Spekulativer Leerstand in Berlin: Mieter dürfen bleiben

Die Arcadia Estates erlebt vor dem Amtsgericht Berlin im Räumungsprozess gegen Alt­mie­te­r*in­nen der Habersaathstraße 40-48 erneut eine Niederlage.

Das ehemals nahezu leerstehende und nun von Obdachlosen bewohnte Haus in der Habersaathstraße in Berlin-Mitte.

Ein Abriss der Habersaathstraße 40–48 rückt in immer weitere Ferne Foto: Christoph Soeder/dpa

BERLIN taz | Nur zwei Minuten dauert der Prozess am Mittwochmorgen vor dem Amtsgericht Mitte, bei dem die Räumungsklage der Arcadia Estates gegen drei Alt­mie­te­r*in­nen der Habersaathstraße 40–48 verhandelt wird. In diesen zwei Minuten wird klar: Auch dieses mal wird der Immobilienkonzern mit seinen Kündigungen der langjährigen Be­woh­ne­r*in­nen wohl keine Chance haben – auch wenn das Urteil erst Mitte Dezember verkündet werden soll.

Bereits im August hatte das Gericht geurteilt, dass Mie­te­r*in­nen­schutz vor Profitmaximierung geht, und die Verwertungskündigung der Arcadia abgewiesen. Die Richterin folgte am Mittwoch dieser Argumentation: Dass dem Investor durch den Fortbestand des Mietverhältnisses „erhebliche Nachteile“ entstehen, konnte sie nicht erkennen.

„Der Wert des Hauses ist gestiegen“ und die Wirtschaftlichkeit damit gegeben. Dem Eigentümer Andreas Pichotta gehe es bei der Räumung nur um die „Gewinnmaximierung“ und nicht um das „Gemeinwohl“, kritisiert sie. Durch den Zuschauerraum, in dem sich viele Un­ter­stüt­ze­r*in­nen der 15 verbliebenen Mie­te­r*in­nen des Plattenbaus eingefunden haben, geht ein zustimmendes Raunen. „Es ist eine gute Nachricht“, sagt Kalle Gerigk vom Bündnis Recht auf Stadt, das sich gegen den Leerstand von gut erhaltenen Häusern und die Zweckentfremdung von Wohnraum einsetzt, nach der Verhandlung zur taz.

Der Konflikt um die Habersaathstraße beschäftigt die Gerichte bereits seit Längerem: 2017 hatte die Arcadia den in den 1980er Jahren errichteten Komplex gekauft. Nur wenige Monate später kündigte das Unternehmen an, dort Luxusapartments errichten zu wollen. Obwohl die gut 100 Wohnungen noch in gutem Zustand waren und von Mie­te­r*in­nen mit unbefristeten Verträgen bewohnt wurden, wollte die Arcadia das Gebäude abreißen lassen.

Rechtswidrige Räumungsversuche

Weil das Bezirksamt darin eine Zweckentfremdung von „schützenswertem Wohnraum“ sah, verweigerte es zunächst die Abrissgenehmigung und der Fall landete nach langen, ergebnislosen Verhandlungen vor dem Oberverwaltungsgericht. In der Zwischenzeit ließ Pichotta das Gebäude zunehmend verfallen und einen Großteil der Wohnungen leerstehen.

Dann kam die Pandemie, und die Initiative Leerstand-Hab-ich-Saath konnte nach zwei Hausbesetzungen durch eine Einigung mit dem Bezirk die Unterbringung von rund 60 obdachlosen Personen in der Habersaathstraße durchsetzen. Obwohl sich die Bezirksverordnetenversammlung mehrfach für Beschlagnahme des Gebäudes ausgesprochen hatte, einigten sich der Bezirk und die Arcadia im vergangenen Jahr jedoch auf einen Deal, der eine Bau- und Abrissgenehmigung beinhaltete.

Seitdem versuchte der Eigentümer bereits mehrfach, die Be­woh­ne­r*in­nen rechtswidrig zu räumen oder ihnen den Zutritt zu verwehren – zuletzt am vergangenen Freitag durch einen Austausch der Schlösser. Der Vorsitzende des Mieterrats, Daniel Diekmann, berichtet der taz von einer zunehmend schlechter werdenden Wohnsituation. „Ich hatte zwischenzeitlich vier Tage lang keinen Strom und keinen Zutritt zu meiner Wohnung“, sagt er.

Trotzdem ist er über die klaren Worte der Richterin erleichtert. Auch weil diese ein Signal sein könnten für die vier noch ausstehenden Prozesse gegen die anderen Altmieter:innen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.