Sichere Herkunftsstaaten: Sogar Schwarz-Grün sagt Nö
Die pragmatischen Grünen in Hessen sind gegen das Gesetz zu den sicheren Herkunftsstaaten. Die Regierung habe nicht das Gespräch gesucht.
Die Grünen regieren in Hessen zusammen mit der CDU. Wenn die Koalitionspartner bei einem Thema nicht einig sind, enthält sich das Bundesland in der Länderkammer – so regelt es der schwarz-grüne Koalitionsvertrag. Enthaltungen aber wirken wie ein Nein. „Das Gesetz, das jetzt vorliegt, ist so nicht zustimmungsfähig“, sagte Hessens Grünen-Landeschef Kai Klose am Montag der taz.
Die entscheidende Abstimmung im Bundesrat findet am Freitag statt. Spätestens jetzt ist so gut wie sicher, dass das umstrittene Gesetz keine Mehrheit bekommt. Mehrere Regierungsgrüne in anderen Ländern hatten zuvor bereits erklärt, verfassungsrechtliche und menschenrechtspolitische Bedenken zu haben.
Die Zweifel sind gut begründet: In den drei nordafrikanischen Maghreb-Staaten ist Homosexualität strafbar, es kommt zu Verfahren gegen kritische Journalisten und Blogger, auch Fälle von Folter sind dokumentiert.
„Pure, sinnlose Ideologie“
Die Koalition bräuchte mindestens drei große, von Grünen mitregierte Länder, die für das Gesetz stimmen. Hessens Landesverband tickt realpolitisch und gilt Grünen-intern als pragmatisch – dies verleiht dem Nein besondere Wucht. Offen ist jetzt noch, wie sich Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann entscheidet. Kretschmann, der ebenfalls mit der CDU regiert, lässt das Gesetz seit Monaten auf Plausibilität prüfen und will das Ergebnis am morgigen Dienstag nach der Kabinettssitzung bekannt geben.
Wichtige Koalitionspolitiker hatten am Wochenende den Druck auf die Grünen erhöht. „Eine Ablehnung wäre pure sinnlose Ideologie“, sagte etwa Innenminister Thomas de Maizière (CDU). CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte, die Grünen würden sich mit einem Nein zu „Gehilfen für massenhaften Asylmissbrauch“ machen. SPD-Chef Sigmar Gabriel betonte, die Einstufung von Marokko, Tunesien und Algerien als sicher bedeute nicht, dass das Recht auf Asyl für Menschen aus diesen Ländern wegfalle.
Wenn die Grünen das Gesetz am Freitag im Bundesrat blockieren, ist wahrscheinlich, dass es im Vermittlungsausschuss landet. Dort würde nach einem Kompromiss gesucht. Hessens Grüne wollen in diesem Fall weiter mit der Regierung verhandeln. Sie blieben „zu Fragen der Flüchtlingspolitik gesprächsbereit“, heißt es in dem Parteiratsbeschluss. Das Ziel bleibe, Fehlentwicklungen in der Flüchtlingspolitik zu korrigieren und reale Verbesserungen für Flüchtlinge zu erreichen.
Landeschef Klose bedauerte den mangelnden Verhandlungswillen der Regierung – und deutete an, dass auch eine Einigung möglich gewesen wäre. „Die Bundesregierung hat versäumt, mit den grün mitregierten Landesregierungen das Gespräch zu suchen“, sagte er. Einwände des Bundesrates seien von der Regierung einfach ignoriert worden. Die Länderkammer hatte Mitte März nach einer ersten Befassung mehrere Einwände formuliert.
Kretschmann für neues Modell
Er hatte damals zum Beispiel darauf hingewiesen, dass eine geringe Schutzquote für Antragsteller aus den betroffenen Staaten „kein ausreichendes Kriterium“ für eine Einstufung sei. Er forderte zudem mehr Informationen über die Menschenrechtssituation in den betroffenen Ländern und schlug eine Altfallregelung für Asylbewerber vor, die seit Jahren in Deutschland geduldet werden.
An solchen Punkten könnten sich Nachverhandlungen im Vermittlungsausschuss orientieren. Das Gesetz wäre also durch die wahrscheinliche Blockade der Grünen nicht vom Tisch. Wenn die Regierung Angebote macht, wären manche Grüne gesprächsbereit.
Kretschmann hatte bereits vor den Landtagswahlen im März einen Deal mit dem Kanzleramt sondiert und ein Ja von ihm und den hessischen Grünen gegen Gegenleistungen angeboten. Nachdem die taz über die interne Offerte berichtet hatte, verwahrte sich die CSU gegen Liberalisierungen im Asylrecht.
Bei den Grünen werden jetzt Modelle diskutiert, die die umstrittene Einstufung von Staaten als „sicher“ ersetzen könnten. Kretschmann und Schleswig-Holsteins Vize-Regierungschef Robert Habeck schlagen vor, die Liste der sicheren Herkunftsstaaten zu streichen und stattdessen einen gesetzlichen Automatismus einzuführen. Würden aus einem Land dauerhaft nur sehr wenige Menschen als asylberechtigt anerkannt, löste dies ein beschleunigtes Asylverfahren aus.
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