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Spaniens rechtsradikaler ParteichefDer Mann mit der Smith & Wesson

Santiago Abascal erzielt mit seiner Partei Vox erste Wahlerfolge. Er präsentiert sich als Saubermann, auch wenn sein Lebenslauf anderes erzählt.

Santiago Abascal am Wahlabend in Sevilla Foto: reuters

Madrid taz | Santiago Abascal möchte „Spanien wieder groß machen“. Der 42-jährige Baske ist der Politiker der Stunde, seit seine rechtsradikale Partei VOX am Sonntag auf Anhieb mit 11 Prozent bei den Wahlen ins andalusische Regionalparlament eingezogen ist.

„Politik ist Krieg“, erklärt der Soziologe und Talkshowteilnehmer in Sendern der Spanischen Bischofskonferenz und Autor der konservativen Tageszeitung ABC unverblümt. Sein Kampf gilt allen, von den „­Putschisten in Katalonien“ über die regierenden Sozialisten, die seiner Ansicht nach „Spanien zerstören“, die „Kommunisten und Stalinisten“ der linksalternativen Podemos, „die für die Islamisierung Spaniens ist“, bis hin zu Schwulen und Feministinnen.

Nach eigenen Angaben ist der „gläubige Katholik“ immer mit einer Smith & Wesson bewaffnet, früher, „um meinen Vater vor der ETA zu schützen, und jetzt zum Schutz meiner Kinder“. Er will das Waffenrecht lockern, das Gesetz zum Schutz der Frauen gegen häusliche Gewalt sowie das Recht auf Abtreibung abschaffen und um Spaniens Exklaven in Marokko eine Mauer bauen.

Er wettert gegen die „feige Rechte“, womit er die konservative Partido Popular (PP) meint, und gegen das „Wetterfähnchen“, die rechtsliberalen Ciudadanos. Und es geht immer wieder um die Schließung von Moscheen, um Steuersenkungen, um mehr Sozialleistungen – nur für Spanier, versteht sich – und vor allem gegen Korruption.

Abascal gibt sich als der Neue mit der sauberen Weste, auch wenn sein Lebenslauf ganz andere Worte spricht. Mit 18 schloss er sich der PP an. Er wurde Vorsitzender der Parteijugend in seiner Heimatprovinz Álava, Gemeinderat in dem Städtchen Llodio und Abgeordneter im baskischen Parlament. 2010 holte ihn die damalige Landesmutter der Region Madrid, Espe­ranza Aguirre, in die Hauptstadt.

Die PP-Korruptionsnetzwerke sorgten fortan für den jungen Politiker. Er wurde Chef der regionalen Agentur für Datenschutz, die bald schon ersten Sparmaßnahmen zum Opfer fiel. Doch während 22 Beschäftigte aufs Arbeitsamt mussten, richteten Aguirre und deren Nachfolgerin Cristina Cifuentes ihrem Zögling mehrere Stiftungen ein. Eine davon zur „Verteidigung der spanischen Nation“, eine andere „für soziales Sponsoring und Förderung“.

Gutes Gehalt für nichts

In Letzterer war Abascal der einzige Angestellte. Die Einrichtung wurde mit öffentlichen Geldern finanziert, Abascal strich über 82.000 Euro pro Jahr als Gehalt ein. Aktivitäten wurden keine bekannt. Die Madrider Regierung zahlte jahrelang Wohnung und Büro. Als diese Stiftungen in die Kritik gerieten und geschlossen wurden, verließ Abascal 2013 die PP und gründete 2014 zusammen mit anderen PP-Dissidenten VOX.

Abascal hat einflussreiche Freunde. Die französische rechtsextreme Marine Le Pen gratulierte noch am Sonntagabend, und der einstige Wahlkampfberater des US-Präsidenten Donald Trump, Steve Bannon, will die VOX-Kampagne für die Kommunal-, Regional- und Europawahlen im kommenden Mai koordinieren.

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5 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Bei all der Diskussion über Vox und Abascal sollte man eines nicht vergessen: es gibt keine "neue" Rechte in Spanien. Das Problem ist, dass sich sowohl die Verantwortlichen von Vox als auch ihre Wähler bisher in der PP sehr wohl gefühlt haben, als Partei, die von Franquisten gegründet wurde auch kein Wunder. Themen wie "Ausländer/Muslime raus" etc. gab es vorher schon, aber eben von der PP. Das neue an Vox ist, dass sie unglaublich viel Aufmerksamkeit bekommen haben, weil sie die Popularklage bei vielen Gerichtsprozessen gegen katalanische "Separatisten" führen. D.h. anders als die damals regierende PP, die für viele Nationalisten zu wenig gegen die aufmüpfigen Katalanen getan hatte, tauchte hier eine "patriotische" Partei auf, die sich mal "richtig für das wichtigste auf der Welt, nämlich der Einheit Spaniens einsetzte". Das ist der einzige Grund, weshalb Vox heute im andalusischen Parlament sitzt. Sie verkörpert Francos Wunsch nach einem Zentral- und Einheitsstaat ohne sprachlicher und kultureller Vielfalt, einem katholischen Spanien, in dem Schwule im Gefängnis sitzen und Frauen nicht mehr abtreiben dürfen, am besten. Wer Spanisch versteht, sollte sich mal die Reportage "360° Vox: La ambición de Santiago Abascal" von EiTB (Euskal Telebista) anschauen.

