Spanien schiebt algerischen Dissident ab: Von Gefängnis zu Gefängnis
Ein algerischer Dissident, der in Spanien Asyl beantragt hatte, sitzt nun in Abschiebehaft. In Algerien erwarten ihn zehn Jahre Gefängnis.
Bereits 2019 hatte Benhalima das Land verlassen und in Spanien einen Asylantrag gestellt. „Darüber wurde bis heute nicht entschieden“, beschwert sich sein Anwalt Eduardo Gómez Cuadrado, der gegen die Abschiebung Einspruch eingelegt hat. Die spanische Polizei begründet ihr Abschiebeverfahren mit dem Vorwurf „Aktivitäten, die der nationalen Sicherheit zuwiderlaufen oder die Beziehungen Spaniens zu anderen Ländern gefährden könnten“. Spanien bezieht über zwei Pipelines Erdgas aus der algerischen Wüste.
Zu Hause in Algerien könnte – so die Befürchtung von Gómez, aber auch von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International – Benhalima Folter und Misshandlung drohen. Benhalima nahm, trotz seiner Funktion in der algerischen Armee an den Freitagsdemonstrationen der Protestbewegung Hirak teil. Diese entstand, um eine fünfte Amtszeit des damaligen, schwerkranken und mittlerweile verstorbenen Präsidenten Abdelaziz Bouteflika zu verhindern – mit Erfolg.
Die Proteste gingen weiter – für eine umfassende Reform des algerischen Regimes. Benhalima hat sich in all den Jahren als YouTuber einen Namen gemacht. Er klagt die Korruption in seinem Land an, versucht aufzudecken, wie sich hohe Militärs am Erdöl und Erdgas des Landes bereichern. Damit hat Benhalima mittlerweile über 150.000 Follower auf der Videoplattform.
Islamismusvorwürfe gegen Benhalima
Außerdem soll der ehemalige Soldat laut Algerien der 2021 in London gegründeten als islamistisch bezeichneten Organisation Rachad angehören. Diese gilt in Benhalimas Heimat als „terroristisch“, obwohl sie keine Gewalttaten begangen hat und laut Anwalt Gómez Cuadrado in Ländern wie Frankreich, Belgien, der Schweiz und Kanada legal ist.
Benhalimas Sorge ist berechtigt: Ein befreundeter Polizist, Mohamed Abdallah, der ebenfalls nach Spanien geflüchtet war, wurde wegen angeblicher Mitgliedschaft bei Rachad von Algerien gesucht und von Spanien trotz Asylantrag ausgeliefert. Abdallah soll in algerischer Haft misshandelt worden sein. „Der spanischen Polizei reicht es, dass sie dich Islamist nennen, um eine Gefahr für die nationale Sicherheit zu sehen. Menschen- und Bürgerrechte gelten dann nichts mehr“, klagt Anwalt Gómez Cuadrado. Er hofft, dass er die Aussetzung der Abschiebung erreichen kann. Es gebe auch Fälle, in denen über die Widersprüche erst dann richterlich geurteilt wurde, als die Betroffenen schon längst zurück in ihrer Heimat gewesen seien, so Gómez Cuadrado.
Amnesty International hat Spanien aufgefordert, auf eine mögliche Ausweisung von Mohamed Benhalima „umgehend zu verzichten“. Sie nennen Benhalima einen „Whistleblower“, der „Korruption in den Reihen hochrangiger Offiziere der algerischen Armee aufgedeckt“ habe. Amnesty wirft dem algerischen Regime „Folter und andere Formen der Misshandlung“ gegen mehrere Hirak-Aktivisten vor.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Der Fall von Assad in Syrien
Eine Blamage für Putin