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Soziologe zu Erfolg von Rechtspopulismus„Die Scham wird in Wut verwandelt“

Der Aufstieg von rechten Populisten liege auch am Versagen westlicher Sozialdemokraten, sagt Sighard Neckel. Neue Bündnisse seien dringend notwendig.

Nur eine der VertreterInnen des Rechtspopulismus Foto: imago/Mauersberger
Sabine am Orde
Interview von Sabine am Orde

taz: Herr Neckel, Sie haben jüngst – mit Verweis auf den Liberalen Ralf Dahrendorf – gesagt, dass wir an der Schwelle zu einem autoritären Jahrhundert stehen. Ist die Lage wirklich so ernst?

Sighard Neckel: Wir beobachten im Augenblick, dass sich überall autokratische und oligarchische Regierungen etablieren. Nicht nur an den Rändern der westlichen Welt wie in der Türkei oder Russland, sondern auch mitten im Zentrum wie jetzt in den USA. Die Verbindung von Kapitalismus und Demokratie, die wir jahrzehntelang hatten, wird brüchig.

Warum?

Das hat mehrere Gründe. Zum einen hat der Neoliberalismus in den letzten 20 Jahren die demokratischen Institutionen unter Beschuss genommen. Ihnen wurde vorgehalten, ineffektiv, leistungshemmend und wachstumsfeindlich zu sein. Dies hat zu einer Delegitimierung der Demokratie in weiten Bevölkerungskreisen geführt. Zweitens sind die politischen Institutionen dabei, sich zu transnationalisieren, in Europa also die Europäische Union. Bislang vermochte sie es aber nicht, große Bevölkerungsgruppen davon zu überzeugen, dass Transnationalisierung vorteilhaft für sie ist. Drittens leben westliche Demokratien davon, dass sie die gleichberechtigte Teilhabe verschiedener Klassen und Schichten ermöglichen. Davon kann heute nicht mehr die Rede sein.

Was meinen Sie konkret?

Die sozialdemokratischen Parteien von den USA bis Mitteleuropa haben es versäumt, die unteren Schichten und auch die durchschnittlichen Haushalte sozialpolitisch verlässlich in die Demokratie einzubinden. Im Gegenteil haben sich diese Parteien zu Komplizen einer Wirtschaftspolitik gemacht, von der ihre eigene Wählerschaft letztendlich nur Nachteile hat. Das führt dazu, dass große Gruppen ehedem sozialdemokratischer Wähler sich abgewendet haben. Teilweise sind sie völlig desinteressiert am politischen System oder sie haben sich neue Repräsentanten gesucht: die nationalistische Rechte.

Im Interview: Sighard Neckel

60, ist Professor für Gesellschaftsanalyse und sozialen Wandel an der Universität Hamburg. Zuletzt beschäftigte er sich mit soziologischen Studien zur „Refeudalisierung“ des modernen Kapitalismus.

Zugespitzt heißt das: Die Hartz-Reform der SPD ist schuld am Aufstieg der AfD.

Das wäre zu einfach, Hartz IV ist ja nur ein Beispiel dafür. Soziologisch betrachtet, haben Parteien so etwas wie eine historische Aufgabe, an der sie sich bewähren müssen. Die CDU sollte den Kulturkampf zwischen den Konfessionen in Deutschland beenden und die unterschiedlichen christlichen Milieus politisch vereinen. Das ist ihr ganz gut gelungen. Die historische Aufgabe der Sozialdemokratie ist die Integration unterer Schichten in die soziale Marktwirtschaft und in die Institutionen der Demokratie. Hierbei hat sie zuletzt nicht nur in Deutschland versagt. Das könnte dazu führen, dass sie in den kommenden Jahren unter 20 Prozent fallen wird.

Was meinem Sie konkret?

Von Labour in Großbritannien über die Demokraten in den USA bis zur SPD sind es ausgerechnet Sozialdemokraten gewesen, die in den 90er Jahren den Neoliberalismus politisch durchgesetzt haben. Von der Deregulierung der Finanzmärkte versprach man sich etwa, dass eine Wertschöpfung in Gang gesetzt würde, von der am Ende auch untere Schichten und die staatlichen Budgets profitieren. Das ist aber nicht passiert. Im Gegenteil: Der ungeheure Reichtumszuwachs oben ging direkt auf Kosten der mittleren und unteren Schichten. Um Banken zu retten und Großanleger vor Verlusten zu schützen, sind nach der Finanzkrise 2008 horrende Steuersummen aufgebracht worden. Die sozialdemokratischen Parteien haben diesen Kurs viel zu spät korrigiert. Während der sogenannten Griechenlandkrise haben sie den europäischen Austeritätskurs der CDU mitgestützt. Sie schauten also nicht nur tatenlos zu, wie sich die soziale Spaltung vertiefte, sondern haben aktiv dazu beigetragen.

Nun ist aber der Aufstieg der AfD in Deutschland nicht allein durch diese Schichten zu erklären.

Das stimmt. Die nationalistische Rechte findet durch alle Bevölkerungsgruppen hindurch Unterstützung. Und die AfD wäre ohne die bürgerlich-nationalistische Gegenelite, die sich jetzt in ihrer Führung versammelt, nicht so erfolgreich geworden. Doch die großen Stimmengewinne für die AfD gäbe es nicht, wenn es dieser Partei nicht gelungen wäre, in jene Bevölkerungsgruppen einzudringen, die ehedem sozialdemokratisch orientiert waren. Die empirische Forschung zeigt: je geringer das Einkommen, je niedriger der formale Bildungsgrad und je höher das Lebensalter, desto häufiger wird die nationalistische Rechte gewählt. Das kann man vom Mittleren Westen in den USA über den Pariser Industriegürtel, die nordenglischen Kohlereviere bis hin nach Sachsen beobachten. Zuletzt bei der Bundespräsidentenwahl in Österreich haben 85 Prozent der Arbeiter FPÖ gewählt.

Welches Angebot verfängt dabei?

Das Angebot eines nationalen Protektionismus in wirtschaftlicher, politischer und gesellschaftlicher Hinsicht. Die trügerische Illusion eines nationalen Sozialstaats, der ausschließlich die Interessen der angestammten Bevölkerung vertritt.

In den USA heißt es nun, die Demokraten hätten sich zu sehr mit Identitäts- und Antidiskriminierungspolitik beschäftigt.

Es ist in der Tat ein Problem, wenn das linksliberale Milieu Antidiskriminierungspolitik betreibt und nicht zugleich gegen die Benachteiligung aus wirtschaftlicher Ungleichheit vorgeht. Genau das aber war bei den Demokraten der Fall. Für deren klassische Wähler sah das dann so aus, als ob zwar jede Minderheitenforderung unterstützt wird, die Anliegen der breiten Masse aber unbeachtet bleiben.

Sie sprechen bei der Erklärung von Rechtspopulismus auch von Scham, Wut und Rache. Welche Rolle spielt das?

Es gibt interessante Forschungen darüber, dass sich in den Sozialgruppen, die zu den Verlierern der Globalisierung zählen, Formen einer uneingestandenen Scham ausgebreitet haben. Diese Menschen merken, dass sie an öffentlicher Aufmerksamkeit und an Anerkennung verlieren, dass sie stattdessen zu Objekten von Häme und Geringschätzung werden. Die heutigen Leitbilder in der Gesellschaft haben mit ihren Formen der Lebensführung nur noch wenig zu tun, die als borniert und rückständig gelten. So ein nagendes Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit ist belastend, weil man zunächst den Fehler bei sich selbst sucht. Daher ist es nicht überraschend, wenn die Rechte dabei erfolgreich ist, diese latente Scham in Wut und Rachegefühle denjenigen gegenüber zu verwandeln, die vermeintlich für die empfundene Zurücksetzung verantwortlich sind. Deshalb verfängt auch die Propaganda gegen Eliten so.

Aber die Führung der Rechtspopulisten kommt zum größten Teil selbst aus der Elite.

Die Gegeneliten der Rechten stellen sich als Außenseiter dar und zwar im Verhältnis zum eigenen Oberschichtenmilieu. Trump hat nicht die Weihen des politischen Establishments erfahren, obgleich er doch Teil der ökonomischen Oberklasse ist. Ebenso die Politiker der AfD-Führung, die sich als Dissidenten des Bürgertums darstellen. Ihre Zurückweisung im eigenen Milieu soll die Gemeinsamkeit mit ihrer Wählerschaft stiften, die sich abgehängt fühlt.

Die AfD hat ein in weiten Teilen wirtschaftsliberales Programm. Wie passt das?

Das ist ein Problem für die. Schauen Sie sich den Front National an, der sieht sich ja in der Nachfolge der kommunistischen Partei, als Interessenvertretung der Arbeiterschaft. Ob die AfD es zusammenbekommt, dass ihre Wähler eigentlich einen national geschlossenen Sozialstaat wollen, während ein Teil der Führung sich wirtschaftsliberal gibt, ist offen.

