Sky-Serie „Die Wespe“: Die kleine Welt des Kneipensports
In der Miniserie „Die Wespe“ dreht sich alles um Dart. Die zweite Staffel ist zwar ähnlich pointiert, aber leider weniger charmant als die erste.
Er ist nun mal so ein Typ, der sich auf keinen Fall mit dem Mittelmaß begnügen will. Eddie Frotzke, genannt „die Wespe“ (Florian Lukas), Dart-Champion, Kleinganove, Schnurrbartträger schon bevor es cool war. Eddie will wer sein, will bewundert werden, verehrt, will hoch hinaus. Deswegen ist er jetzt erst mal im Knast. Ehefrau Manu (Lisa Wagner) wird, während sie letzte Staffel noch Eddies frustrierte Ernährerin war, in seiner Abwesenheit als Dart-Star gefeiert. Aber Eddie bleibt nicht lange hinter Gittern, erschmeichelt sich einen Bewährungsdeal. Als einzige Bedingung soll er sich vom Dartspiel fernhalten. Klingt unglaubhaft – aber das ist bei der „Wespe“ egal. Die Schauspieler*innen verkaufen mit voller Ernsthaftigkeit jeden grotesken Hakenschlag des Drehbuchs.
Die erste Staffel der Sky-Miniserie überraschte vor einem Jahr mit Originalität und gutem Comedy-Timing. „Die Wespe“ untersuchte das Ulkige am Kneipensport, ohne die Figuren jedoch nach schlechter Comedy-Gewohnheit flach und uninteressant werden zu lassen. Die Darstellung des deutschen Kleinbürger-Milieus konnte man dabei als respektvoll überzeichnete Hommage gelungen finden – oder als Verhohnepipelung ablehnen, je nach Geschmack. In jedem Fall zeugt genau diese Gratwanderung von dem gewissen Mut zum Ausprobieren, der gutes Fernsehen ausmacht.
„Die Wespe“ ist ästhetisch anspruchsvoll. Nicht nur wegen der ungewöhnlichen Farbwahl. In Staffel eins harmonierten Schnitt und Musik derart, dass sie einen gemeinsamen Rhythmus bildeten, in dem manche Pointen schon beinahe wie Offbeats in einem Musikstück wirkten. Eine komplizierte und sonst so gar nicht telegene Sportart wie Dart ist plötzlich spannend. Die Leidenschaft, die die Fangemeinde dafür entwickelt, greifbar. Toll auch der Umgang mit dem Thema Alkoholsucht und die Darstellung der innigen Männerfreundschaft zwischen Eddie und Norbert (Ulrich Noethen).
Noethens Norbert ist nun in der Zwischenzeit verstorben. Statt seinem Sidekick bekommt Eddie deshalb eine böse Bewährungshelferin als Antagonistin gegenübergestellt – herausragend unberechenbar gespielt von Meret Becker.
Krumme Dinger drehen
Das Thema der neuen Staffel scheint Selbstbeherrschung zu sein. Manu hat Probleme, an der Dartscheibe ihre Emotionen unter Kontrolle zu behalten, worauf in der Liga aber großen Wert gelegt wird. Manu begibt sich daher in die Hände eines schmierigen Meditations-Gurus. Eddie, der eigentlich nicht Dart spielen darf, und der laufend allen möglichen Leuten verspricht, keine krummen Dinger mehr zu drehen, tut derweil genau das: Dart spielen und krumme Dinger drehen. Er landet in einer illegalen internationalen Underground-Dartliga, die sich in einer Ruine im Brandenburger Forst trifft. Die wiederum darf nur betreten, wer Goethe aus dem Stand zitieren kann. Wie gesagt: Glaubhaftigkeit darf man hier nicht erwarten.
„Die Wespe“, Staffel 2, sechs Folgen bei Sky
Schade ist, dass die reduzierte Welt der ersten Staffel sich jetzt beinahe grenzenlos ausweitet und etwas beliebig wird. In Staffel eins bewegten wir uns zwischen wenigen Schauplätzen hin und her: Mietskasernen, Dartkneipen und Kleingärten. Eine gleichzeitige Gemütlichkeit und erdrückende Enge vermittelte das, was zu den Figuren passte, die in ständiger Angst leben, von der sie umgebenden Biederkeit erstickt zu werden.
Diese enge Welt hätte auch zum Thema Selbstbeherrschung gepasst. Stattdessen kommen jede Menge neue Figuren und Schauplätze dazu. Wir bewegen uns durch alle sozialen Schichten, durch ganz Berlin und den halben brandenburgischen Wald. Das mag ein Dilemma von Fortsetzungen sein. Die Figuren müssen weitergehen, Neues erkunden. Aber wenn alles denkbar ist, dann ist auch ein Stück von dem dahin, was die Serie mal charmant gemacht hat: das Spiel mit den Möglichkeiten einer winzigen Welt.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!