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Soziologin über Antifeminismus„Alle meinen, dass sie mitreden können“

Caroline Hesidenz sieht Antifeminismus als Strategie der extremen Rechten, Zugang zu konservativen Kreisen zu bekommen. Solidarität kann dagegen helfen.

Was AfD-Politiker so von sich geben: Aktion der Organisation Avaaz am Brandenbuger Tor in Berlin im Juni 2024 Foto: dpa | Annette Riedl
Esther Geisslinger
Interview von Esther Geisslinger

taz: Frau Hesidenz, mit dem Rechtsruck kehren dessen Kumpel zurück: Rassismus, Sexismus, Queer- und Frauenfeindlichkeit. Dazu kommt der Antifeminismus. Was genau ist Antifeminismus?

Caroline Hesidenz: Antifeminismus gibt es, mal mehr, mal weniger stark, solange wie es den Kampf für Frauenrechte gibt. In den vergangenen zehn Jahren ist er auf dem Vormarsch, und in jüngster Zeit wird er öfter thematisiert. Beim Antifeminismus geht es um die organisierte Bekämpfung von Emanzipation, geschlechtlicher Vielfalt, von Feminismus und Feminist:innen. Er basiert auf dem alltäglichen Sexismus, den das patriarchale System mit sich bringt, fügt aber eine gezielte Strategie gegen feministische Institutionen hinzu.

taz: Sie nehmen in Kiel an einer Debatte der Friedrich-Ebert-Stiftung teil, mit dabei sind die SPD-Landtagsabgeordnete Sophia Schiebe und Kerstin Hansen vom Netzwerk bei häuslicher Gewalt. Der Titel lautet „Frauenfeindlichkeit und Antifeminismus – wie stoppen wir den Rollback?“ Gibt’s darauf eine kurze Antwort?

Hesidenz: Oh je, kurz ist schwierig. In Stichworten: Weiter für Sichtbarkeit sorgen, sich nicht einschüchtern lassen und solidarisch gegen Angriffe zusammenstehen.

Im Interview: Caroline Hesidenz

41, ist Soziologin und arbeitet freiberuflich als politische Bildnerin mit den Schwerpunkten Antidiskriminierung, extreme Rechte und Geschlechterverhältnisse.

taz: Warum ist Antifeminismus für die Rechte so wichtig?

Hesidenz: Ich sehe zwei Komponenten: eine ideologische und eine strategische. Zweigeschlechtlichkeit, starre Geschlechterrollen und die daraus abgeleitete gesellschaftliche Ordnung ist in der Rechten zentral für die Vorstellung von Gesellschaft und Volksgemeinschaft. Strategisch stellt Antifeminismus ein Scharnier zum konservativen Denken jenseits der extremen Rechten dar. Das Thema eignet sich als Triggerpunkt, man kann damit polarisieren, und alle meinen, dass sie mitreden können. Hier lässt sich an die Ängste vieler Menschen vor jeder Art von Veränderung anknüpfen.

Die Diskussion

„Frauenfeindlichkeit und Antifeminismus – wie stoppen wir den Rollback?“, 3. Juli, 18.30 Uhr, Pumpe Kiel, Haßstraße 22. Anmeldung ist erforderlich: www.fes.de

taz: Das heißt, wenn Ver­tre­te­r:in­nen demokratischer Parteien den Kampf um symbolische Gleichstellung abwerten, zum Beispiel von „Gendergaga“ reden, spielen sie das Spiel der Rechten?

Hesidenz: Ja, absolut! Dazu gehört auch, wenn queere Gruppen innerhalb von Parteien nicht am CSD teilnehmen dürfen oder wenn es Rückschritte bei der Beflaggung gibt. Oder wenn in manchen Bundesländern gendersensible Sprache an Schulen oder in Behörden verboten wird. Das erfüllt Forderungen der AfD.

taz: Was tun, wenn mir – zum Beispiel im Internet – antifeministische Argumente begegnen?

Hesidenz: Je nachdem, wo und wie, muss ich überlegen, was sinnvoll ist. Bringe ich durch Widerspruch eine Aussage erst recht nach vorn? Lohnt es sich, inhaltlich einzusteigen, oder supporte ich andere Personen, die sich bereits geäußert haben? Kann ich die Aussage melden oder sogar Strafanzeige stellen? Wichtig finde ich, für die zu argumentieren, die auf den Post stoßen könnten. Dass ich Menschen durch eine Debatte auf Social Media von antifeministischen Überzeugungen abbringen kann, halte ich für unwahrscheinlich.

taz: Auch Frauen verhalten sich antifeministisch. Warum?

Hesidenz: Generell gilt, dass die patriarchalen Strukturen der Gesellschaft auf uns alle einwirken. Wir wissen genau, was als machtvoll und was als abweichend gilt. Davon kann ich mich emanzipieren und für eine andere Gesellschaft eintreten, oder ich mache es mir zu eigen. Wobei es aber darauf ankommt, ob eine Person ihre Haltung als bewusste Entscheidung für sich selbst definiert. Diese Haltung kann ich kritisieren, ist aber kein Antifeminismus. Der beginnt, wenn sie verkündet, es sei die Rolle aller Frauen, sich dem Mann zu unterwerfen, und jede Art von Auflehnung führe ins Elend. Um es ganz explizit zu machen: Beim Antifeminismus geht es nicht um Sprüche, sondern um Menschenrechte. Darum ist es wichtig, dass wir uns dagegen wehren.

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8 Kommentare

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  • Der Artikel liest sich so, als könnte man von vornherein davon ausgehen, dass Gegenargumente zum Feminismus nur falsch sein können.

    Es gibt keine perfekte Bewegung. Gegenargumente können auch stimmen. Daher würde zum Umgang mit "antifeministischen Argumenten" auch gehören, dass man das Gehörte oder Gelesene reflektiert, es könnte nämlich potentiell auch schlichtweg richtig sein.

    • @Marcus Frank:

      Generell das Körnchen Wahrheit als möglich ansehen, was Lernen unterstützt. Bei reinen lauten Debattierern aber auch nicht gleich zu viel Resonanzraum geben.



      Frauen und Männer sind gleichberechtigt, meint das Grundgesetz. Dieses Ziel darf mensch gerne als gesetzt annehmen.

  • Der Zufall von Gender oder Sex sollte in einer Welt keine wirkliche Rolle spielen, von Einzelpunkten abgesehen.



    Wer Universalist(in) ist, sollte auch gleiche Rechte für Frauen und Männer propagieren, statt Retro-Sprüche zu klopfen, die selbst in der Provinz niemandem mehr einleuchten.



    Kein echter Mann will übrigens Privilegien, nur weil er ein Mann ist, werte AfD-Krähen. Weder offiziell noch faktisch.

  • Es gibt eine Grauzone in den Diskussionen um Feminismus, der hier wieder einmal ausgeschaltet wird. Feministische und andere identitäre Stimmen machen sich das liberale Recht auf Selbstverwirklichung zu eigen und sehen in allen Stimmen, die eine Notwendigkeit zu mehr Verantwortung für kollektive Interessen sehen. Ohne entsprechende Rückstellung von Eigeninteressen lassen sich gesellschaftliche und globale Probleme kaum mehr lösen.

    In der medialen Breite wird aber anderes diskutiert. Die Fußball-EM der Frauen wird es wieder zeigen. Da wird das Spiel gefeiert und jetzt schon mehr über die Benachteiligung weiblicher FußballerInnen geredet, als die Sinnhaftigkeit von Profisport und solchen Veranstaltungen in Frage zu stellen. Nicht nur ARD und ZDF sitzen dabei in der ersten Reihe, ihr Geschäftsmodell vom Verkauf emotionalisierender Unterhaltung umzusetzen.

