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Spanier wütend auf die MonarchieUnmut über Corona und Korruption

Reiner Wandler
Kommentar von Reiner Wandler

König Felipe VI hätte jetzt die Chance nutzen können, die krummen Geldgeschäfte seines Vaters vergessen zu machen. Er hat mal wieder enttäuscht.

Unmut über die Geldmachenschaften des Königshauses: Während einer TV-Rede des Königs in Barcelona Foto: Pau Barrena/afp

E s war nicht zu überhören. Nicht wenige Spanier sind der Monarchie überdrüssig. Anstatt die Fernsehansprache von König Felipe VI. zur Coronavirus-Krise zu verfolgen, gingen sie an die geöffneten Fenster und auf die Balkone und schlugen mit Kochlöffeln auf Töpfe.

Zu lange hatte sich der spanische Staatschef vor dem Coronavirus versteckt. Er hielt erst dann seine recht hölzerne Ansprache, als überall in den sozialen Netzwerken und in Teilen der Presse seine Untätigkeit Thema war. Weder besuchte er das Gesundheitsministerium noch ein Krankenhaus oder Hilfspersonal. Das Einzige, was die Spanier über ihren Staatschef in der nun schon Wochen andauernden Krise erfuhren: Er und seine Frau wurden getestet – negativ.

Doch der eigentliche Grund für den lärmenden Unmut der Untertanen ist ein anderer. König Felipe VI. versteckt sich nicht nur vor, sondern auch hinter dem Virus.

Seit Wochen sorgen Zigmillionen Euro vor allem in der ausländischen Presse für Schlagzeilen, die sein Vorgänger und Vater Juan Carlos I. über ein Geflecht von Konten rund um eine dubiose Off-Shore-Stiftung aus Saudi-Arabien kassiert hat. Felipe VI. und seine beiden Töchter sind als Nutznießer dieses illegalen Vermögens eingetragen, so legen es Ermittlungen aus der Schweiz nahe.

Keine überzeugten Monarchisten

Felipe VI. verzichtete vor wenigen Tagen per Kommuniqué auf sein Erbe und bestätigte damit die Vorwürfe, sein Vater habe Schmiergelder für Großaufträge an die spanische Industrie genommen. Er hoffte, dass diese Geste mitten in der Corona-Krise reichen würde, um den Skandal aus der Welt zu schaffen.

Weit gefehlt: Den Töpfe schlagenden Spaniern ist das nicht genug. Sie wollen, dass das Königshaus die Millionen an das durch das Virus völlig überforderte Gesundheitssystem abführt. Felipe VI. erwähnte die Affäre in seiner Ansprache mit keinem einzigen Wort.

All das zeigt einmal mehr: Die Spanier sind – anders als etwa die meisten Menschen in England oder den skandinavischen Ländern – keine überzeugten Monarchisten. Sie mochten Juan Carlos I., weil er beim Übergang von der Franco-Diktatur zur Demokratie eine entscheidende Rolle spielte: Er verurteilte den Staatsstreich der Armee 1981 in einer Fernsehansprache und erreichte damit, dass die Panzer zurück in die Kasernen fuhren.

Diese Sympathie ist nicht erst seit der Nachricht von den Saudi-Millionen Geschichte. Juan Carlos I. dankte 2014 zugunsten seines Sohnes ab, nachdem bekannt geworden war, dass er sich bei einer Elefantenjagd verletzt hatte – übrigens im Beisein seiner Geliebten, die jahrelang in einer staatlichen Unterkunft lebte und einen Teil der Schmiergeldmillionen abbekommen haben soll. Außerdem ist eine der beiden Schwestern von Felipe VI. in Korruptionsfälle verwickelt. Sein Schwager sitzt dafür ein.

Chance verspielt

Für Felipe VI. hätte die aktuelle Krise eine Chance sein können, sich sein eigenes Ansehen zu erarbeiten. Er hat sie verspielt – wie bereits 2017 nach dem Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien. Anstatt damals vermittelnd einzugreifen, stellte er sich hinter die völlig überzogenen Polizeieinsätze. Nicht ein Wort auf Katalanisch, und das, obwohl er die Sprache spricht.

Die wenigen Umfragen, die es zum Thema Monarchie oder Republik gibt, zeigen, dass nur noch eine ganz knappe Mehrheit nach wie vor damit einverstanden ist, den Staatschef nicht zu wählen. Das Töpfeschlagen machte diesen Unmut jetzt erstmals sicht- beziehungsweise hörbar. Und er ist in Zeiten der coronabedingten Ausgangssperre plötzlich Thema in den Medien und an vielen Küchentischen.

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Reiner Wandler
Auslandskorrespondent Spanien
Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.