Sicherheitsexpertin über Drohnen: „Eine Win-win-Situation für Russland“
Immer öfter werden illegale Drohnen über Militäranlagen gesichtet. Drohnenexpertin Franke kritisiert die fehlende Ausstattung der deutschen Behörden.
![Eine in ein Netz verhedderte Flugdrohne liegt auf einem Rasen Eine in ein Netz verhedderte Flugdrohne liegt auf einem Rasen](https://taz.de/picture/7485710/14/37644503-1.jpeg)
taz: Frau Franke, in den vergangenen Monaten tauchten immer wieder Drohnen über Deutschland auf. Am Montag bestätigte das Landeskriminalamt Schleswig-Holstein, dass es nach Sichtungen über dem Luftwaffenstützpunkt in Schwesing bei Husum am Wochenende ermittelt. Sollte uns diese Überflüge besorgen?
Ulrike Franke: Wir sollten uns auf jeden Fall Sorgen machen. Das Problem ist, dass nicht bestimmt werden kann, um welche Art von Drohnen es sich handelt. Es gibt gewisse Indizien, wie die Größe und Flugfähigkeit, die bei der Bestimmung eine Rolle spielen. Aber ganz genau kann man es nicht sagen, da die Sicherheitsbehörden nicht in der Lage sind, diese Drohnen richtig zu erkennen, herunterzuholen und dann auch zu identifizieren. Wir sind in einer Situation, in der wir immer hundertfach pro Jahr Drohnenüberflüge über Deutschland gemeldet bekommen. Man sieht sie über Flughäfen, über Gefängnissen, über kritischer Infrastruktur, über Bundeswehrinstallationen. In der Regel wissen wir nicht, wo diese Drohnen herkommen und ob es sie überhaupt gegeben hat. Denn nicht alle Sichtungen können bestätigt werden.
ist Senior Policy Fellow beim European Council on Foreign Relations, mit Sitz im Pariser Büro. Zu ihren Schwerpunkten gehören die deutsche und europäische Sicherheit und Verteidigung, die Zukunft der Kriegsführung sowie die Auswirkungen neuer Technologien wie Drohnen und künstliche Intelligenz auf Geopolitik und Kriegsführung.
taz: Auch über dem Industriepark in Brunsbüttel oder dem US-Militärflugplatz Ramstein wurden zuletzt Flugobjekte gesichtet. Sicherheitsexperten vermuten, dass es sich dabei um militärische Drohnen, möglicherweise russischer Herkunft, handelte. Was würde das bedeuten?
Franke: Wenn sich tatsächlich bestätigt, dass es sich um militärische, feindliche ausländische Drohnen handeln sollte, dann müssen wir uns natürlich umso mehr Sorgen machen. Denn es bedeutet, dass fremde Mächte spionieren wollen und möglicherweise eine Sabotage planen. Plausibel ist es, dass es sich um russische Drohnen handeln könnte, denn solche Aktionen sind eine Win-win-Situation für Russland und das Regime.
taz: Inwiefern?
Franke: Es gibt immer einen Erkenntnisgewinn: Wann und wo werden die Drohnen entdeckt? Wann nicht? Man testet damit die deutschen Sicherheitsbehörden und ihre Reaktionen. Dazu kommt, dass sie Daten sammeln können über die Gebiete, die sie überfliegen. Dabei kommt es darauf an, welche Art von Aufklärungstechnologie die Drohne trägt. Gut ausgestattet kann sie hochauflösend filmen und fotografieren. Dadurch, dass eine Drohne lange in der Luft bleiben kann, kann sie beobachten, wer etwa einen Militärstützpunkt wann verlässt, oder wo Sicherheitskräfte stehen oder ungeschützte Eingänge sind.
taz: Das Bundeskabinett will einen Gesetzentwurf einbringen, der es der Bundeswehr erlaubt, verdächtige Drohnen über Deutschland abzuschießen. Wie wird bisher mit den Überflügen umgegangen?
Franke: Im Detail kenne ich das Vorgehen der deutschen Sicherheitsbehörden nicht. Die Bundeswehr und die Sicherheitsbehörden befassen sich durchaus mit dem Thema Drohnenabwehr. Und das auch nicht erst seit zwei Wochen. Es gibt verschiedenste Systeme für die Drohnenabwehr. Da gibt es kinetische Systeme, mit denen man wohl abschießt, elektronische Systeme, mit denen man Funkverbindungen stört oder überschreibt, auch Cybersysteme, mit denen man die Drohnen übernehmen kann. Oder Netze, die Drohnen einfangen. Und trotz dieser Möglichkeiten haben uns die Überflüge in den letzten Monaten ganz klar gezeigt: Was die Behörden in Deutschland haben reicht offensichtlich nicht und ist nicht ausreichend verfügbar. Dazu kommt, dass gerade kritische Infrastruktur bundesweit verteilt ist.
taz: Wo ist da das Problem?
Man muss erst mal überlegen, was man darunter einsortiert. Ist jedes Spannwerk eine zu schützende kritische Infrastruktur? Insofern wird es nicht möglich sein, überall die perfekte Drohnenabwehr zu installieren. Insbesondere auch deswegen, weil eine gute Drohnenabwehr auf einem Mix an verschiedenen Lösungen basiert. Das heißt: ein System, das eine Art der Drohnenbekämpfung anbietet, reicht in der Regel nicht. Besser sind mehrstufige, gestaffelte Systeme, mit elektronischen, kinetischen, und anderen Abfangmaßnahmen. Aber hier die richtige Technologie zu finden, das Geld dafür zu bekommen, und sicherzugehen, dass die Abfangmaßnahmen nicht in kürzester Zeit durch technologische Weiterentwicklungen der Drohnentechnologie obsolet werden, das ist die große Herausforderung.
taz: Bisher ist die Ausweitung der Befugnisse der Bundeswehr nur ein Gesetzentwurf, ob es Mehrheit im Bundestag gibt ist unklar. Wie stehen sie zu dem Vorhaben?
Franke: Der Entwurf ist sinnvoll, aber nur für Extremfälle gedacht, etwa bei bewaffneten Angriffen. Die Bundeswehr will in zivilen Gebieten grundsätzlich nicht schießen, da dies zu gefährlich ist. Wichtiger ist, die Abfang- und Überwachungssysteme ausbauen.
taz: Sie haben einmal gesagt, wir befänden uns in einer neuen Ära der Luftüberwachung. Können Sie das näher erläutern?
Franke: Überwachung aus der Luft ist heute für viele Akteure möglich – nicht nur für Staaten oder Militärs, sondern auch für Einzelpersonen, Unternehmen oder kleine Staaten. Das verändert die Sicherheitslage grundlegend. Wir stehen vor der Herausforderung, autorisierte Drohnen von potenziellen Bedrohungen zu unterscheiden. Um ein Beispiel zu nennen: 2013 flog eine Drohne der Piratenpartei als Protest gegen die Beschaffung des Euro Hawk in die Nähe von Angela Merkel bei einer Podiumsdiskussion. Damals wurde die Situation belächelt. Heute würde ein ähnlicher Vorfall wahrscheinlich Panik auslösen, weil die Bedrohungslage viel ernster ist.
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