Snowden bittet um Asyl: Russlands Last mit dem Gast
Bei den Behörden ist Snowdens Asylantrag wohl noch nicht eingetroffen. Währenddessen telefoniert Obama mit Putin, und die UN-Menschenrechtskommissarin schaltet sich ein.
MOSKAU/MÜNCHEN/WASHINGTON/GENF dpa/afp | Der von den USA gejagte Ex-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden hat nach Angaben russischer Behörden bisher noch keinen offiziellen Antrag auf Asyl eingereicht. „Wenn das Gesuch eintrifft, wird es nach der gesetzlichen Ordnung bearbeitet“, sagte der Chef der Migrationsbehörde, Konstantin Romodanowski, am Samstag russischen Agenturen.
Der 30 Jahre alte IT-Experte hatte am Freitag bei einem Treffen mit Menschenrechtlern und Anwälten auf dem Moskauer Flughafen Scheremetjewo erklärt, er beantrage Asyl in Russland. Er sieht demnach keine andere Möglichkeit, den Transitbereich des Airports zu verlassen und mit Flüchtlingspapieren weiterzureisen.
Russland hat jedoch nach Angaben des Menschenrechtsberaters von Präsident Wladimir Putin auch kein besonders großes Interesse daran, Snowden Asyl zu gewährleisten. Moskau wolle die „wichtigen Beziehungen“ zu den USA nicht belasten, sagte Menschenrechtsberater Michail Fedotow dem Nachrichtenmagazin Focus. Um das Schicksal von Snowden sollten sich das Rote Kreuz oder das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR kümmern. „Sie könnten ihn legalisieren und dann in das Land bringen, das ihm Asyl anbietet.“
Schutz aus humanitären Gründen
Dem per US-Haftbefehl gesuchten Computerspezialisten müsse allerdings aus „humanitären Gründen“ Schutz gewährt werden, sagte Fedotow weiter. „In den USA droht ihm die Todesstrafe.“ Snowden auszuliefern würde die Europäische Menschenrechtskonvention verletzen. Für Moskau ist es deshalb nach Angaben Fedotows keine Option, Snowden gegen in den USA inhaftierte Russen auszutauschen.
Über das von Snowden beantragte Bleiberecht in Russland werde Präsident Putin persönlich entscheiden, kündigte Fedotow an. Moskau halte Snowden trotz der „Show um den Asylantrag“ für seriös und erkenne seine Verdienste an. „Er hat die Öffentlichkeit auf diesen abscheulichen Missbrauch aufmerksam gemacht und im Interesse der internationalen Zivilgesellschaft gehandelt.“
Snowden hatte durch die Enthüllung geheimer US-Programme zur Überwachung der globalen Telefon- und Internetkommunikation weltweit für Aufsehen gesorgt. Er war zunächst nach Hongkong gereist und dann auf der Weiterreise in Moskau gestrandet, da die US-Behörden seine Papiere für ungültig erklärten.
Kühler Draht zwischen Moskau und Washington
Kremlchef Wladimir Putin hatte Asyl bereits zuvor in Aussicht gestellt, aber auch gefordert, den USA keinen weiteren Schaden zuzufügen. Putins Sprecher Dmitri Peskow teilte mit, US-Präsident Barack Obama habe den Kremlchef angerufen, um auch über den Fall Snowden zu sprechen. Details nannte er nicht. Das Weiße Haus konnte anschließend aber keinen Durchbruch verkünden.
Neben der Affäre um den flüchtigen Computerspezialisten sprachen die Staatschefs demnach auch über Sicherheitsvorkehrungen gegen Terroranschläge bei den Olympischen Winterspielen 2014 im russischen Sotschi.
Die USA warnten Russland davor, das Asylgesuch anzunehmen. Snowden dürfe nicht zu einer „Propaganda-Plattform“ verholfen werden, sagte Obamas Sprecher Jay Carney. Durch eine Asyl-Gewährung würde Moskau seinen bisherigen Erklärungen widersprechen, in dem Fall neutral zu sein.
UN-Menschenrechtskommissarin verweist auf Asylreciht
Tatsächlich hat sich inzwischen auch UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay in den Fall Snowden eingeschaltet und internationalen Schutz für Snowden gefordert. Wer Informationen über mögliche Verstöße gegen die Menschenrechte offenlege, habe ein Anrecht darauf, heißt es in einer am Freitagabend in Genf veröffentlichten Erklärung Pillays. Sie verwies darin zugleich auf das Recht auf Asyl für Verfolgte.
„Der Fall Snowden zeigt die Notwendigkeit des Schutzes für Personen, die Informationen über Angelegenheiten enthüllen, die Auswirkungen auf die Menschenrechte haben, und er zeigt, wie wichtig es ist, Respekt für die Privatsphäre zu sicherzustellen“, sagte Pillay der UN-Mitteilung zufolge.
Die nationalen Rechtssysteme müssten nach den Bestimmungen der UN-Menschenrechtscharta gewährleisten, dass Informanten, die Verstöße gegen Menschenrechte aufdecken, dies ohne Angst vor Strafverfolgung tun können. Spionageprogramme von Geheimdiensten, die keiner hinreichenden öffentlichen Kontrolle unterliegen, würden die Gefahr der Verletzung von Menschenrechten und grundlegenden Freiheiten mit sich bringen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin