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Spanien gegen EnglandDas logische WM-Endspiel

Spanien und England spielen am Sonntag um den WM-Titel. Es sind die Nationen, in denen das Spiel am nachhaltigsten professionalisiert wurde.

Die englische Nationalspielerin Jessica Carter von Chelsea London gibt die Richtung vor Foto: Isabel Infantes/PA Images/imago

Sydney taz | Für eine WM, bei der beinahe täglich von gestürzten Favoritinnen, geschrumpften Leistungslücken und auftrumpfenden Underdogs zu lesen war, ist die Finalpaarung beinahe schon eintönig geraten: England gegen Spanien. Westeuropa gegen Westeuropa. Also doch kein australischer Außenseiter-Titelgewinn, doch keine Kolumbianerinnen im Finale, doch kein Triumphzug Nigerias. Dafür bleiben die finanzielle Ausbeutung und auch die sportliche Diskriminierung des Globalen Südens (Stichwort: Fifa-Rangliste) zu dramatisch. England gegen Spanien also. Es mag nicht die allererste Wette bei Tippspielen gewesen sein, aber es ist das logische, fast zwangsläufige Finale dieses Fußballjahrzehnts.

Triumphiert haben letztlich die beiden Nationen, deren Klubs zuletzt am konsequentesten in Frauenfußball und in die eigene Liga investiert haben. In England von oben durch eine Art Planwirtschaft der Football Association, in Spanien vor allem durch den FC Barcelona und sehr aktivistische, widerständige Spielerinnen, die sich ihre Professionalisierung immer wieder durch Proteste erkämpften.

Beide haben das Aufschließen Westeuropas zum Profisystem der USA maßgeblich vorangetrieben. Innerhalb weniger Jahre wurden ihre Ligen von vernachlässigbaren Amateurligen zu den beiden wohl bestfinanzierten Ligen der Welt hinter der US-Liga – mit einheimischen Stars, die fast alle in der Heimat beschäftigt sind.

Die spanische Startelf ist gewissermaßen ein „Best of Barcelona“, und vor allem der hervorragenden Barça-Nachwuchsarbeit ist es zu verdanken, dass das spanische Team innerhalb weniger Jahre von der Bedeutungslosigkeit in die Weltspitze aufstieg. Dort stehen inzwischen mehrere Generationen von Kurzpasskünstlerinnen, die zudem gemeinsam im derzeit vielleicht besten Team der Welt spielen. Zufall geht anders.

Die englische Women’s Super League (WSL) wiederum ist wesentlich ausgeglichener und der Motor der europäischen Kommerzialisierung. Wenn ein Klub wie der FC Bayern es schafft, Georgia Stanway ins hinterwäldlerische Deutschland zu holen, gilt das inzwischen als mittlere Sensation. England gegen Spanien, das ist auch Ausweis der verschobenen Plattentektonik in Europa.

Gute Nachwuchsarbeite und viele Fans: Der FC Barcelona gegen Chelsea im Halbfinale der Champions League Foto: imago

In Deutschland reibt man sich jetzt verwundert die Augen. Jahrelang hatte es hierzulande geheißen: Ja, was in England und Spanien passiere, sei schon ganz nett. Aber die Bundesliga sei immer noch die beste Liga Europas, und ein so künstlicher Boom stehe doch mindestens auf tönernen Füßen.

Nun, vor dem eigenen Scherbenhaufen, beginnt man verschämt, Maßnahmen zu kopieren: Frauenfußball als Lizenzbedingung, Highlightspiele, TV-Verträge. Wie groß aber die Lücke ist, lässt sich daran erkennen, dass in England vor der WM eine Professionalisierung der zweiten Liga gefordert wurde. In Deutschland ist nicht einmal die erste Liga eine Vollprofiliga.

Trotz allem, eine künftige England-Spanien-Dominanz auf Weltebene steht wohl nicht an. Keines von beiden Teams spielte durchweg überzeugend; England agiert angesichts der paradiesischen WSL-Zustände eher unter seinen Möglichkeiten. Die USA werden in die Weltspitze zurückkehren, die Japanerinnen haben sich eindrucksvoll zurückgemeldet, und auch Frankreich kann einen Titel holen, falls der Verband sich endlich entscheidet, bessere Strukturen zu schaffen.

Nur Spanien hat durchaus das Zeug für eine längere Dominanz: Was dieses Team, das trotz des verkrusteten Verbands, trotz der streikenden Spitzenspielerinnen, trotz des verhassten Jorge Vilda im Finale steht, wohl erreichen könnte, wenn die Bedingungen nur ein bisschen gut wären?

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