Softwarefehler führt zu Computerabsturz: Der Millennium-Bug ist wieder da
20 Jahre nach der Jahrtausendwende stürzen Computersysteme ab. Grund dafür sind Notlösungen, die das Problem nur aufschoben.
Damals warnten IT-Spezialisten und Medien davor, dass Computer den Jahrtausendwechsel technisch nicht verarbeiten könnten. Viele ältere Systeme aus den 80er und 90er Jahren gaben das Datum anhand zweier Zahlen an, um Speicherplatz zu sparen. 1996 wurde so beispielsweise zu 96. Beim Wechsel ins Jahr 2000 war die Befürchtung, Computer würden 00 eher als 1900 und nicht als 2000 verstehen: der sogenannte Millennium-Bug.
Um flächendeckenden Ausfällen und Fehlfunktionen zuvorzukommen, investierten Entwickler*innen und Firmen Ende des 20. Jahrhunderts deshalb 460 Milliarden US-Dollar in die Erneuerung ihrer Hard- und Software. Dabei schrieben viele Firmen und Entwickler*innen ihren Programmcode aus Kostengründen aber nicht komplett neu, sondern entschieden sich für die kostengünstigere Variante „Windowing“.
Dieser einfache Softwaretrick führte dazu, dass die Rechner alle Daten zwischen 00 und 20 als Teil der 2000er Jahre einordnen. Rund 80 Prozent aller damals upgedateten Computer wurden Schätzungen zufolge mit „Windowing“ nur notdürftig geflickt, das Problem wurde also lediglich aufgeschoben. Bis zum ersten Januar dieses Jahres.
Wrestling-Computerspiel funktioniert nicht mehr
Denn bei vielen Geräten, die in den vergangenen 20 Jahren nicht ausgetauscht wurden, funktioniert seit Anfang dieses Jahres diese Softwarelösung nicht mehr und die Rechner sprangen zurück ins Jahr 1920 – so auch die eingangs erwähnten Parkuhren, die mit dem Datum nichts anfangen konnten. Dazu funktionierte ein Wrestling-Computerspiel kurzzeitig nicht und die Kassen der polnischen Firma Novitus druckten keine Belege mehr.
Auch das Hamburger U-Bahn-System soll wegen des Millennium-Bugs ausgefallen sein, offiziell bestätigt wurde das aber nicht. In Berlin lief die Software der Sparkasse und der Berliner Verkehrsbetriebe einwandfrei, sagten die Pressesprecher der taz.
Trotz der Aufrüstung der IT-Infrastruktur kam es zur Jahrtausendwende zu zahlreichen Problemen. Weltweit mussten 15 Atomkraftwerke vorsorglich abgestellt werden, auf Hawaii kam es zu Stromausfällen und in China funktionieren viele Behördenrechner nicht mehr.
„Hätte man damals die Software und Computer nicht aufgerüstet, die Auswirkungen wären deutlich schlimmer gewesen“, sagt Nir Oren der taz. Er ist Informatikprofessor an der Universität Aberdeen. Denn obwohl nur noch ein Bruchteil der damals eingesetzten Technik im Umlauf sei, treten immer noch Fehler auf, sagt Oren. Die damalige Aufregung um den Jahrtausendwechsel sei also keine Falschmeldung, sondern absolut legitim gewesen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Der Fall von Assad in Syrien
Eine Blamage für Putin