier in der Hand zusammen mit fußballerisch Gleichgesinnten die Woche beschließt.
Dreistufenpläne sind quatsch
Am Sonntag in Duisburg sind 6.500 Menschen gekommen, um ihr Team anzufeuern. Nachdem der Stadionsprecher den Anwesenden mitgeteilt hatte, warum der Schiedsrichter das Spiel abgebrochen hat, wird es laut im Stadion: „Nazis raus!“, schallt es durch die Arena. Es ist ein großartiger Moment. Es ist ein Fußballmoment.
Eigentlich hätte das, was da in Duisburg passiert ist, ganz anders ablaufen müssen. Die Regeln sehen für den Fall derartiger rassistischer Exzesse einen Dreistufenplan vor. Werden rassistische Beleidigungen gerufen, ist der Schiedsrichter zunächst dazu angehalten, über den Stadionsprecher auf die Zuschauer einzuwirken. Sollte sich deren Verhalten nicht bessern, kann er das Spiel unterbrechen. In einem dritten Schritt, wenn die Situation immer noch nicht bereinigt ist, kann er das Spiel abbrechen. In Duisburg war zu sehen, wie untauglich eine solche am grünen Funktionärstisch ersonnene Regel ist, auch wenn sie gut gemeint sein mag.
Aaron Opoku konnte einfach nicht mehr weiterspielen. Zu sehr hatten ihn die Rufe von den Rängen berührt. Schiedsrichter Winter erkannte das schnell. Ihm blieb nichts anderes übrig, als die Spieler in die Kabine zu schicken und sich damit über das vorgeschriebene Protokoll hinwegzusetzen. „Ich habe gesehen, wie schockiert und gar nicht richtig aufnahmefähig er war, als ich ihn angesprochen habe, wie es ihm geht“, sagte der Schiedsrichter nach der Partie.
In den Stadionkatakomben hat er dann bemerkt, dass eine Wiederaufnahme der Partie keinen Sinn gemacht hätte. Der VfL Osnabrück wollte dann ein starkes Zeichen der Solidarität mit Opoku setzen, dem sich die Duisburger angeschlossen haben.
Als erstes braucht es Erkenntnis
Geschäftsführer Michael Wellings Stellungnahme dazu ist deutlich: „Es darf nicht sein, dass Statements gegen Rassismus nur auf T-Shirts gedruckt werden, sie müssen auch gelebt werden. Deshalb haben wir uns entschieden, ungeachtet aller denkbaren Konsequenzen hinsichtlich der Spielwertung, hier ein klares Zeichen zu setzen.“
Es war dies ein Fingerzeig in Richtung DFB. Der muss nun handeln. Jedes Spiel braucht eine Wertung, auch dieses, das beim Stand von 0:0 abgebrochen worden ist. Drei Möglichkeiten hat die Sportgerichtsbarkeit des Deutschen Fußball-Bundes. Sie könnte auf Sieg für Duisburg entscheiden, weil Osnabrück den Spielabbruch initiiert hat. Sie könnte das Spiel für Osnabrück werten, weil es die rassistischen Äußerungen von Duisburger Fans kamen. Das Spiel könnte auch wiederholt werden.
Der DFB hat schon angekündigt, dass er genau prüfen will, was da geschehen ist.
Voraussetzung einer Entscheidung müsste eigentlich die Erkenntnis sein, dass der deutsche Fußball immer noch ein Rassismusproblem hat. Doch damit ist nicht zu rechnen. Rainer Koch, Interimspräsident des DFB, nahm den Spielabbruch prompt zum Anlass und stellte fest, dass „der gesamte deutsche Fußball seit Langem eine klare und kompromisslose Haltung gegen jede Form von Rassismus“ einnimmt.
Eigentlich ganz einfach
Wenn der DFB in dieser Hinsicht wirklich so klar wäre, warum nur kommt es immer wieder zu derartigen Vorfällen?
Zu der ganz großen Schlussfolgerung, die nach diesem Nachmittag von Duisburg auf der Hand liegt, wird sich der DFB sowieso nicht durchdringen können. Dabei ist klar: Der Dreistufenplan ist sinnlos.
Ein Spiel muss umgehend abgebrochen werden, wenn es zu rassistischen Entgleisungen kommt. Alles andere ist für die Opfer schlicht nicht zumutbar. Eigentlich ganz einfach.
Der Großteil der Fans, auch das wurde in Duisburg deutlich, stünde hinter einer derart klaren Regel. Schließlich waren es Zuschauer, die für ein wenig Licht gesorgt haben an diesem finsteren Tag.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP