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Sigmar Gabriel und WaffenexporteLeere Versprechungen

Die Grünen kritisieren Sigmar Gabriels Grundsätze zum Export von Kleinwaffen als völlig unzureichend.

Klein und brandgefährlich: die P 8 von Heckler & Koch. Foto: dpa

Berlin taz | Es klang zu gut, um wahr zu sein. Mit schärferen Regeln werde er der Verbreitung deutscher Handfeuerwaffen in aller Welt zu Leibe rücken, versprach Sigmar Gabriel Mitte Mai. „Ich möchte nicht, dass deutsche UN-Soldaten irgendwann unseren eigenen Kleinwaffen in den Händen von Terroristen oder autoritären Regimen gegenüberstehen“, tönte der SPD-Wirtschaftsminister. Jetzt werfen ihm die Grünen Wortbruch vor.

„Herr Gabriel gefällt sich offensichtlich als Minister der markigen Worte, dahinter verbergen sich jedoch nur leere Versprechen“, sagt die abrüstungspolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, Agnieszka Brugger.

Anlass für Bruggers harsches Urteil ist die Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Kleine Anfrage der Grünen zu den vom Bundeskabinett im Mai verabschiedeten „Grundsätzen der Bundesregierung für die Ausfuhrgenehmigungspolitik bei der Lieferung von Kleinen und Leichten Waffen, dazugehöriger Munition und entsprechender Herstellungsausrüstung in Drittländer“. Die Grünen wollten wissen, welche Verbindlichkeit diese Grundsätze eigentlich wirklich besitzen – und sie fragten nach Schlupflöchern.

Eineinhalb Seiten umfassen die Grundsätze für Kleinwaffen (dazu zählen Maschinengewehre und -pistolen, voll- und halbautomatische Waffen oder auch Pumpguns). Aufgegliedert sind sie in zehn Punkte, in denen insgesamt neunmal das Wort „grundsätzlich“ auftaucht. Das hat seinen Grund: Dadurch bleibt der versprochene „Paradigmenwechsel“ bei der Rüstungskontrolle rechtlich unverbindlich. Denn im Gegensatz zu dem kein einziges Mal verwendeten Begriff „generell“ bedeutet „grundsätzlich“ juristisch eben nicht „ausnahmslos“.

So können auch weiterhin Kleinwaffen abweichend von den „Grundsätzen“ ins Ausland exportiert werden. Und zwar dann, wenn – wie es das Wirtschaftsministerium in seiner Antwort auf die Grünen-Anfrage formuliert – die Regierung das „in der Gesamtabwägung, insbesondere der außen- oder sicherheitspolitischen Aspekte des jeweiligen Einzelfalles“ für richtig befindet.

Laut den Grundsätzen müssen staatliche Empfänger von Kleinwaffen eine Endverbleibserklärung abgeben, mit der sichergestellt werden soll, dass sie nicht weitergegeben werden. Das Problem: Wenn es um die Frage der Überprüfung geht, bleibt das Wirtschaftsministerium wolkig: „Eine Kontrolle der abgegebenen Zusicherungen im Rahmen der Endverbleibserklärung kann in Zukunft durch Vor-Ort-Kontrollen erfolgen, sofern sich das Empfängerland damit einverstanden erklärt.“

Die Grüne Brugger hält es demgegenüber für „dringend notwendig, die Genehmigungspraxis deutlich zu verschärfen und die Endverbleibskontrolle massiv zu stärken.“ Gabriels „Mini-Änderungen“ seien völlig unzureichend. Ihr Fazit: „Eine strengere und zurückhaltende Rüstungsexportpolitik gibt es im Wirtschaftsministerium nur auf dem Papier.“

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21 Kommentare

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  • Das Problem ist ja nicht, dass der Gabriel ständig links blinkt und dann rechts abbiegt - das Problem ist vielmehr, dass noch immer Leute hinter ihm herfahren, obwohl sie angeblich ein ganz anderes Ziel haben.

  • Sie sollten schon verstehen worüber Sie schreiben.

     

    Die Übebersetzung von "small arms" ist "Handwaffen", den Terminus "Kleinwaffen gibts nicht, dessen Verwendung ist eine bloße Fehlerfortsetzung Unkundiger.

    • @KarlM:

      Na und?

      "In international arms control, small arms include revolvers and pistols, rifles and carbines, assault rifles, submachine guns and light machine guns. Together with light weapons, they comprise the Small Arms and Light Weapons protocol."

      • @Rainer B.:

        Schon, nur was spricht dagegen den Text auch in sachlich richtiges Deutsch zu übertragen?

        • @KarlM:

          Eben nichts! Darum bestehe ich ja auch auf "Handwaffen", denn es gibt auch ausweislich der Normen WaffG und KWGK keine "Kleinwaffen".

