Solidarität nach der Flut: Hilfe annehmen
Die Unterstützung, die den vom Hochwasser Betroffenen zuteil wird, ist ermutigend. Aber sie kann den Staat nicht aus der Verantwortung nehmen.
W er in den vergangenen Tagen in den vom Hochwasser betroffenen Regionen unterwegs war, der sah neben jeder Menge Leid und Zerstörung vor allem eines: Solidarität. Familie, Freund*innen, Nachbar*innen, teils vollkommen ortsfremde Menschen helfen dabei, den Müll und Schutt aus den zerstörten Häusern zu holen.
Sie bieten Schlafplätze für jene an, die die Flut obdachlos gemacht hat, spenden Pumpen und Generatoren, verteilen Essen und Wasser. Viele opfern dafür ihren Urlaub. Die Polizei bittet inzwischen Helfer:innen, nicht mehr mit dem privaten Pkw anzureisen. Es kämen so viele, dass sie die Straßen für Feuerwehr und Technisches Hilfswerk verstopften.
Die aktuelle Hilfsbereitschaft ist bewundernswert, mitunter rührend – überraschend ist sie jedoch nicht. Viele Menschen helfen – entgegen dem weitverbreiteten Mythos – gerne anderen. Zwar stimmt es, dass das Maß der Hilfsbereitschaft proportional zum Schrecken einer Katastrophe steigt. Doch auch für Nichtkrisenzeiten gilt, dass Solidarität möglich ist – wenn man denn danach fragt.
Das Besondere einer Naturkatastrophe ist eben nicht, dass Menschen auf einmal ihr Herz entdecken, sondern dass Menschen sich trauen, Hilfe auch anzunehmen. Dass sie sich nicht scheuen oder schämen zu sagen: Ich schaffe es nicht allein. In der Katastrophe ist diese Einsicht leicht. Das sollte sie auch in anderen Zeiten sein.
Ressource Solidarität nicht überstrapazieren
All das nimmt den Staat keineswegs aus der Verantwortung. Man dürfe die Ressource Solidarität nicht überstrapazieren, sagte der Soziologe Ulf Tranow kürzlich im Deutschlandfunk. Auch das stimmt. Das derzeitige Maß an Hilfsbereitschaft ist allein schon deshalb begrenzt, weil es die Menschen tatsächlich an ihre Grenzen bringt.
Ein kapitalistisch organisierter Staat kann sich strukturell gar nicht auf die ständige gegenseitige Hilfsbereitschaft verlassen, weil die meisten Menschen dafür schlicht keine Zeit haben. Dass es vielen im Krisenfall dennoch gelingt, Solidarität zu zeigen, ist ein Glücksfall, eine Garantie für die Zukunft ist es nicht.
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