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Sicherheit in der Berliner U-BahnBitte vorsichtig wischen

Kommentar von Claudius Prößer

Falsch ist das BVG-Projekt „Reinigungsstreife“ im Prinzip nicht – aber es birgt Gefahren. Und ob es bezahlbar ist, weiß niemand genau.

Auch hier wird jetzt mit neuen Besen gekehrt: U-Bahnhof Hermannplatz der Linie U8 Foto: Imago/Future Image

N a, sauber: Die BVG hat mit großem Rückhalt aus dem Senat den Fahrplan für ihr Projekt „Reinigungsstreife“ ausgeweitet. Die dreimonatige Pilotphase auf dem südlichen Abschnitt der U8 in Neukölln, Kreuzberg und Mitte wird erstens um ein halbes Jahr und zweitens bis zur Endstation Wittenau verlängert. Auf der gesamten Linie werden jetzt also die Bahnsteige regelmäßig nass gewischt, und zusätzliches Security-Personal wird DrogenuserInnen oder Obdachlose vom Bahnsteig komplimentieren.

Das Ganze als hohle schwarz-rote Wohlfühlshow abzutun, wäre falsch, auch wenn die Interpretation schnell bei der Hand sein mag. Denn, das vorweg, der Regierende Bürgermeister hat Recht, wenn er sagt, dass die Mobilitätswende nicht gelingen kann, solange nicht alle – oder zumindest noch viel mehr Menschen als heute – die öffentlichen Verkehrsmittel gerne benutzen.

Fahrrad hin oder her, der ÖPNV ist das Rückgrat des sogenannten Umweltverbunds, also der Verkehrsträger jenseits des privaten Autos. Er befördert die Massen (einigermaßen) zuverlässig bei (fast) jedem Wetter und zu (aktuell mal wieder) moderaten Preisen, im Idealfall schnell und auch über weitere Strecken. Aber die Fahrt in Bus und Bahn muss auch komfortabel und angenehm genug sein, um Leute aus dem bequemen Autositz zu locken.

Und dabei geht es eben nicht nur um harte Statistiken, wie oft Fahrgäste tatsächlich Opfer von größeren oder kleineren Verbrechen im U-Bahnhof werden. Es geht um das Gefühl, sich dort zu jeder Tageszeit sicher zu bewegen, aber auch etwa darum, einen Sitzplatz auf dem Bahnsteig zu finden, der nicht gerade als Schlafplatz oder für ein Trinkgelage herhalten muss. Und vor dem Einsteigen erst mal über Müll steigen zu müssen, macht die Untergrundbahn auch nicht gerade zum Verkehrsmittel der Wahl für Newcomer.

Klima der Angst?

Gleichzeitig ist zu hoffen, dass die Verkehrsbetriebe ihr Versprechen halten, zusammen mit Sozialdiensten und anderen AkteurInnen dafür zu sorgen, dass die Verdrängung von Menschen aus den unterirdischen Anlagen keine Härten erzeugt. Seit Beginn der Pilotphase gab es Kritik von Verbänden, die Gruppe „Ihr seid keine Sicherheit“ protestierte auch anlässlich der Zwischenbilanz am Donnerstag: Wohnungslose würden eines Schutzraums beraubt, das Sicherheitspersonal erzeuge eher ein Klima der Angst als der Sicherheit.

Von den Sozialpartnern der BVG kommen beruhigende Signale – man fange die vom Bahnhof oder aus dem Zug Vertriebenen durchaus auf und helfe ihnen dabei, Einrichtungen ansteuern, wo sie Essen, einen Schlafplatz oder Beratung erhalten. Auch werde man das eingesetzte Personal schulen, damit der Umgang menschlich bleibt. Das wird man auf jeden Fall genau beobachten müssen. Zumal auch brav zahlende NutzerInnen aggressiv auftretende Security-Patrouillen abschreckend finden.

Angesichts der ungetrübten Freude der Politik ob des Erfolgs stellen sich natürlich auch noch weitere Fragen: zum Beispiel, was das Ganze kostet, und ob die Mittel für das große Sicher und Sauber nicht anderswo fehlen werden. Erstaunlicherweise ließ man das Thema bei der Vorstellung der Ausweitungspläne einfach unter den Tisch fallen.

Außerdem: Wenn das Projekt auf der U8 eine gute Sache ist, wie will die BVG begründen, dass es nicht auf ihr gesamtes Netz ausgeweitet wird? So groß sind die Unterschiede zwischen den Innenstadtlinien dann auch wieder nicht, und warum nur die Fahrgäste zwischen Hermannstraße und Wittenau von der Maßnahme profitieren lassen? Wahrscheinlich ließe es sich eben beim besten Willen nicht bezahlen und die BVG hofft wenigstens auf eine Art Leuchtturmeffekt.

Sauber und Sicher gibt’s eben nicht umsonst. Letztendlich wird jetzt auch nur versucht, den Schaden wiedergutzumachen, der durch die Abschaffung des Bahnhofspersonals rund um die Jahrtausendwende entstanden ist. Ausnehmend freundlich waren die AbfertigerInnen („Zurückbleiben hab ick jesacht!“) zwar nicht, aber ihre Präsenz garantierte gewisse Standards, die man nun auf Umwegen mühsam wiederherzustellen versucht.

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Redakteur taz.Berlin
Jahrgang 1969, lebt seit 1991 in Berlin. Seit 2001 arbeitet er mit Unterbrechungen bei der taz Berlin, mittlerweile als Redakteur für die Themen Umwelt, Mobilität, Natur- und Klimaschutz.
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