Souvenirs am Checkpoint Charlie: Verkaufsschlager Mauerbröckchen
Steine der Berliner Mauer werden am Checkpoint-Charlie an jeder Ecke verkauft. Doch sind die Brocken wirklich echt?
Das zeigt sich nicht nur auf Ebay, wo der Preis für ein Mauerstück dieser Größe bei 6.000 Euro beginnt. Sondern auch am Checkpoint Charlie, einem der ehemaligen Grenzübergänge zwischen dem sowjetischen und dem amerikanischen Sektor.
Die Mauerreste, die dort verkauft werden, sind zwar wesentlich kleiner und leicht mit einem ordinären Stein vom Wegesrand zu verwechseln. Bei den großen Elementen erstreckt sich die Preisspanne jedoch von 150 bis 800 Euro. Vor allem amerikanische Touristen würden die größeren, auf Stelen aufgebahrten Steinbrocken kaufen und sich dann meistens per Post in die USA schicken lassen.
Das erzählt Isabella Rossi. Ihr pinker Glitzerlidschatten passt perfekt zu den lila gefärbten Strähnen in ihren Haaren. Sie arbeitet seit 2018 im Shop des Mauermuseums. Anders als die Straßenverkäufer, die rund um den ehemaligen Checkpoint Sowjetmützen und Mauersteinchen anbieten, beantwortet Isabella Rossi die Frage nach der Originalität der Souvenirs bereitwillig.
Originale Steine werden neu bemalt
„In Pankow gibt es ein Lager mit Mauerresten. Nur die Bemalung wird neu gemacht“, sagt Rossi. Ein Zertifikat bestätigt die Echtheit der Steine. Als Rossi angefangen hat, in dem Laden zu arbeiten, habe sie sich auch gefragt, ob die Steine überhaupt echt sind. Sie zeigt auf einen Raum, der mit einer Glasscheibe vom Verkaufsraum des Shops abgetrennt ist. Das ist der „Mauerklopferraum“. Dort werden um die aus Pankow kommenden Steinchen Kuppen und Bögen aus Glas und Plexiglas gebaut.
An einem Stand gegenüber, der „BlackBox Kalter Krieg am Checkpoint Charlie“, gibt es eigentlich dieselben Mauerstücke wie im Museumsshop. Nur das Zertifikat sieht anders aus. Auf die Frage, ob die Steine wirklich echt sind, reagiert der Verkäufer sichtlich genervt. Jeden Tag werde er das zigmal gefragt, sagt er. Als die Mauer fiel, habe ein Mann alles gekauft, das würden sie nun verkaufen, behauptet er auf Englisch. Wer der ominöse Mann ist, weiß er nicht. Er empfiehlt die Steine mit dem Zertifikat. Die seien echt. Von denen mit Plastikkuppe rät er ab.
In voraussichtlich drei bis vier Jahren wird sich von selbst zeigen, welche Mauerstücke echt sind und welche nicht. Denn dann ist die originale Mauer laut Museumsshop-Mitarbeiterin Isabella Rossi aufgebraucht. Und Fake-Steine würde sie niemals verkaufen, beteuert sie. Dann muss sich Berlin zum 40-jährigen Jubiläum von Mauerfall und Einheit einen neuen Souvenir-Bestseller ausdenken. Oder aber Heidi Klums Mauerstück in bester DDR-Manier vergesellschaften.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau