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Sicherheitspolitik in ChinaPeking macht Jagd auf Spione

Chinas Regierung schürt überall die Angst vor Spionen. Selbst Grundschüler erhalten Anti-Spionage-Schulungen. Dahinter steckt mehr.

Ausländisch unterwandert? „Null Covid“-Protest in Peking am 27.11.2022 Foto: Thomas Peter/reuters

PEKING taz | Was China dem britischen Geheimdienst vorwirft, ruft Erinnerungen an James-Bond-Filme wach: Der MI6 soll laut Peking einen Mann angeheuert haben, um als Führungskraft einer Beratungsfirma während seiner Geschäftsreisen Staatsgeheimnisse aus der Volksrepublik zu beschaffen. Am Montag schließlich machte die Staatssicherheit den Fall publik, der mutmaßliche Spion sei mittlerweile festgenommen worden.

Tatsächlich wirft die Nachricht mehr Fragen als Antworten auf. Zum einen lassen sich die Behauptungen nicht unabhängig überprüfen. Die britische Botschaft in Peking hat sich nicht zu den Vorwürfen geäußert. Zudem sind selbst die offiziellen Schilderungen der chinesischen Behörden lückenhaft. Dennoch wirft die Causa ein Schlaglicht auf Chinas Strategie nationaler Sicherheit, die sich zunehmend auf die Bevölkerung von 1,4 Milliarden Staatsbürgern richtet.

Allein die Definition von Spionage ist im Reich der Mitte spätestens seit der jüngsten Verschärfung der Gesetzgebung vom letzten Sommer sehr weit gefasst. Strafbar sind mittlerweile Handlungen, die sich gegen die „nationalen Interessen“ Chinas richten – ein überaus dehnbarer Begriff. Selbst touristische Smartphone-Schnappschüsse können darunter fallen. Wer etwa auf einem Zivilflughafen Fotos schießt, befindet sich der Definition nach im Besitz eines Staatsgeheimnisses, wenn das Militär den Flughafen ebenfalls nutzt.

Die Spionage-Definition eröffnet den Behörden einen breiten Anwendungsraum

In den letzten Monaten gerieten wiederholt ausländische Staatsbürger ins Visier der Behörden. Sie nahmen etwa im März 2023 einen japanischen Geschäftsmann wegen Spionage fest. Zudem führten Behörden bei mehreren US-amerikanischen Beratungsfirmen Razzien durch und beschlagnahmten Laptops.

Beabsichtigte Unsicherheit

Auch die Europäische Handelskammer kritisierte, Unternehmen wüssten nicht, wo die Legalität ende. Die juristische Unschärfe ist jedoch kein Versehen, sondern bewusst intendiert: Sie ermöglicht den Behörden einen weiten Anwendungsspielraum der Anti-Spionage-Gesetze. Zudem kreiert sie Unsicherheit, aus der vorauseilender Gehorsam resultiert. Andererseits liegen negative Konsequenzen, etwa die abschreckende Wirkung auf ausländische Investoren, auf der Hand.

Die Staatsführung nimmt das offenbar in Kauf. In öffentlichen Kampagnen versetzt sie die Bevölkerung in erhöhte Alarmbereitschaft. Wer etwa durch die Korridore chinesischer Staatsbetriebe schreitet, findet an den Wänden unzählige Infoblätter und omnipräsente Propagandaslogans, die darüber aufklären, wie man am effizientesten Spione ausfindig macht und meldet.

Sündenböcke für alles

Selbst Grundschüler erhalten Anti-Spionage-Schulungen, wie die Staatsmedien im Wochentakt stolz berichten. Als Lohn für einen erfolgreich ausgelieferten Spion gibt es bis zu 65.000 Euro.

Allerdings: die Hintergründe sind real. China und die USA befinden sich im Hegemonialstreit. Im vergangenen Sommer kündigte CIA-Direktor William Burns an, das Spionagenetzwerk in China wieder aufzubauen. Gleichzeitig dürfte hinter Chinas Anti-Spionage-Kampf Kalkül stehen, um in wirtschaftlich schwierigen Zeiten mit Angst und Nationalismus Zusammenhalt zu kreieren.

Zudem offeriert das Narrativ auch einen bequemen Sündenbock: Hinter jeder Form der politischen Opposition – von der mittlerweile niedergeschlagenen Demokratiebewegung in Hongkong bis zu den „Null Covid“-Protesten vom letzten Winter – wittert Chinas Staatsführung „ausländische Unterwanderung“.

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