Spanien streitet um Corona-Maßnahmen: Nichts als Polemik

Erst forderte Spaniens Rechte massiv Ausgangssperren. Seit sie da sind, wittern sie eine kommunistische Diktatur mit Ministerpräsident Pedro Sánchez.

Ein Mann im Anzug mit Mundschutz und Plastikhandschuhen inmitten von Werktischen

Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez beim Besuch einer Fabrik für Beatmungsgeräte Foto: Moncloa Palace/reuters

MADRID taz | Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez gibt sich nach drei Wochen Corona-Ausgangssperre betont optimistisch, fordert aber zugleich weitere Opfer der Bevölkerung. „In den kommenden Tagen werden wir den den Höhepunkt überschreiten“, erklärte der Chef der Koalitionsregierung aus sozialistischer PSOE und linksalternativer Unidos Podemos (UP) am Samstag in einer Ansprache zur Mittagsessenszeit. Die Zahl der Neuinfektionen und Toten in den letzten 24 Stunden sank am Sonntag einmal mehr. Das Gesundheitsministerium zählt 130.759 bestätigte Fälle und 12.418 Verstorbene.

„Wir sind ganz nahe, aber jetzt ist es notwendig, erneut um Opfer, Widerstand und Siegermoral zu bitten“, fügte er hinzu und kündigte eine Ausweitung der Ausgangssperre bis zum 26. April an. Danach werde es weitere Verlängerungen geben, allerdings mit zunehmenden Erleichterungen. Ab dem 11. April sollen die vor einer Woche geschlossenen Unternehmen, die nicht zur Grundversorgung des Landes beitragen, den Betrieb wieder aufnehmen dürfen.

Sánchez wird am Gründonnerstag das Parlament um eine Zustimmung zu seinen Plänen bitten. „Ich werde den Antrag unterstützen“, erklärte umgehend der Chef der Oppositionspartei Partido Popular (PP), Pablo Casado und setzt zugleich zum politischen Rundumschlag an. „Um Leben zu retten, nicht im Spanien zu ruinieren“, fügte der Konservative hinzu. Er hofft, dass die Krise ihm eine Chance bietet, die Linksregierung zu Fall zu bringen.

Dazu sind Casado auch noch so absurde Vorwürfe recht. Sánchez sei „in eine Schräglage in Richtung Unidos Podemos“ geraten. UP-Chef Pablo Iglesias würde ungehindert „radikale Maßnahmen“ umsetzen und damit der Wirtschaft schaden. Die Rede ist vom sozialen Rettungspaket, das unter anderem Entlassungen in der Krise und Zwangsräumungen von schuldigen Wohnungseignern während des Alarmzustandes verbietet. All das gilt Casado als „unverantwortlich“. Sein Rezept: Steuersenkungen für Unternehmen und gleichzeitige Einhaltung des Stabilitätspaktes zur Defizit und Neuverschuldung der Europäischen Union (EU).

Vox fordert Rücktritt

Die drittgrößte Partei im spanischen Parlament, die rechtsextreme VOX, wird gegen eine Verlängerung des Alarmzustandes stimmen. Ihr Parteichef Santiago Abascal zieht vor das Verfassungsgericht. Ausgerechnet er, der vor wenigen Tagen den Rücktritt „der bolivarisch-kommunistischen Regierung“ von Sánchez und Iglesias forderte, um eine „Regierung des nationalen Notstandes“ mit Technokraten zu bilden, die sich auf die Streitkräfte Spaniens stützen soll, sieht im Alarmzustand „eine Zerstörung der Institutionen“. Er wirft Sánchez vor, Spanien den Kommunisten und Separatisten auszuliefern.

Die rechte Presse unterstützt die Kampagne von PP und VOX. „Einige glauben, dass dies die Chance für einen radikalen Fahrplan ist, der sich auf pittoreske Interpretationen der Verfassung stützt, um Verstaatlichungen umzusetzen“, schreibt der Chefredakteur der Tageszeitung La Razón, Francisco Marhuenda, angesichts der Tatsache, dass die Regierung Unternehmen verpflichtet, Material für Krankenhäuser zu produzieren und das private Gesundheitssystem dem öffentlichen unterstellt hat.

Das älteste Blatt Spaniens, ABC, wirft Sánchez vor, „Ideologie über die wirtschaftliche Erholung“ zu stellen. Und die online-Zeitung Libertad Digital titelt: „Panik kommt auf: Iglesias errichtet ein kommunistisches Regime.“

„Die Zeit für politische Debatten wird kommen. Jetzt heißt der Feind Covid-19; das ist es, was die Regierung beschäftigt“, erklärt Sánchez angesichts der Angriffe. Nur wenn es um die EU geht, sind dem Spanier politische Statements zu entlocken. „Der Grund für die Existenz der EU ist es, gemeinsam einer Krise wie dieser die Stirn zu bieten“, erklärte er am Samstag. „Spanien wird nicht auf die Eurobonds verzichten“, wandte er sich an Holland und Deutschland. Immer wieder fällt der Begriff eines „neuen Marshallplans“.

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