          Das ist einfach unverantwortliches Geschurbel aus Maschinenübersetzung von Menschen "weitergeschleppt" die von keiner Fachkenntnis getrübt handeln und daher auch garnicht bemerken das die Aufweichung der Beriffe eigentlich die Waffenexporteure begünstigt!

          Kann man exemplarisch an der bereits erwähnten kleinen Anfrage sehen. Wer immer diese naiven Fragen beantwortet hat, hat sich absehbar schlappgelacht über das Konvolut grüner Unwissenheit.

          • @KarlM:

            Für die Waffenkontrollbestimmungen ist das doch vollkommen unerheblich. Nur kleinkariertes Gelaber von Leuten, die den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen wollen, oder können.

            • @Rainer B.:

              Das schätzen Sie völlg falsch ein. Die Begriffsbestimmungen der Rechtslage haben sehr wohl durch die Definitionsmacht erhebliche Auswirkungen auf den Export von Rüstungsgütern. Oder warum unterhält das BAFA mit solcher Sorgfalt eine Kriegswaffenliste und eine B- und C-Waffenliste nach CWÜ?

               

              Darin sind lauter, teils gut überlegte, in Ihrer Diktion allerdings kleinkarierte Begriffsbestimmungen drin...

              • @KarlM:

                Sie meinen, durch "falsche" Übersetzungen aus dem Englischen, werden die Bestimmungen hier gezielt unterlaufen?

                • @Rainer B.:

                  Die so entstehenden Begriffsverwirrung begünstigt in der Tat die Problematik. Denn auch die hier angesprochene "Kleine Anfrage" trägt in vielen Sätzen das Scheitern durch Ahnungslosigkeit in sich. Zum Teil muss dann nämlich nicht mal gelogen werden um Antworten auf Nichtfragen die auch durch fehlerhafte Begriffe zustandekommen zu geben.

                   

                  Glauben Sie wirklich diese ganzen Listen sind aus Langeweile entstanden?

                   

                  Wer z.B. zeigt das er "Kampf-" und "Sprengmittel" nicht auseinanderhalten kann, wird kaum als kritische Opposition ernst genommen!

                   

                  Noch bedenklicher wäre es natürlich, wenn diese Ahnungslosigkeit nur vorgetäuscht wär, z.B. als "Gefallen" an die SPD oder zur allgemeinen Wählertäuschung!

                  • @KarlM:

                    Wenn es da eine derartige "Problematik" gibt, dann zeigt das doch nur, dass allen Beteiligten der sinngemäße Inhalt der englischen Listen sehr wohl klar ist - auch ohne deutsche Übersetzung.

                    • @Rainer B.:

                      Nein, das zeigt das Sie mit einem von Beliebigkeit dominierten Wortschatz bei dieser Problematik nicht weiterkommen!

                       

                      Mit "mal so, mal so" verwendeten Vokabeln läßt sich auch juristisch kein Rüstungsgüterexport sanktionieren, ist das so schwer zu verstehen?

                       

                      Das Zauberwort heißt hier: Normenklarheit!

                       

                      Wer sich hier gegen mangelnde Klarheit wendet, aus Bequemlichkeit oder mangelnder Einsicht, BEGÜNSTIGT alle Arten von Rüstungsexporten durch eigenes Unvermögen!

                      • @KarlM:

                        Ich kann doch Bestimmungen nur gezielt umgehen, wenn ich sie kenne und verstanden habe - oder?

                        Wenn ich als Rüstungsexporteur die Bestimmungen nicht kenne oder nicht richtig verstehe und trotzdem liefere, muss ich mir das doch in jedem Fall als Verstoß gegen die Bestimmungen zurechnen lassen.

                        • @Rainer B.:

                          Da solche Lieferungen erstmal vom BAFA freigegeben werden, müssten Sie wissentlich falsch deklarieren. Zudem schützt gerade dabei Unwissenheit nicht vor Strafe. Deshalb ja auch der Verweis auf die klaren Definitionen im Gesetz.

                          Aber das haben die Exporteure schon durch die Umgehung der Saktionen nach dem ersten und zweitenWeltkrieg gründlich gelernt und daher werden nur unverfängliche Teile exportiert. Eben auch know how und Halbzeuge oder Maschinen.

                          • @KarlM:

                            Ob das dann "unverfängliche Teile" sind, wenn hinterher doch gelistete Waffen draus werden, wäre im Einzelnen sehr genau zu prüfen.

                            • @Rainer B.:

                              Ja, darauf läufts derzeit hinaus.

  • Sehr geehrter Herr Beucker,

     

    falls Sie sich auf die Drucksache 118/5512 beziehen sollte Ihnen die Problematik hinsichtlich der "Klassenbildung" smal arms nicht entgangen sein.

    Ebenso fällt auf dass die Quelle "smal arms survey" nach wissenschaftlichen Maßstäben unseriös ist.

     

    Zudem enthält schon die erste Seite einige vom wissenschaftlichen Standpunkt aus absurde Hypothesen die sich nur aus völligem Mangel an Fachkenntnis ergeben.

