Sparprogramm beim ÖRR: Bei der Jugend punkten
Der Fall Schlesinger hat den Öffentlich-Rechtlichen geschadet. Kritik kommt auch von jungen Menschen. Dabei möchte man genau sie erreichen.
Der Fall der zurückgetretenen RBB-Intendantin und ehemaligen ARD-Vorsitzenden Patricia Schlesinger hat eine Reihe von Vorwürfen ans Licht gebracht: Vorteilsnahme, Prämien und Luxusböden. Zuletzt schien es so, als hätte der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) zu viel Geld. Zumindest in den hohen Etagen. Die Reaktionen auf den Fall trafen nicht nur den RBB, sondern den gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR). Nun gilt es, Vertrauen aufzubauen. Auch beim jungen Publikum. Denn gerade dieses versuchen die Öffentlich-Rechtlichen seit einigen Jahren stärker zu erreichen. Deshalb sollen etwa junge Formate vor Einsparungen geschützt werden. Wird der ÖRR diesem Vorsatz gerecht? Die taz hat bei den Landesanstalten nachgefragt.
Beim RBB sind es rund 164 Millionen Euro, die zwischen 2021 und 2024 gespart werden sollen. Weitere Einsparmaßnahmen seien auch für die laufende Beitragsperiode nicht ausgeschlossen, erklärt ein Sprecher gegenüber der taz. Die Gründe: Corona und die Inflation. Wie sich die Kürzungen allerdings auf das Sendeprogramm auswirken, beantwortete der RBB auf taz-Anfrage nicht.
Funk, das Jugendformat von ARD und ZDF, sei nicht von Budgetkürzungen betroffen, heißt es auf Anfrage. Die beteiligten Anstalten sparen im Linearen, um digitale Inhalte für wichtige Zielgruppen ermöglichen zu können, heißt es außerdem. Die Strategie stehe fest: Es gehe darum, „die Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen vermehrt anzusprechen, sowohl durch eigene Angebote wie auch durch Funk im Speziellen“, so Funk.
Auch der SWR möchte attraktiver für junge Menschen werden. Schließlich habe auch die Jugend „Anspruch auf Programmangebote, die für sie relevant und interessant sind, auch sie finanzieren den öffentlich-rechtlichen Rundfunk“, erklärt eine Sprecherin. Noch sei das Sendeangebot eher auf Ältere ausgelegt. „Ziel ist es, künftig mehr Ressourcen für Angebote zu nutzen, die verstärkt von Jüngeren nachgefragt werden.“ Dennoch musste auch beim SWR gespart werden. Im Rahmen eines Einspar- und Umbauprozesses von 2010 bis 2020 waren das knapp 169 Millionen Euro. Der Sender befinde sich in einem „umfassenden Transformationsprozess in eine zunehmend digitale Welt“, erklärt eine Sprecherin. Damit dieser gelinge, müsse der Fokus auf digitale Angebote gelegt werden. Zusätzliche Mittel dafür gebe es nicht – an anderer Stellen müssten Abstriche gemacht werden. Die Einsparungen innerhalb der zehn Jahre führten auch dazu, dass 584,5 Beschäftigungsverhältnisse abgebaut werden mussten.
Keine Neubesetzung durch junge Mitarbeiter*innen
Beim ZDF kommt es zu Einsparungen im Hauptprogramm. Auch hier lautet der Grund dafür: digitale Angebote. Denn in die Digitalkanäle wie ZDFneo und ZDFinfo sowie in das Onlineangebot der ZDF-Mediathek wurde vermehrt investiert. Bis 2020 soll es eine Reduzierung von 562 festangestellten Mitarbeitenden gegeben haben, heißt es auf Anfrage.
Auch beim WDR müssen Kosten gesenkt werden. Pro Jahr rund 100 Millionen, erklärt eine Sprecherin. Zudem seien bis zum vergangenen Jahr 500 Stellen abgebaut worden. Es handle sich hierbei um Stellen, die nach einer Verrentung nicht wieder neu nachbesetzt wurden. Neubesetzungen durch junge Mitarbeiter*innen gibt es nicht. Einsparungen im Programm sollen „bewusst nicht“ junge Formate treffen. Und neue Angebote auch eine neue Zielgruppe erreichen. Allgemein gilt der Kurs: „Mehr Menschen mit Digitalangeboten zu erreichen“, so die Sprecherin.
Budgetkürzungen von 300 Millionen Euro stehen von 2004 bis 2024 beim NDR an. Es sollen Ausgaben über alle Bereiche hinweg gekürzt werden, heißt es vom Sender. Betroffen seien Verwaltung, Produktion, Personal und das Programm, so der NDR. Die Herausforderung sei, das Programmangebot mit weniger finanziellen Mitteln auf das Mediennutzungsverhalten anzupassen. Neben dem crossmedialen Schwerpunkt steht auch die junge Zielgruppe im Fokus.
Der ÖRR scheint zwar eine klare Linie zu verfolgen: Kürzungen sollen auf keinen Fall das junge Programm beeinflussen. Im Gegenteil: Die Jugend bekommt einen besonderen Stellenwert. Offen bleibt die Frage, ob die Sender verstanden haben, dass ein gutes Jugendprogramm von jungen Mitarbeiter*innen lebt – und die muss man einstellen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Machtkämpfe in Seoul
Südkoreas Präsident ruft Kriegsrecht aus
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Ineffizienter Sozialstaat
Geteilte Zuständigkeiten
Gesetzentwurf aus dem Justizministerium
Fußfessel für prügelnde Männer
Europarat beschließt neuen Schutzstatus
Harte Zeiten für den Wolf