  • Caroline Hesidenz bezeichnet sich als Feministin. Aber der Feminismus ist nicht umsonst männlich. Grammatikalisch, klar. Aber auch strategisch und moralisch. Weiblichkeit ist ein Muss im Feminismus. Wobei nicht „die Frau“ immer recht hat, sondern die Feministin. Seltsam, oder?

    „Wir“ beispielsweise wissen „genau, was als machtvoll und was als abweichend gilt“, aber nur „ich“ kann mich „emanzipieren [davon] (oder es mir zu eigen machen)“. Das „Wir“ löst sich also umgehend auf, wenn es konkret wird. Wobei die, die sich selber als Feministinnen labeln, sich zu gerne selber ermächtigen darüber zu urteilen, ob eine individuelle Entscheidung bewusst getroffen wurde und also legitim ist, oder nicht.

    Sieht aus, als würden auch sie eine Art Herrschaftswissen für sich reklamieren. So, wie es Männer seit Jahrtausenden tun (und Psychiater). Offenbar glauben sie, Macht sei Wissen (nicht umgekehrt), auch wenn sie eigenständiges Denken gar nicht erfordert, sondern bloß fehlerfreies Kopieren.

    Wenn Politiker:innen von „Gendergaga“ reden, ist das vor allem eins: unpolitisch. Genau wie der „Kampf um symbolische Gleichstellung“. Gegner sind/werden einander wohl doch ähnlich im Laufe der Zeit. 🤷

    • @zitterbacke:

      Guter Beitrag. Kollektivistisches Denken und individuelle Emanzipation beißen sich schneller als man gucken kann

    • @zitterbacke:

      Vollkommene Zustimmung



      Gleichberechtigung muß von unten, und aus dem Alltag wachsen und gelebt werden. Nicht durch unverhandelbare Forderungen und Ideologien einer kleinen, rechthaberischen Minderheit, eventuell noch verbunden mit der Forderung nach einer Sonderbehandlung, um dieses propagierte Ziel zu erreichen.



      Anscheinend ein deutsches Problem. Regelmäßig in den Nachrichten oder Talkshows zu "bewundern", wenn Vertreter einer kleinen oder eigentlich nicht relevanten Gruppe sich in die Öffentlichkeit drücken und ohne zu erröten den Standardsatz in die Mikrofone plärren: "Wir fordern von der Regierung/der Politik/dem Stadtrat, das (unverzüglich)....



      Etwas mehr Bescheidenheit und Realismus wäre dringend geboten. Die Mehrheit der Menschen hierzulande hat weder was gegen Gleichstellung, gesunde Ernährung, Flüchtlingshilfe etc. Aber vorschreiben lassen, wie sie sich ab sofort zu verhalten haben, geht nun mal gar nicht. (Auch nicht beim Gendern).

    • @zitterbacke:

      Ich störe mich nicht wie Sie an der Männlichkeit ansich aber ich glaube wir sehen grundsätzlich das gleiche Problem:

      Der Gedanke dass die eigene Seite immer zu 100% recht haben muss und die Gegenseite immer zu 100% unrecht, ist undemokratisch und daher höchst suspekt. Allein dass es nur zwei Seiten geben soll, hat schon totalitäre "Vibes".

      Dabei wird dann gleich ein ganzes Paket an (angeblich) moralisch unhinterfragbaren Haltungen geschnürt. Frauenrechte sollen identisch mit den Rechten transidenter Menschen sein, das Patriarchat ist die Wurzel allen Übels, "Gendergerechte" Sprache soll immer und überall gut und richtig sein usw.

      Differenzierung ist gar nicht vorgesehen. Und wer in Details abweicht, gehört schon zur Gegenseite.

      Und selbst wenn man auf einer sehr abstrakten Ebene richtig liegt - Humanismus, Emanzipation - so ist doch offensichtlich, dass überschießender Eifer unnötige Akzeptanzprobleme schafft. Nur die aller wenigsten wollen Homosexualität wieder unter Strafe stellen oder Frauen wieder in die Küche verbannen.

      "Rückschritte bei der Beflaggung" o_0