  • Wenn man sich's all zu einfach macht, ist das – genau wie im richtigen Leben – UNSINN.

    Schäuble, Scholz und Merkel haben (genau wie die „Linken“ mit ihrer Sorglosigkeit in Verteilungsfragen) zwar einen Anteil am aktuellen Desaster mit ihrer Austeritätspolitik, aber "die Spanier" sind, wie man hier lesen kann, durchaus imstande, ihren Staat unabhängig von Berlin oder Brüssel zu ruinieren. Einfach deswegen, weil sie sich genau so wenig wie Schäuble, Scholz, Merkel und etliche „Linke“ verabschieden wollen von Strukturen und Gewohnheiten, die Europäer einst zu Beherrschern der halben Welt gemacht haben.

    Was vor 500 Jahren gut war, finden nicht nur Abascal und seine Anhänger offenbar, kann heute nicht schlecht sein. Dass man nicht "groß" ist, wenn man ganze Völker mordet, alles stiehlt, was nicht niet- und nagelfest ist und sämtliche Kultur einebnet, die einem nicht zu dienen wünscht, haben diese Typen bis heute nicht kapiert. Müssen sie auch nicht. Zwingt sie ja keiner. Will sich halt keiner, der was auf dem Kasten hat, als Rumpelstilzchen outen.

  • Schäuble, Scholz und Merkel ernten jetzt die rechten Früchte ihrer "Germany first"-Austerität.

    Jahrelang haben Spanier, Italiener und Griechen nolens volens die EU- und Euro-Politik mitgemacht, die ihnen nach klassischer neoliberaler Doktrin langsame Besserung versprach, wenn nur bei den sogenannten "Leistungsträgern" der Wohlstand zunächst erst mal angekommen sei.

    Nachdem ihre Regierungen den von Deutschland vorgegebenen Austeritätskurs immer brav mitgemacht hatten, ist es auch linker Opposition in Spanien nicht gelungen, den wachsenden Ärger in eine sozialere Politik umzusetzen; in Griechenland wurde Tsipras sogar voll ins System eingebunden..

    Die entscheidenden Politiker der Europäischen Union haben es zugelassen, dass die hemmungslose neoliberale Vermehrung privaten Kapitals und die gleichzeitige ideologische Reduzierung der Staatshaushalte zur Verarmung und Perspektivlosigkeit weiter Bevölkerungsteile geführt haben.

    Dadurch treiben sie in diesen Monaten die Menschen in die Arme derer, die in parlamentarischer Demokratie und in EU-Zentralismus die großen Übel unserer Zeit sehen. Muss man sich da noch wundern, dass viele Menschen sich von der nationalistischen völkischen Rechten die Rettung vor der Berliner und Brüsseler Übermacht erhoffen ?

    In der Berliner Koalition gibt es ebenso wenig wie bei Macron oder in der EU-Kommission irgend welche Anzeichen dafür , dass die aktuell Verantwortlichen den Ernst der Lage in den südlichen und östlichen EU-Ländern erkannt hätten, und nicht nur.dort !

    Von einem Friedrich Merz ist ein Umsteuern aus dem marktradikalen Modus der Staatsplünderung durch die großen Vermögen erst recht nicht zu erwarten.

    • @unSinn:

      Warum muss man sich da noch wundern, dass viele Menschen sich von der nationalistischen völkischen Rechten die Rettung vor der Berliner und Brüsseler Übermacht erhoffen ?



      Gerade in Spanien haben die PSOE (Schwesterpartei der SPD) sowie die PP (Schwesterpartei der CDU) die Erwartungen der Menschen jahrelang enttäuscht, und da kommt dann sowas wie jetzt heraus, die VOX ist plötzlich im Parlament, und die selbst ernannten Demokratischen Parteien reiben sich die Augen. Diese Parallelen gibt es auch bei uns, mich würde nicht wundern, wenn wir in 2019 den ersten AfD-Ministerpräsidenten bestaunen. Und auch bei uns retten sich SPDCDUetc. nur in Ausgrenzung, statt dem Volk mal auf den Mund zu sehen. Daran wird auch der Messias Fr.Merz nix ändern - alter Wein in neuen Schläuchen.

    • 9G
      97684 (Profil gelöscht)
      @unSinn:

      "Muss man sich da noch wundern, dass viele Menschen sich von der nationalistischen völkischen Rechten die Rettung vor der Berliner und Brüsseler Übermacht erhoffen.?"



      Erhoffen kann man viel, wenn der Tag lang ist.

      Die emanzipierte Linke war immer schon hegomoniekritisch. Sie hat das Zentralistische der EU immer abgelehnt, dagegen den Internationalismus immer hochgehalten. Auch zu Selbstmacht und -ermächtigung ermutigt. ( Die Besten unter ihnen).



      Was hält die Massen eigentlich davon ab, sich für DIESE Dinge und nicht irgendeinen illiberalen Mist von rechts, der die Massen letztlich selber trifft, einzustehn.

      Aber die vielen Menschen sind gar nicht an anderen Entwürfen , die nicht bloss der Befriedigung des Metabolismus



      dienen, interessiert. Da dockt Illiberalität jeglicher , besonders rechter Couleur an.Mit Speck fängt man hält Mäuse.

      Es ist die Furcht vor dem Neuen. Und die Hoffnung , dem Anderen, Fremden möge es noch schlechter geh'n als einen selbst .Ist nämlich viel einfacher. Aber so billig kommen mir die "vielen Menschen " nicht davon.