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Sondersitzung des Berliner Parlaments„Bäume sind gut fürs Stadtbild“

Mehr Straßenbäume sind nun Gesetz: Das Abgeordnetenhaus übernimmt die Forderungen der Baum-Initiative. Die Opposition drängt auf wirkliche Umsetzung.

Für mehr Hitzeschutz soll Berlin im Jahr 2040 mehr als doppelt so viele Straßenbäume wie bisher haben, nämlich rund eine Million Foto: Britta Pedersen/dpa

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Stefan Alberti aus Berlin

Da ist er wieder, der Stadtpräsident, der über den Parteien schweben möchte. Am Ende von eineinhalb Stunden Debatte im Abgeordnetenhaus über das weniger später beschlossene Baum-Gesetz müht sich Kai Wegner, nominell Regierungschef mit CDU-Parteibuch und sogar deren Landesvorsitzender, vergangene Konflikte abzumoderieren und Gemeinsames zu betonen. Nicht im Gegeneinander, sondern im Miteinander solle man doch daran arbeiten, Berlin noch lebenswerter zu machen. Tatsächlich gibt es keine einzige Nein-Stimme zur Übernahme des Gesetzentwurfs der Initiative Baum-Entscheid, allein die AfD-Fraktion enthält sich.

So ist nun Gesetz, woran die Initiative vor zwei Jahren zu arbeiten begonnen hatte: die Zahl der Berliner Straßenbäume auf rund eine Million mehr als zu verdoppeln und generell für mehr Hitzeschutz zu sorgen, etwa durch neue kleine Parks. Der Grünen-Umweltpolitiker Benedikt Lux hat sich zuvor am Rednerpult daran erinnert, wie er ein erstes Treffen der Initiative erlebte. „Ich hätte nie gedacht, dass das Gesetz Realität werden würde.“

Vertreter von CDU- und SPD-Fraktion hatten mit der Initiative bis Mitte Oktober und teils noch während einer entscheidenden Sitzung des Hauptausschusses des Parlaments einen Kompromiss ausgehandelt. Vorangegangen war ein Umschwenken der CDU bei ihrem Parteitag Ende September – vor allem auf ihren Druck hatte der schwarz-rote Senat noch Anfang Juli die Forderungen der Initiative abgelehnt. Vor den Gesprächen gab es die Befürchtung, zu viele Dinge könnten bei einem Kompromiss verloren gehen.

Aus Sicht des Grünen-Abgeordneten Lux ist das nicht passiert. „Wenn man grob rechnet, dann haben Sie sich zu 80 Prozent durchgesetzt“, sagt er in Richtung der Initiative auf der Besuchertribüne – nicht ohne hinzuzufügen, mit seiner Partei wäre „noch mehr möglich gewesen“. Lux sieht dabei wie nach ihm Wegner durchaus verbindendes. „Bäume sind gut fürs Stadtbild, darauf können wir uns einigen“, formuliert er einen ökologischen Beitrag zur von Bundeskanzler Friedrich Merz ausgelösten Stadtbild-Debatte.

Opposition hat Zweifel am schnellen Baum-Pflanzen

Durchweg zweifeln aber alle Oppositionsredner von Grünen, Linkspartei und AfD daran, dass die schwarz-rote Koalition den Beschluss von Donnerstagmittag auch wirklich zügig umsetzt – dass also aus den Gesetzesparagrafen echte Bäume werden.

Der Linkspartei-Abgeordnete Michael Efler sieht bei der CDU auch nicht wirklich Überzeugung als Motivation. Wahlkampftaktische Gründe seien „für viele von Ihnen“ ausschlaggebend dafür gewesen, den Gesetzentwurf der Initiative im Wesentlichen zu übernehmen.

Um das überhaupt fristgerecht zu tun, vier Monate nach der ablehnenden Stellungnahme des Senats, hat sich das Parlament zu einer Sondersitzung treffen müssen. Die nächste reguläre Sitzung ist zwar schon am Donnerstag, liegt aber damit hinter der in der Landesverfassung fest gesetzten Frist.

Ohne eine Übernahme hätte die Initiative ihr Anliegen als Volksbegehren in die zweite Stufe der Berliner Volksgesetzgebung getragen. Dazu hätte sie mindestens 170.000 gültige Unterstützerunterschriften sammeln müssen. Darauf sei man vorbereitet, war von der Initiative zuvor zu hören. Darauf wäre dann ein Volksentscheid gefolgt, parallel zur Abgeordnetenhauswahl am 20. September 2026.

CDU sieht sich auf Helmut Kohls Spuren

Den Parteien der schwarz-roten Koalition war aber zunehmend unwohl beim Gedanken, ihr Wahlkampf könnte von einem populären Volksbegehren überlagert werden und dessen Unterstützern, vor allem den Grünen, Stimmen zutragen. Das war nicht nur ein Bauchgefühl, sondern fußte auf Zahlen: Nach einer Umfrage der Berliner Morgenpost im Sommer unterstützten drei Viertel der Berliner die Forderung nach mehr Bäumen und Hitzeschutz.

Für CDU-Fraktionschef Dirk Stettner ist seine Partei allerdings überhaupt nicht umgeschwenkt, sondern strikt auf den Spuren ihres früheren Bundesvorsitzenden und Kanzlers Helmut Kohl unterwegs. „Wer hat den Umweltschutz groß gemacht in diesem Land?“, fragt Stettner und liefert gleich selbst die Antwort: seine Partei natürlich, die 1986 den ersten Bundesumweltminister stellte. Den Grünen und der Linkspartei wirft der CDU-Fraktionschef ideologisches Denken vor, sich selber bescheinigt er Großes: „Wir beschließen nicht nur ein Gesetz, wir beschließen ein Stückchen Zukunft für Berlin.“

Der Grüne Lux hat mit dem historischen Exkurs gar kein Problem und bezieht sich angesichts der lange für nicht möglich gehaltenen Einigung selbst auf ein Helmut-Kohl-Zitat: „Entscheidend ist, was hinten rauskommt.“

Bevor Regierungschef Wegner stadtpräsidentisch ans Mikro tritt und von einer „beispiellosen Investition in das grüne Kapital unserer Stadt“ spricht, ist auch von SPD-Fraktionschef Raed Saleh Pathos zu vernehmen. „Für solche Entscheidungen macht man Politik“, sagt er, etwas wirklich Großes sei gelungen. Man sei nun das erste Bundesland mit einem Baum-Gesetz in diesem Ausmaß. Und mit den Grünen sieht er sich trotz deren Kritik eng verbunden: „Da passt kein Baum mehr zwischen uns in dieser Frage.“

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