Sky-Serie „The Plot Against America“: Nazi for President

Eine neue Miniserie von David Simon imaginiert den Luftfahrt-Pionier und Nazi-Sympathisanten Charles Lindbergh als US-Präsidenten.

Politiker reckt die Hände als Siegesgeste in die Luft

Der faschistische Charles Lindbergh (Ben Cole) kommt in den Vereinigten Staaten an die Macht Foto: Home Box Office

Die „Spirit of St. Louis“, jenes Flugzeug, mit dem Charles Lindbergh einst im Mai 1927 den ersten Nonstopflug von New York nach Paris absolvierte, entwickelt sich noch zum Liebling der Vorspanngestalter. In „Star Trek: Enterprise“ diente sie als veritables Exempel der Luft- und Raumfahrtgeschichte. In der HBO-Miniserie „The Plot Against America“, die in der englischen Originalfassung auf Sky in der Nacht zu Montag abrufbar sein wird, ganz ohne die übliche Zeitverzögerung zur US-Erstausstrahlung, erfüllt sie einen etwas anderen narrativen Zweck.

Auf die Bilder von der fliegerischen Pionierleistung folgen solche von der Parade zu Ehren Lindberghs, folgen die Great Depression, folgt der Wahlkampf um die amerikanische Präsidentschaft, folgt die Hakenkreuzflagge neben dem Star-Spangled Banner, eine Tafel mit der Aufschrift „PEACE IN OUR TIME“, brennende Bücher und Synagogen in Deutschland, Adolf Hitler, ein Bomben werfendes Sturzkampfflugzeug.

Alternativgeschichten, wenn sie einen anderen Verlauf des Zweiten Weltkriegs zum Gegenstand haben, sind beinahe schon ein Genre für sich und haben Konjunktur. In der BBC-Produktion „SS-GB“ haben die Nazis die Luftschlacht um England gewonnen, in der Amazon-Serie „The Man in the High Castle“ gleich den ganzen Krieg.

2004 reihte sich auch der ewige Literaturnobelpreiskandidat Philip Roth mit „The Plot Against America“ in diese Traditionslinie ein. David Simon, der mit „The Wire“ zum Serien-Hype beigetragen hat, besorgte die Adaption, die in der englischen Originalfassung auf Sky heute (Nacht) abrufbar sein wird. Darin ist Charles Lindbergh, der sich von den Nazis hofieren ließ und der der prominenteste Sprecher des isolationistischen America First Committee wurde, US-Präsident, anstatt Roosevelts.

Ganz schön realistisch

Was diese Version von den anderen genannten unterscheidet, so viel provokanter, verstörender macht, ist, dass ihr deren lustvoller Kintopp-, Pulp-, Kolportage-Charakter komplett abgeht. Sie kommt stattdessen so realistisch daher, dass man wirklich meint: Ja, so hätte es auch kommen können. Der charismatische Nationalheld Lindbergh weiß es in einen Wahlkampf-Slogan zu packen: „The choice is simple. It is not between Charles A. Lindbergh and Franklin Delano Roose­velt. It is between Lindbergh and war!“

„Well, war is no good“, sagt sogar die alte Mutter von Elizabeth Levin, deren jüdisch-ame­ri­ka­nische Kleinfamilie im Mittelpunkt der Handlung steht. „Lindbergh is worse!“, sagt entschieden Elizabeth (Zoe Kazan) und weiß ihren Mann Herman (Morgan Spector) und dessen bei ihnen lebenden Neffen Alvin auf ihrer Seite.

Aber der Riss geht, trotz des latenten Antisemitismus der Isolationisten, mitten durch die Familie. Der ältere von zwei Söhnen schwärmt für Lindbergh und Elizabeth' Schwester Evelyn wird die Frau an der Seite eines einflussreichen Rabbis, der Lindbergh unterstützt. Dieses Paar gibt mit John Turturro („Barton Fink“) und Winona Ryder, die David Simon schon für seine auch sehr politische Miniserie „Show Me a Hero“ besetzt hatte, die beiden prominentesten Schauspieler des Casts.

Ähnlichkeit mit Donald Trump

„The Plot Against America“ spielt in einem relativ überschaubaren Zeitraum zwischen 1940 und 1942. Die Bilder sind so ausgeblichen pastellfarben, wie man das von frühen Farbfotos und kolorierten Filmaufnahmen dieser Zeit kennt. Zum Realismus trägt auch der recht gemächliche Siegeszug des Faschismus und Antisemitismus bei. Die im „Altbaiern Beer Garden“ singenden Deutschamerikaner sind nur ein irritierendes Moment.

„The Plot Against America“, Sky, sechs Folgen, zunächst nur in englischer Originalfassung abrufbar

Rothʼ Roman mochten 2004 nur einige Kritiker als Allegorie oder Parabel auf die damalige Bush-Regierung verstehen, der Autor ausdrücklich nicht. Bei der Serie von 2020 ist es nahezu unmöglich nicht an den „America First“-­Präsidenten Trump, seinen neuen Isolationismus und daran zu denken, wie er mexikanische Migranten von ihren Kindern trennen ließ.

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