Siegel für Lebensmittel: EU-Bio hat Schwachstellen
Ab 1. Juli sollen alle Bioprodukte mit dem neuen europäischen Gütesiegel ausgezeichnet werden. Doch der Rechnungshof moniert schlechte Dokumentation.
BRÜSSEL taz | Das Kontrollsystem für das EU-Biosiegel, das ab dem 1. Juli alle Bioprodukte kennzeichnen muss, ist lückenhaft. Zu diesem Ergebnis kommt der Rechnungshof der Europäischen Union.
Die Behörde hat das Bio-Kontrollsystem untersucht. „Die Bioproduzenten bekommen mehrere hundert Millionen Euro EU-Fördergelder. Der Verbraucher hat deshalb ein Anrecht darauf zu wissen, ob er sich auf die Produktion verlassen kann“, sagte Kevin Cardiff, der die Studie geleitet hat.
Insgesamt sei das Kontrollsystem durchaus vertrauenswürdig, sagt Cardiff. „Aber wir verlangen, dass einige Schwachstellen ausgebügelt werden.“ Besonders schwierig ist es laut Rechnungshof, alle Zutaten eines Bioprodukts bis zu den Produzenten der „Rohmaterialien“ zurückzuverfolgen. Für fast die Hälfte der untersuchten Produkte war dies nicht möglich. Auch die Dokumentation sei nur in knapp 50 Prozent „lückenlos“ gewesen, so die Prüfer.
Den Biomarkt-Experten der Verbraucherzentrale in Nordrhein-Westfalen, Frank Vaskow, wundert dies nicht: „Es ist praktisch unmöglich, die Zutaten physisch zurückzuverfolgen. Es gibt zwar eine Kontrolle der Dokumente, aber da gibt es natürlich auch Fälscher.“ So war etwa Ende vergangenen Jahres in Italien aufgeflogen, dass tausende Tonnen angeblich Bioprodukten tatsächlich konventioneller Herkunft waren.
Prüfungen ohne feste Kriterien
Der Rechnungshof fordert zudem mehr Kontrollen privater Prüfinstitute, um die Verlässlichkeit des Siegels besser garantieren zu können. Dies wünscht sich auch Verbraucherschützer Vaskow: „Die Prüfstellen werden von den Herstellern ausgesucht und bezahlt. Da gibt es also durchaus eine gewisse Abhängigkeit und da werden auch Fehler gemacht.“
Der Rechnungshof hat zum Beispiel festgestellt, dass in Italien die Prüfer nicht wie von der EU gefordert regelmäßig rotieren, um eine zu starke Bindung an eine Firma zu vermeiden. Manche Kontrollstellen – zum Beispiel in Frankreich und Irland – haben zudem keine festgelegten Kriterien für die Prüfung.
Ab dem 1. Juli muss das EU-Biosiegel auf allen verpackten Bioprodukten klar zu erkennen sein. Ausgenommen ist lose Ware wie frisches Obst und Gemüse. Sobald diese verschweißt wird, greift auch hier die Kennzeichnungspflicht. Nicht erfasst sind zudem Fleisch und Fisch aus wilder Jagd, Kosmetik sowie Textilien oder Produkte, für die es nur nationale Regeln gibt.
Für das Siegel müssen mindestens 95 Prozent der Inhaltsstoffe aus zertifiziertem Ökolandbau stammen. Höchstens 5 Prozent dürfen dagegen aus konventioneller Landwirtschaft kommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was