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Sitzung des UN-SicherheitsratsSyrien-Friedensplan einstimmig durch

Das UN-Gremium hat einen ambitionierten Zeitplan für den Übergang zur Demokratie. Doch was wird aus Präsident Assad? Die syrische Führung übt Kritik.

Symbolischer Schulterschluss: Russlands Außenminister Lawrow und sein US-amerikanischer Amtskollege Kerry am Freitag in New York. Foto: dpa

New York ap/dpa | Der UN-Sicherheitsrat hat einen Friedensplan für Syrien verabschiedet, sich dabei aber nicht auf die künftige Rolle von Präsident Baschar al-Assad festgelegt. Die 15 Mitglieder des höchsten UN-Gremiums billigten am Freitag einstimmig eine Resolution, die Friedensgespräche zwischen Regierung und Opposition bereits ab Januar und Wahlen binnen 18 Monaten vorsieht. Ob Assad an einem solchen politischen Übergang beteiligt sein soll, ist das größte Streitthema bei den Gesprächen um eine Beilegung des Konflikts.

In der Resolution räumt der Sicherheitsrat ein, dass der Friedensplan auch kein Ende der Gewalt im Bürgerkriegsland bedeuten werde, denn Extremistengruppen wie die Terrormiliz Islamischer Staat und die Nusra-Front sind von der darin verankerten Waffenruhe ausgenommen.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon nannte die Entscheidung des Sicherheitsrats eine große Chance für das Bürgerkriegsland. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) warnte vor zu viel Euphorie.

US-Außenminister John Kerry lobte „das beispiellose Maß an Einheit“ im Sicherheitsrat. Die Resolution sei ein Meilenstein auf dem Weg zur Lösung des Konfliktes und gebe den Syrern „eine wirkliche Wahl, nicht zwischen Assad und Daesh, sondern zwischen Krieg und Frieden“. In der Frage nach Assads Zukunft herrschten aber weiterhin große Unterschiede, sagte er.

Stundenlange Textfeinarbeit

Außenminister aus 17 Staaten hatten stundenlang um Kompromisse für den Text gerungen, mit dem sich der Sicherheitsrat in der Syrien-Krise diesmal als geeintes und handlungsfähiges Gremium präsentieren wollte. Mehrere Resolutionen in der Vergangenheit waren an Differenzen zwischen den Veto-Mitgliedern gescheitert.

In der Resolution fordert der Sicherheitsrat UN-Generalsekretär Ban Ki Moon auf, Vertreter der syrischen Regierung und Opposition möglichst rasch zu formalen Gesprächen über einen politischen Übergang in dem Bürgerkriegsland zusammenzubringen, „mit dem Ziel, die Verhandlungen Anfang Januar 2016 zu beginnen“. Ban sagte: „Dies markiert einen sehr wichtigen Schritt, auf dem wir aufbauen müssen.“

Innerhalb von sechs Monaten soll es eine glaubhafte, alle Parteien einschließende und nicht nach religiösen Gesichtspunkten aufgebaute Übergangsregierung geben. Binnen 18 Monaten sollen freie und faire Wahlen unter Aufsicht der UN stattfinden. In dem Text wird explizit darauf hingewiesen, dass der politische Übergang von Syrern angeführt und umgesetzt werden müsse. „Das syrische Volk wird die Zukunft Syriens entscheiden.“

Parallel zu den Gesprächen soll auch ausgelotet werden, wie eine Waffenruhe umgesetzt werden kann. Ban solle dem Sicherheitsrat darüber einen Monat nach Annahme der Resolution Bericht erstatten. Nicht betroffen von der Waffenruhe wären aber eben Angriffe auf Gruppen, die als Terrororganisationen angesehen werden. Das würde offensichtlich auf die internationalen Luftangriffe gegen den IS zutreffen.

Ab wann ist ein Rebell ein Terrorist?

Allerdings gibt es zwischen den Weltmächten große Auffassungsunterschiede, welche Rebellenfraktionen als Terrororganisationen angesehen werden. Jordanien soll nach Gesprächen darüber eine Liste vorlegen. Russlands Außenminister Sergej Lawrow sagte, Terroristen aller Art hätten keinen Platz am Verhandlungstisch. „Es ist unzulässig, Terroristen in gute und schlechte aufzuteilen“, sagte er.

Syriens UN-Botschafter Baschar Dscha‘afari kritisierte die Resolution. Es gebe „krasse Widersprüche“ zwischen dem Bekenntnis, die Syrer selbst über ihr Schicksal bestimmen zu lassen, und Eingriffen in die Souveränität seines Landes, indem über eine Ablösung Assads gesprochen werde.

Die wichtigste vom Westen unterstützte Oppositionsgruppe, die Syrische Nationale Koalition, nannte den geplanten Start Anfang Januar zu ambitioniert. Eine Lösung des Konfliktes sei zudem nur möglich, wenn alle ausländischen Truppen aus Syrien abgezogen würden, auch die russischen.

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1 Kommentar

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  • Warum nicht gleich so?

    Wie es aussieht, mußte die Anti-Assad-Koalition von ihrer Haupt-Bedingung abrücken, ein Ende des Bürgerkrieges könne es nur geben, wenn Assad zuvor den Canossa-Gang anträte und sich freiwillig in die Hände der Lynchjustiz à la Hussein und Ghadafi begäbe - ein unconditional surrender. Zu dieser Kehrtwende bedurfte es der militärischen Niederlage der FSA, eines unübersichtlich gewordenen Schlachtfeldes mit wechselnden Allianzen, 100 000e ziviler Opfer aller Protagonisten, die Gründung eines präzivilisatorischen Kalifats und einer Flüchtlings-“Lawine“ nach Deutschland. Man hätte das alles viel früher haben und damit die genannten Folgen wohl vermeiden können, wenn man von vornherein auf die Canossa-Forderung verzichtet, Assad einen gesichtswahrenden Abgang gewährt (Ali-Lösung wie in Tunesien, Mubarak wie in Ägypten usw.) und Rußlands regionale Interessen explizit bestätigt hätte. Es gab viele Vorschläge in den diplomatischen Kulissen in dieser Richtung. Warum also nicht gleich so?