     

    Die Klasse "Handwaffen" ist nämlich nach militärischen Gesichtspunkten entstanden. Für eine Wirkungs- oder Gefährlichkeitsbeurteilung ist eine solche Zusammenfassung untauglich.

     

    Was sich so erklärt: In Konflikten zwischen bewaffneten Parteien dominieren seit Beginn der zugehörigen Statistiken immer die Brand- und Splitterverletzungen. Das kann Größenordnungen von 60-90% erreichen. Und von den infantristisch genutzen Handwaffen sind bisher immer nur die Verletzungen durch Machinengewehre (i.e.S.) signifikant.

     

    Das belegen auch die Untersuchungen des IKRK.

     

    Kein Wunder also das ein unzweckmäßiger und völlig laienhafter Fragenkatalog auch nur Pseudoantworten nach sich zieht. Man kanns dem Sigi eben auch leicht machen!

  • Ist es eiegtnlich zu viel verlangt, zu erwarten das "small arms" nicht mehr google-debil mit "Kleinwaffen" sondern korrekt mit "Handwaffen" übersetzt wird?

     

    Dann liest sich der Text zu einem wichtigen Thema gleich viel seriöser.

    • Pascal Beucker , Autor des Artikels, Inlandsredakteur
      @KarlM:

      Stellen Sie doch mal Ihre Frage der Bundesregierung.

      • @Pascal Beucker:

        Es mag Sie verwundern, an entsprechender Stelle hab ich auch schon zum Sachverhalt angefragt und bisher keine Antwort erhalten.

         

        Grundsätzlich befürworte ich eine möglichst exakte Sachverhaltsbeschreibung was auch das Bemühen um eine korrekte Übersetzung einschließt.

         

        Warum diese Fehler schon in der Übersetzung eines mit zahlreichen Falschdarstellungen behafteten UN-Berichts durch ein Bundesamt enthalten sind, bleibt unverständlich. Denn, wenn schon die Wortwahl den Sachverhalt nicht eindeutig beschreibt, wie soll das dann kontrovers und konstruktiv diskutiert werden?

    • @KarlM:

      Es ist sicher nicht zu viel verlangt, sich vor abfälligem Kommentieren zu informieren, wovon die Rede ist! Wikipedia irrt nicht mit dieser Definition: "Dazu zählen Handwaffen wie Faustfeuerwaffen (Pistole/Revolver) oder Langwaffen (Gewehr, Karabiner, Sturmgewehr, Maschinenpistole, Schrotflinte, leichte Maschinengewehre), daneben aber auch militärisch genutzte Sprengmittel wie Handgranaten oder Minen."

      Dass die online-Bildredaktion eine Handwaffe abbildet statt des G36, mag zu KARLMs Irrtum beitragen, aber der Text ist völlig richtig.

       

      Ein Detail vermisse ich allerdings: Als interessierte Zuhörerin mehrerer Arbeitsgerichtsverhandlungen von Angestellten der Firma Heckler & Koch in Zusammenhang mit dem vermutlich illegalen Mexiko-Deal habe ich gelernt: Die sogenannte "Endverbleibs-Erklärung" ist eine Farce, denn das Wirtschaftsministerium selbst hat deren Gültigkeit auf sechs Monate begrenzt! Nach sechs Monaten "Endverbleib" kann also jede Kleinwaffe (sic!) an jede beliebige Adresse weiter verkauft werden, ohne dass die deutsche Regierung darauf irgend einen Einfluss hätte.

      Nicht wenig überraschend war auch die freimütige Angabe der Kläger, die vom Anwalt der Firma als üblich bestätigt wurde, dass Waffenhändler vor Vertragsabschluss beim Wirtschaftsministerium nachfragen, ob die Zielregion genehmigt würde und wenn nicht, welche es denn sein müsste.

      Dass die beabsichtigte Waffenlieferung dann in gleichem Umfang und identischer Zusammensetzung kurze Zeit später in einer "unverfänglichen" Provinz benötigt werden soll, interessiert beim Wirtschaftsministerium offenbar niemanden.

       

      Ich kann nur empfehlen, bei Gelegenheit solchen Prozessen beizuwohnen: Man bekommt ein interessantes Bild darüber, wie Ministerien und Waffenhändler aufeinander eingespielt sind...

      • @SigridJVS:

        Die Verwendung einer schlicht falschen Vokabel wird auch trotz Wiederholung nicht richtiger.

         

        Unrichtige Bezeichnungen und Betroffenheitspathos können Inhalt nicht ersetzen.

        Handgranaten und Minen sind auch keine Spreng- sondern "Kampfmittel".

         

        War lang genug beruflich Endnutzer. also hören Sie auf hier unbegründbar beliebig zu werden.

         

        Ansonsten sei daran erinnert: Jeder Export ist eine willentliche Entäußerung. Außerhalb des Geltungsbereiches des GG kann da schlecht Einfluss egnommen werden.