Was kann man tun?

Wir brauchen eine neue politische Idee von gesellschaftlichen Bündnissen. Dass unterschiedliche Bevölkerungsgruppen politische Koalitionen eingehen, statt sich feindlich gegenüberzustehen. In ihren besten Jahren ist genau dies der deutschen Sozialdemokratie gelungen, als sie die Arbeiterschaft mit den aufstrebenden neuen Mittelschichten und einer kritischen Intelligenz verband. Solche Bündnisse sind heute längst zerfallen und müssten wieder neu erfunden werden.

Wie könnte ein solches Bündnis aussehen?

Eine wichtige Frage wird sein, ob es einem Bündnis von Linkspartei, SPD und Grünen gelingt, wieder eine Art Hegemonie für eine reformorientierte Gesellschaftspolitik zu erlangen, die gleichermaßen auf sozialen Ausgleich und auf Gleichberechtigung orientiert ist. In der Flüchtlingspolitik sollten die Zustände weder dämonisiert noch idealisiert werden, um der nationalistischen Rechten nicht noch mehr Wähler zuzutreiben.

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40 Kommentare

 / 
  • Booey - das Schöffelt - aber echt!

    Daß es beinahe wieder gut ist.

     

    Helene Weigel in memoriam

    Das wirklich nicht ein jeden kann.

    Renegat - Schwer auf Draht!

    Usw usf! Von früh bis spät - mann -

    Das geht - So schön - Queerbeet!

     

    Aber mal im Ernst&EU-inZucht!

    "Am Arsch die Räuber."¿?;))

    Sie lesen oder so - ganz platt

    Willaf Drops Hülsenfrucht?!;) & - uh!

    "Ja - ich vertrag auch keine!?" - too?!

    Also - in echt! - Glaub ich ja glatt -

    Daß da - Pfeift mein Schwein!

    Soo - Fein! - …Ja wie jetzt? Nein!

    Nix zu Neckel!

    Das alles ist Ihr krummbeinTeckel¿!;)

     

    kurz - Pfeifendeckel!

    Denn mal - Zujeklappt! - Newahr!

    Jedenhals - Für dittet Jahr!

    Jau! - & Wie knapp das war!;)((

  • Entschuldigung, gemeint war: Beschränkung der Amtszeit auf zwei Legislaturperioden, also maximal 8 Jahre.

  • Vor Jahren war ich noch richtiger EU-Fan und hatte sogar eine Flagge in meinem Büro. Ich erinnere mich daran, wie Weigel sagte, daß wir den Griechen gar nicht helfen dürften (!), selbst wenn sie und wir das wollten. Was ist aber passiert ? Dublin ? In einer politbüromäßigen Einsamkeitsentscheidung der Staatratsvorsitzenden des ZK der CDU weggebeamt. Wozu all die schönen Gesetze, Vorschriften und Regeln, wenn sich nicht mal die Regierung daran hält. Neeee. Icke dann oooch nich mehr. Wer bleibt denn dann noch ? Die Einheitspartei CDUCSUSPDFDPGrüne ? Linke ? Kommunisten ? NPD ? Alles Mist. Die einen kümmern sich um Genderschei... oder Windräder oder daß gefühlt Milliarden "Gäste" kommen. Na super. Ich bin aber gar nicht abgehängt oder Blödmann oder Hartz-4 oder Ausländerfeind (verheiratet m. Sri Lankierin). Immer nur politkorrekter Blödsprech in der Glotze und wenn man sich traut zu kritisieren: Wie in der DDR: Damals wurde man verdächtigt, Westagent zu sein, heute wird man verdächtigt NS-Agent zu sein. Ja, wo sin mer denn ? Am A... die Räuber. Des ganze Schlaubergergeschwätz geht mir uffde Nerve. Wenn´regnet, brauche ich ein Schirm und zwar zackig und keine Theoriediskussion, daß mer das Wetter in fünftausend Jahren ändern könnten und wenn einer mei Fraa angrapscht, dann knallt´s und zwar gewaltisch. Da gibt kaa Geschwafel, denn da werd ich blitzartisch zum Traumatisierungsexperde. Capito ?

  • Sagt - was Sache ist - (was der kluge, aber doch eher etwas "Nagel mal'n Pudding an die Wand!" Sir Ralf dabei soll - laß ich mal offen!;)

     

    Nicht übersehen werden sollte aus meiner Sicht - die Parallelentwicklung

    Der massiven Verpolizeilichung bis Militarisierung der Öffentlichkeit - der Öffentlichen Räume - Stichwort u.a. Ordnungsamtsleute als verhinderte Bullerei! Mal ab - vom Geld - was das kostet - erinnert es fatal an die Straßensanierungen a Paris durch

    Georges-Eugène Baron Haussmann.

    Das eine wie das andere eben nicht nur virtuell , sondern planmäßig-konkretisiert.

    Heute mit der Schimäre - doch doch -

    Innere Sicherheit mund&mediengerecht serviert!

    Na Mahlzeit!

  • ...das entscheidende Thema scheint mir: die wirklich reichen Menschen und Familien möchten keine Steuern bezahlen. Sie sind an diesem Punkt radikal entschieden. Das gilt weltweit. Und die politische Linke sucht international nach einer Antwort. Eigentlich passend für 100 Jahre Russische Revolution im Jahr 2017...

    • @Der Alleswisser:

      Ja!

      Aber da fehlt noch was: Die Sozis bewundern die Reichen und geifern nach deren Schulterklopfen.

      Sofern sie nicht ganz einfach bezahlte Maulwürfe sind. Gabriel sieht mir danach aus.

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    Eines der Probleme, die die weit begriffene mediale und politische Linke hat, ist, dass diese simplen Tatsachen recht selten so deutlich angesprochen werden. Auch auf einem relativ hohen Wohlstandslevel empfinden Menschen Mangel an Gerechtigkeit, Armut und Perspektivlosigkeit. Dies wird allerdings oft verpackt in buntes Papier des gesellschaftlichen Fortschritts (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/ungleichheit-das-thema-macht-der-elite-angst-kolumne-a-1127877.html) oder konterkariert von Uns-geht-es-gut-und-allen-geht-es-besser-Ökonomen (https://www.freitag.de/autoren/christine-kaeppeler/99-prozent-koennen-irren).

    BTW, Institute for New Economic Thinking - George Soros.

  • 2008, die Finanzkrise, ist nicht der Grund für das Aufkommen der AfD und den Brexit.

     

    2013, als die AfD gegründet wurde und aufstieg, gab es etwa zur gleichen Zeit die Griechenland-Krise. Die Bundesregierung pumpte immer noch Milliarden an Hilfsgeldern in Grichenland hinein (berechtigt!). Der Bevölkerung war dies kaum noch zu vermitteln. Wasser auf den Mühlen der AfD! Und wie reagierte die DIE LINKE darauf? Es sei alles viel zu wenig Geld, welches in die korrupten griechischen staatlichen Strukturen hineingepumpt wurde! Damit wurde die Distel AfD dann weiter gedüngt.

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @Rudolf Fissner:

      "2008, die Finanzkrise, ist nicht der Grund für das Aufkommen der AfD und den Brexit.

      ...

      2013, als die AfD gegründet wurde und aufstieg, gab es etwa zur gleichen Zeit die Griechenland-Krise."

       

      Ein Schelm, der da keinen Zusammenhang sieht ;)

       

      BTW, hab neuerdings gelesen, dass die USA-Regierung auf Druck der Banken ("wir haben nur 72 Stunden") an einem Tag 1.000.000.000.000 USD und dann noch das gleiche mit einer "4" davor reingepumpt hatte. Also sozusagen das vierfache von GR-Schulden an einem Tag.

      In dem ganzen Tumult danach sollten sich auch 600 Mrd. der deutschen Finanzanlagen in Luft aufgelöst haben.

      AfD mag als eine Anti-€-Partei aufgekommen sein, aber die Kausalität muss man davor suchen.

      • 1G
        10236 (Profil gelöscht)
        @10236 (Profil gelöscht):

        "...das vierfache von GR-Schulden..."

         

        damaligen Schulden

        • @10236 (Profil gelöscht):

          Gg. Die Bankenrettung gab es vor allem Kritik von Links. Ich stimme ihnen soweit zu, dass diese es nicht geschafft hat, die linkspopulistischen Geister die sie rief unter Kontrolle zu halten und das Wegwabbern derselbigen nach rechts aufzuhalten.

  • Ein deutlich herausragender Beitrag, besten Dank!

     

    Die Wähler wenden sich ab von den Parteien (nicht nur von der SPD), weil deren Politik (und nicht nur die Wirtschaftspolitik) auf allen Ebenen schlecht IST, und nicht nur, wie es ständig behauptet wird, lediglich "schlecht vermittelt."

     

    Die sogenannten Rechtspopulisten, die von der Unzufriedenheit mit den herrschenden Zuständen und den etablierten Parteien profitieren, sind natürlich keinen Deut besser, im Gegenteil. Protestwählern, die schlicht mit der gegenwärtigen Stagnation unzufrieden sind, ist das wahrscheinlich klar.

     

    Eine bessere Möglichkeit, automatisch mehr Bewegung ins politische System einzubauen, wäre beispielsweise die Beschränkung der Amtszeit für das Bundeskanzleramt auf zwei Jahre.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Zweimal nachgefragt:

     

    "Was meinen Sie konkret?

     

    Die sozialdemokratischen Parteien von den USA bis Mitteleuropa haben es versäumt, die unteren Schichten und auch die durchschnittlichen Haushalte sozialpolitisch verlässlich in die Demokratie einzubinden. Im Gegenteil haben sich diese Parteien zu Komplizen einer Wirtschaftspolitik gemacht, von der ihre eigene Wählerschaft letztendlich nur Nachteile hat. Das führt dazu, dass große Gruppen ehedem sozialdemokratischer Wähler sich abgewendet haben." ...

     

    Noch konkreter?

     

    Gabriel & Co....

    • @571 (Profil gelöscht):

      ... Wagenknecht & Co! Man schaue sich die Wählerwanderungen der Partei an.

    • @571 (Profil gelöscht):

      Wenn Ihnen nur Gabriel & Co. einfallen haben Sie die von ihm genannte Doppelschere nicht verstanden.

       

      Es sind eben nicht nur die Schröders/Münteferings/Gabriels , sondern auch die dauerempörten "SJW" wie der Amerikaner die nennt, die gemeinsam für die Entwicklung verantwortlich sind. Die US-Demokraten haben es hervorragend vorgemacht, in ihrem Wahlkampf war der weiße Mann (CiS-Male wie man so schön sagt, alleine der Begriff ist schon entwürdigend) quasi an allem Schuld und sollte an X-Punkten zurückstecken und nach der Wahl hat man sich gefragt, wieso sowenig weiße Männer einen wählen.

       

      Es ist einfach diese doppelte Schere die linken Parteien so zu setzt, der Wähler käme mit der wirtschaftlichen Ausrichtung klar , wenn er das Gefühl hätte dabei würde auch auf seine Bedürfnisse geachtet und er käme auch mit mehr "bunten" Themen klar, würde auf seine Bedürfnisse geachtet.

       

      Aber wenn seine Miete jedes Jahr steigt, kalte Progression seine Lohnerhöhung auffrisst und der tolle Windstrom ihn auch mehr kostet wird er wenig Verständnis dafür aufbringen, dass offenbar das Hauptanliegen der SPD ist wieviele Y Chromosomen in Dax-Vorständen sitzen.

  • 3G
    35751 (Profil gelöscht)

    Sehr gutes Interview, mit wichtigen und richtigen Aussagen.

     

    Allerdings ist der Autorin bei folgender Frage/Aussage offensichtlich ein Fehler unterlaufen: "Zugespitzt heißt das: Die Hartz-Reform der SPD ist schuld am Aufstieg der AfD."

     

    In dieser Frage fehlen offensichtlich die Grünen, die mit in der Regierungsverantwortung waren und sich zusammen mit der SPD bis heute weigern, die Hartz-Reform auch nur selbstkritisch zu hinterfragen, geschweige denn, irgendwie daran zu rütteln.

    • 6G
      628 (Profil gelöscht)
      @35751 (Profil gelöscht):

      Die Grünen sind strukturell seit langem eine sehr bürgerliche Partei, deren Zielgruppe nie Geringverdiener oder gar Arbeitslose waren. Es ist viel dramatischer, wenn eine klassisch-linke Volkspartei ihre Klientel verrät und wenigstens teilweise als faule Sozialschmarotzer diffamiert, weil sich dadurch weite Teile der Bevölkerung (völlig zurecht) nicht mehr in ihren Interessen vertreten fühlen, wodurch das ganze politische System aus dem Gleichgewicht gerät. Den Grünen hat die Agenda dementsprechend auch nicht geschadet, während die SPD meiner Einschätzung nach froh sein kann, wenn sie 2017 vor der AfD landet.

      • 3G
        35751 (Profil gelöscht)
        @628 (Profil gelöscht):

        Eigentlich würde ich ja ungern eine sich selbst erfüllende Prophezeiung einleiten. Aber da schweigen auch keine Lösung ist...

         

        Vorweg: Guter Einwand! Aber auch wenn ich diesbezüglich kein Vollprofi bin, denke ich dennoch, dass es aus journalistischer Sicht durch den konkreten Bezug zur Hartz-Reform sinnvoll gewesen wäre, die mitverantwortlichen Grünen zu nennen, die nur als möglicher Mitretter der Situation in der letzten Antwort auftauchen. Zumal besagte Stelle keine Frage ist, sondern eine Schlussfolgerung der Journalistin. Dann hätte der Interviewte selbst differenzieren und dem Interview vielleicht auch noch einen weiteren Aspekt hinzufügen können.

        So liest sich der Einstieg wie gegenseitig zugeworfene Bälle , was bei dem guten und wichtige Interview, aufgrund der immer mal wieder unterstellten Nähe von taz & Grüne, eine Angriffsfläche jenseits des Inhalts eröffnet. Beim Interview im Zweifel immer die Äußerungen kritisch hinterfragen (Hier: Rolle der von Neu-Rechten als auch von Teilen der Unterschicht gewähnten grünen Doppelmoral oder auch als SPD-Gegenstück für Mittelschicht und Bürgertum, die ja auch kräftig AfD wählen). Ist der Interviewpartner auf seinem Gebiet bewandert, wird er seinen Standpunkt argumentativ vertreten können. Die Glaubwürdigkeit beider Beteiligter wird so gestärkt und nicht geschwächt.

  • Solange sich die Sozialparteien weiterhin ihr Programm von Lobbyisten aufzwängen lassen, wird sich der Sinn der Wähler nicht ändern.

    Schaut man sich die gesamte Politik der letzten 15 Jahre an, erkennt man, alles wurde auf das Gelingen der Globalisierung ausgelegt. Leider ist gerade den Politikern der SPD und Grünen völlig entgangen, dass diese Politik nur denen dient, die bereits eine dicke Kapitaldecke haben.

    Den Menschen in den unteren Einkommensstufen wurde immer wieder die Zurückhaltung bei Lohn und Gehaltsforderungen gepredigt, denn nur so könnte eine Verbesserung für Alle gelingen.

    Nun ist seit einigen Jahren klar geworden, dass diese Floskeln sich in Wohlgefallen zugunsten der Eliten aufgelöst haben und die Linken Parteien wundern sich, dass ihnen ihr Lobbyismus um die Ohren fliegt.

    Die einzige Möglichkeit wieder auf moderate Wahlergebnisse zu kommen besteht darin ihre Glaubwürdigkeit durch nachweislich ernstgemeinte Programme zu fördern.

    Von vornherein sollte aber Klargestellt sein, dass man sich auch auf diese Programmpunkte festnageln lässt.

    Wenn Rot - Rot - Grün es schaffen würde sich auf ein Sozial ausgewogenes Programm zur Verringerung der Reichtums Kluft zu verständigen und dies auch glaubwürdig rüberbringen könnte, wäre es auch möglich die Regierung zu stellen.

    Klar sein muss aber auch, dass dies nicht mit den jetzigen Köpfen an der Spitze machbar ist, denn die haben Das Vertrauen der Wähler seit vielen Jahren verspielt!!!

  • Es ist ein Fehler, von "Rechtspopulisten" zu reden. Denn wer kein Populist ist, ist ein Elitist, und das ist doch nicht das, was wir wollen.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Sigma:

      "Es ist ein Fehler, von "Rechtspopulisten" zu reden. Denn wer kein Populist ist, ist ein Elitist, und das ist doch nicht das, was wir wollen."

       

      Es ist ein Fehler, Dinge zu stark zu simplifizieren...

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    Jede Antwort ein Volltreffer.

    • @10236 (Profil gelöscht):

      Ja wirklich.

  • 3G
    33523 (Profil gelöscht)

    Die Linke steckt hier in einer Zwickmühle. Auf der einen Seite hackt sie auf der AfD und deren Wählern gnadenlos herum, teilweise mit abstrusen Anschuldigungen und oftmals in einer herabwürdigenden Art und Weise. Man fühlt sich an den „Basket of Deplorables“ erinnert den Clinton im Wahlkampf bemüht hat. Auf der anderen Seite möchte sie aber auch gerne das die Wähler der AfD selbst (wieder) links wählen. Denn von diejenigen die AfD wählen gehören viele in der Vorstellung Linker eigentlich zum eigenen Klientel.

     

    Beides passt nicht zusammen. Entweder man wertet die Wählerschaft der AfD konsequent ab und verabschiedet sich von dem Gedanken das Linke die Anwälte der Schwachen und Abgehängten sind oder man umwirbt diese Menschen. Wie das geht kann man sich bei Frau Wagenknecht abgucken. So wie man es bisher versucht geht es auf jeden Fall nicht.

     

    Ich denke es ist Menschlich das man sich von der Politik lieber die Konkurrenz (Aus Sicht vieler Arbeiter: Zuwanderer) aus dem Weg räumen lässt als sich von ihr direkt subventionieren zu lassen. Die direkte Subventionierung vermittelt einem nämlich auch den Eindruck das die eigene Arbeit minderwertig sei.

    • @33523 (Profil gelöscht):

      Wir hatten die Diskussion ja gerade an anderer Stelle. Ich hatte versucht Ihnen darzulegen, warum wachsende Vermögensungleichheit und die Erosion des Sozialstaats so problematisch sind. Das Interview hier bringt es viel besser und anschaulicher auf den Punkt als ich es könnte.

      • 8G
        80576 (Profil gelöscht)
        @Ruhig Blut:

        An welchen Zahlen lesen Sie die "Erosion" des Sozialstaates ab? Die absoluten Sozialausgaben liegen aktuell bei rund 888Mrd Euro p.a. Ein absoluter Höchstwert.

         

        Auch bezogen auf das BIP kann von Erosion nicht die Rede sein.

        • 3G
          33523 (Profil gelöscht)
          @80576 (Profil gelöscht):

          Ihre Zahlen beinhalten nicht nur die Ausgaben aus Steuern, sondern auch die der Rentenkasse, die Pflegegelder, Krankenversicherung,...

           

          Die Zahl 888Mrd liefert eine Aussage darüber wie viel insgesamt zu Sozialzwecken ausgegeben wird. Dabei sollte man aber den massiven Anstieg der Rentenkosten beachten. Die Rentenkasse kann diese Kosten nicht mehr stämmen. Deshalb wird die Rente aus Steuergeldern bezuschusst.

           

          Für Rentner wird schon heute doppelt so viel Steuergeld ausgegeben, wie für Arbeitslosengeld, Harz4 und Familienbezogene Sozialleistungen zusammen. Das liegt an einem Zusammenspiel aus Anstieg der Rentenkosten und absenken der Sozialkosten für Arbeitslose. Von daher kann ich Ruhig Blut's Bedenken schon in gewissem Umfang nachvollziehen.

           

          Allerdings teile ich ihre Auffassung das man von einer Erosion in keinem Fall reden kann. Es handelt sich hier in vielen Fällen um Beschwerden auf allerhöchstem Niveau, welche als Sozialer Notstand verklärt werden.

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @33523 (Profil gelöscht):

      Zwickmühle - vielleicht, passt nicht zusammen - doch passt schon.

       

      Afd-Wähler sind wohl ziemlich breit gefächert: Rassisten, Identitäre, Zuwanderungsgegner, traditionelle Konservative oder auch nur enttäuschte Protestwähler. Man kann sie nicht alle umgarnen und jedwede Annäherung ist schwierig und birgt Gefahr der politischen Pariasierung (Bsp. Wagenknecht).

      • 6G
        628 (Profil gelöscht)
        @10236 (Profil gelöscht):

        Breit gefächert sind sie wohl. Knallharte Rassisten, Identitäre, Konservative, Wirtschaftsliberale wird man nicht für das linke Lager gewinnen können. Bleiben aber Protestwähler. Heute wählen in Österreich 85% der Arbeiter FPÖ bzw. Hofer. Wie viele haben früher SPÖ gewählt? Wieso wählen die heute nicht mehr links? Weil sie von den Linken entweder keine Politik mehr in ihrem Interesse erwarten, oder nicht mehr als bornierte Klugscheißerei vernehmen. Wenn die Linken von heute in ihrer grenzenlosen Anmaßung meinen, AfD-Wähler allesamt mit Verachtung strafen zu müssen, werden sie damit leben müssen, dass die Rechten immer besser abschneiden, bishin zum Übernehmen von Regierungsverantwortung.

        • 3G
          33523 (Profil gelöscht)
          @628 (Profil gelöscht):

          "Knallharte Rassisten, Identitäre, Konservative, Wirtschaftsliberale wird man nicht für das linke Lager gewinnen können."

           

          Wie kommen Sie denn auf den Gedanken das Rassisten nicht ins linke Lager passen? Man erinnere sich mal daran wohin die Wähler von Die Linke in Mecklenburg-Vorpommern abgewandert sind. Der größte Brocken ist doch an die AfD gegangen. Von daher war die Linke scheinbar für Rassisten sehr wohl wählbar, zumindest in Ermangelung einer anderen Partei die vorgibt für den "kleinen Mann" einzutreten.

          • 6G
            628 (Profil gelöscht)
            @33523 (Profil gelöscht):

            Natürlich wählen auch Rassisten die Linke. Jede Partei wird auch von Rassisten gewählt. Unter 'knallharten Rassisten' verstehe ich aber solche, denen ihr Rassismus das allerwichtigste ist. Viele Menschen mit rassistischen Einstellungen nehmen die Wahl einer eher weltoffen orientierten Partei in Kauf, wenn sie eine Verbesserung der eigenen Lebenssituation verspricht. Andere würden sich eher die Hand abhacken, als links zu wählen.

            Im Übrigen würde ich nicht sagen, dass AfD-Wähler allesamt Rassisten sind. Viele sind schnöde Protestwähler, und die wählen die Partei, mit der sie den größten Protest zum Ausdruck bringen können.

          • 1G
            10236 (Profil gelöscht)
            @33523 (Profil gelöscht):

            Heißt nichts. U.U. ist für Rassisten (fast) jede Partei wählbar, die gerade zu den Lebensumständen, Stimmung, politischer/sozialer/ökonomischer Lage etc. passt. Vielleicht mit Ausnahme von Hardcore-NPD-Wählern (2-5%?).

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @10236 (Profil gelöscht):

        Nicht zu vergessen: das große Heer der ehemaligen Nichtwähler, die bei den Populisten ein warmes Nest gefunden haben.

  • Danke für diesen Beitrag, denn der Trifft das Problem auf den Punkt!

     

    Das Problem ist nicht Attraktivität der AfD, sondern der Verrat der Linken an ihrer vorrangigen Aufgabe. Nicht nur dass Sie die Entwicklung nicht verhindert hat, nein sie war auch noch ein entscheidender Motor.

     

    Das Glaubwürdigkeitsproblem eines angekündigten Kurswechsel liegt hierbei vor allem auch in den Personen, welche diesen Parteien vorstehen. Die SPD zum Bepsiel muss sich des gesamten Seeheimer-Kreises entledigen. Wie eine faule Stelle die man aus einem Apfel schneidet. Nicht nur die Galionsfiguren müssen weg, sondern auch jeder der von diesen protegiert wurde.

    • @insLot:

      Ist das ein - gewollter - Freudscher Verschreiber, dass Sie die SPD gleich als "Linke" bezeichnen ? Könnte mir vorstellen, so mancher SPD - Parteigenosse kriegt sich in dem Fall gar nicht wieder ein...

       

      Ansonsten Zustimmung - was einen selbstgefälligen SPD- Kanzler zur Agenda 2010 bewogen haben mag, wird wohl für ewig sein Gehemnis bleiben..."sozialdemokratisch" kann man das Ergebnis kaum bezeichnen, genützt hat es der SPD auf lange Sicht auch nicht.

    • @insLot:

      Die Rentenproblematik und das Ende des sozialen Wohnungsbau angesichts steigender Mieten sind die die letzten Sargnägel des alten Rot-Rot-Grünen Personals. Wer nicht erbt muß jetzt draußen bleiben. Bei der Riester- Rente wurde nur noch frech gelogen und das vor kurzem zugegeben. Sorry wen soll man jetzt noch wählen ? Es ist die Mischung aus Lüge und Lobbyismus im Politmilieu die immer mehr Menschen verstört und Trump möglich gemacht hat. Die Schamlosigkeit der herrschenden Clique. Sh. auch George Packer : "Die Abwicklung " - könnte auch hier spielen.

  • Klar, eine Hegemonie ist immer gut für die Legitimität einer Demokratie ...

  • Zitat: "Die Hartz-Reform der SPD ist schuld am Aufstieg der AfD."

     

    JA!

    • @insLot:

      Die Reform hat aber kein Wahlrecht. Muss also doch jemand anderes gewesen sein.

       

      "Wenn ich arm bin und dumm, dann bin ich 'rechts' - bin ich arm und schlau, dann bin ich 'links'" (Andreas Rebers, sinngemäß).

       

      Naja, wer arm und dumm bin, kann zwar versuchen, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Der Erfolg ist aber übersichtlich.

       

      Sehr übersichtlich.