piwik no script img

Siedlergewalt im WestjordanlandBrennende Autos, verängstigte Menschen

Immer häufiger greifen Siedler palästinensische Orte im Westjordanland an, nun ist das Dorf Brukin betroffen. Derweil erhöht Israel die Truppenpräsenz in Gaza.

Zerstörung im Westjordanland: Manchmal sind Siedler verantwortlich, manchmal die Armee Foto: Ayman Nobani/dpa

Berlin taz | „Sie greifen uns fast täglich an, manchmal sogar mehrmals am Tag“ – so erzählt Mustafa Khater der Nachrichtenagentur Reuters von den Angriffen extremistischer Siedler auf sein Dorf Brukin im Westjordanland. Laut der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafawurden mehrere Häuser attackiert, mindestens eines in Brand gesteckt. Auch Autos wurden angezündet: „Ich sah, wie meine Fahrzeuge verbrannt wurden, dann schlugen sie mir auf den Kopf. Mir ist immer noch schwindlig“, schildert ein weiterer Dorfbewohner gegenüber Reuters die Geschehnisse der Nacht.

Das israelische Militär, das die Angriffe selbst als „Zusammenstöße“ zwischen Israelis und Dorfbewohnern bezeichnete, entsandte Truppen nach Brukin. Nach Angaben des emiratisch-saudischen Senders Al Arabiya habe es die Siedler gewähren lassen und nicht eingegriffen. Auch Festnahmen habe es keine gegeben.

Es ist bereits das zweite Mal in nur wenigen Tagen, dass das Dorf von Siedlern angegriffen wird. Am vergangenen Donnerstag, so berichtete es Times of Israel, nahmen etwa 40 Siedler an dem Aufmarsch teil, fünf Häuser und fünf Fahrzeuge von Palästinensern wurden angezündet, acht Menschen verletzt. Auch für die Vorfälle am Donnerstag wurde bislang niemand verhaftet. Die Angriffe werden etwa von Times of Israel als Antwort auf einen Anschlag Mitte Mai interpretiert: Da eröffnete ein Palästinenser nahe Brukin das Feuer auf eine Straße und tötete eine hochschwangere Israelin aus der benachbarten Siedlung Bruchin.

Dann schlugen sie mir auf den Kopf. Mir ist immer noch schwindlig

Bewohner des Dorfs Brukin

Im Allgemeinen haben die Angriffe extremistischer jüdischer Siedler auf palästinensische Dörfer im Westjordanland seit dem 7. Oktober 2023 massiv zugenommen. Allein im vergangenen Jahr gab es über 1.400 solcher Angriffe. Auch an diesem Wochenende wurden außer Burkin weitere beduinische Dörfer nahe der palästinensischen De-facto-Haupstadt Ramallah attackiert. Etwa 700.000 Siedler leben neben etwa 2,7 Millionen Palästinensern im größtenteils von Israel kontrollierten Westjordanland. Die Angriffe und die Tatsache, dass das Militär sie einfach geschehen lässt, heizen die Sorge vieler an, dass Israel mit der De-facto-Annexion des Westjordanlands im Schatten des Krieges im Gazastreifen voranschreitet. So werden immer weitere Siedlungen genehmigt und vormals illegal errichtete Außenposten rückwirkend legalisiert.

81 Prozent Gazas sind nun eine „No-Go-Zone“

Im Gazastreifen intensiviert das israelische Militär derweil seine Präsenz: Laut der Times of Israel sind nun alle verfügbaren Infanterie- und Panzerbrigaden dort stationiert. Die Zahl der Soldaten und Soldatinnen in Gaza liegt somit bei mehreren Zehntausend. Diese Entwicklung passt zu Berichten, wonach die Verhandlungen um einen Geisel-Waffenruhe-Deal wieder einmal stocken. Das ist nicht verwunderlich, hat Israels Premier Benjamin Netanjahu doch vergangene Woche die Durchführung des sogenannten Trump-Plans als neues Kriegsziel erklärt. Nach der Idee des US-Präsidenten Donald Trump sollen die Palästinenser aus dem Gazastreifen umgesiedelt werden – das entspräche de facto einer Vertreibung basierend auf ethnischer Zugehörigkeit.

Schon jetzt wird das Gebiet, in welches das israelische Militär die Bevölkerung zur Evakuierung aufruft, immer kleiner. Nach Angaben des UN-Amts für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) gelten mittlerweile 81 Prozent des Küstenstreifens für die Bevölkerung als „No-Go-Zone“. Auf vom israelischen Militär veröffentlichten Karten sind nur noch schmale Küstenstreifen um die Städte Deir-el-Balah und Gaza Stadt zur Evakuierung ausgewiesen.

Bei Luftangriffen kamen außerdem allein seit Samstag über 40 Menschen ums Leben, darunter mindestens neun Kinder einer Ärztin. Die Getöteten, der verletzte Ehemann und ein weiterer Sohn wurden nach lokalen Angaben in das Spital, in dem sie arbeitet, gebracht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!