Sparmaßnahmen in Griechenland: Gürtel enger, sonst Hahn zu
Die Reformen in Griechenland gehen den Gläubigern nicht schnell genug. Deswegen wollen sie Finanzhilfen zurückhalten.
Im Sommer hatte sich Tsipras zu einem „Katalog der Grausamkeiten“ im Gegenzug für weitere Finanzhilfen verpflichtet. Über 220 Spar- und Reformmaßnahmen, auch „Milestones“ genannt, stehen an. 48 davon sollten bis Mitte Oktober in Athen beschlossen werden, damit die Kontrolleure der Geldgeber ihren Bericht den Euro-Finanzministern Mitte November vorlegen können. Ursprünglich sollten die ersten 2 der verbleibenden 3 Milliarden Euro aus der ersten Kredittranche im Oktober ausgezahlt, eine weitere Milliarde im November fällig werden.
Doch statt 48 hat die Regierung bisher nur 14 „Meilensteine“ umgesetzt. Besonders umstritten ist der Umgang mit faulen Krediten, deren Gesamtsumme auf 100 Milliarden Euro geschätzt wird. Sollte Tsipras die von den Geldgebern gewünschte Regelung in Kraft setzen, drohte acht von zehn Hauskreditnehmern die Zwangsräumung, heißt es.
Die „Institutionen“ sehen es anders: Nach derzeitigen Regelungen seien 72 Prozent der insolventen griechischen Haushalte vor Zwangsräumungen geschützt, klagt die Eurogruppe. Da es bei vielen Fällen um Häuser im Wert von über 300.000 Euro gehe, sei das für die EU-Institutionen „nicht akzeptabel“– zumal die Banken dringend das Geld aus Zwangsversteigerungen brauchen. „Ich werde Griechenland nicht zur Vollstreckungsarena umwandeln“, sagte hingegen Tsipras.
Keine Steuerentlastung für Kitas
Für politischen Sprengstoff sorgt auch die neue Umsatzsteuer in Höhe von 23 Prozent für Privat- und Sprachschulen, die Einnahmen in Höhe von 240 Millionen Euro bringen soll. Einen Kompromissvorschlag über eine niedrigere Besteuerung von Kindergärten und Sprachschulen lehnte die EU-Kommission ab. „Wir werden trotzdem auf unseren Vorschlag bestehen“, erklärte Vize-Bildungsministerin Sia Anagnostopoulou.
Valdis Dombrovskis
Tsipras soll am Donnerstag ein Gesetz zur Bankenrekapitalisierung durch das Parlament bringen. Auch damit hinkt die Regierung hinterher. EU-Vizekommissionspräsident Dombrovskis mahnte in Athen, sollte die Rekapitalisierung nicht bis Jahresende bewerkstelligt sein, drohten vielen Sparern und Unternehmen mit Guthaben von mehr als 100.000 Euro Verluste, was wiederum Pleiten nach sich ziehen könne.
Geht das Gesetz am Donnerstag durch, käme Athen der Auszahlung der zwei Rettungsmilliarden immerhin wieder etwas „näher“, hieß es am Dienstag in Eurogruppenkreisen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind