Sozialdemokratischer Sekundärwiderspruch: "Das war ein Tiefschlag"
Weil sie für die Bürgerschaftswahl 2011 auf aussichtslosem Platz nominiert wurde, schmeißt die Vorsitzende der "Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen" hin.
taz: Frau Ahlers, wieso sind Sie vom Vorsitz der Bremer "Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen" (ASF) zurückgetreten?
Annegret Ahlers: Weil ich für die Bürgerschaftswahl nur auf Platz 40 für die SPD Bremen-Stadt nominiert worden bin. Das war für mich ein Tiefschlag: Ich habe mich eigentlich als Gesellin im politischen Geschäft gefühlt und bin behandelt worden wie eine Auszubildende im ersten Lehrjahr. Dabei hätte ich mit meiner Erfahrung gut in die Fraktion gepasst: Ich bin seit 20 Jahren in der SPD aktiv, nicht nur im ASF, auch im Landesvorstand und politisch breit aufgestellt.
Sie sind persönlich gekränkt?
Der Platz ist auch als ASF-Vorsitzende eine Watschen. Für mich war schnell klar: Wenn das die Akzeptanz des ASF ist, kann ich das nicht mitmachen. Mir stellt sich schon die Frage, was hier los ist, wenn die Juso-Chefin unter die ersten zehn Bürgerschaftskandidaten kommt und die ASF-Chefin auf Platz 40.
Was denken Sie?
Mir wurde das mit dem Regionalproporz erklärt: Ich bin von der Mandatskommission für den Ortsverein Peterswerder-Steintor gelistet worden - aber nicht als ASF-Vorsitzende. Bei der Aufstellung werden unterschiedlichste Kriterien berücksichtigt, die ASF ist offensichtlich keines davon. Das sollte man dringend überdenken, auch wenn die Kommission - in der übrigens nur drei Frauen saßen - insgesamt viele Frauen gelistet hat.
Die Quote stimmt also.
Ja, die Herren Genossen haben durchaus begriffen, dass Frauen auf die Wahllisten gehören.
55, ist Mitglied im Bundesvorstand der Arbeitgsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF) und war von 2006 an deren Bremer Landesvorsitende.
Aber?
Es gibt immer bequeme und unbequemere Frauen. Die jungen, eher unerfahrenen, oft karriereorientierten Frauen gehören tendenziell zu den bequemeren - und werden hoch gelistet. Ältere Frauen - womöglich noch mit frauenbewegtem Hintergrund - haben es schwerer. Durch diese Strategie entsteht eine richtige Generationenkonkurrenz unter den Frauen. Wir Frauen dürfen uns in diese Konkurrenz aber nicht begeben. Damit würden wir uns nur ausspielen lassen und selbst schädigen.
Die Bremer SPD-Frauen meiden aber auch die Konkurrenz zu Männern. Als es um die Bundestagskandidatur oder den Fraktionsvorsitz ging, ist keine angetreten.
Das stimmt. Beim Landesvorsitz aber war nichts zu machen: Karin Jöns ist angetreten und Andreas Bovenschulte unterlegen. Aber wenn eine Frau bei einem fairen Verfahren wie diesem verliert, finde ich das unproblematisch. Das zeigt auch, wie wichtig die ASF ist: Wenn wir nicht immer wieder rütteln, passiert nichts.
Wie schätzen Sie Ihren Erfolg dabei ein?
Ich hatte bisher den Eindruck, dass wir in der Partei guten Rückhalt haben. Das Schafferinnenmahl beispielsweise wird von der Partei voll akzeptiert, sie bezahlt es sogar.
Das klingt, als würden Sie sich mit einer Symbol-Veranstaltung wie dem Schafferinnenmahl abspeisen lassen.
Wenn ich mir das letzte Wahlprogramm oder die Koalitionsvereinbarungen anschaue, finde ich dort viele ASF-Forderungen. Auch bei den Führungsposition in öffentlichen Unternehmen, der Landesdatenschutzbeauftragten oder dem Rechnungshof haben wir viel Boden gewonnen. Ein Problem gibt es bei den Partei-Positionen.
War die ASF da mit Ihren Forderungen vielleicht zu leise?
Ja. Auch als es um meine Bürgerschaftskandidatur ging, waren wir nicht laut genug - denn dann hätte man die ASF nicht einfach übergehen können. Damit muss sich jetzt nicht nur die SPD, sondern auch die ASF auseinandersetzen. Mein Rücktritt soll dazu einen Push geben und ein Zeichen setzen.
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