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Shutdown in USAEndlich ein Aufbäumen

Bernd Pickert

Kommentar von

Bernd Pickert

Die demokratische Opposition lehnt den US-Haushalt ab. Wenn sie noch ernst genommen werden will, muss sie gegen den Staatsumbau kämpfen.

Tag eins des Shutdowns in Washington: Schuld sind aus Sicht der Republikaner natürlich die Demokraten Foto: Nathan Howard/reuters

D en De­mo­kra­t*in­nen im US-Senat blieb diesmal nichts anderes übrig, als Nein zu sagen. Noch einmal einen republikanischen Haushaltsentwurf durchzuwinken, ohne Verhandlungen erzwungen oder auch nur den Hauch eines Zugeständnisses vonseiten der Re­pu­bli­ka­ne­r*in­nen zu haben, wäre politischer Suizid gewesen. Der Shutdown der US-Regierung, also die jetzt in Kraft getretene Haushaltssperre, ist nur folgerichtig.

Noch im März, bei der letzten Verabschiedung eines temporären US-Haushalts, hatte Chuck Schumer gekniffen. Der Minderheitsführer im Senat hatte dafür gesorgt, dass ausreichend demokratische Se­na­to­r*in­nen für den von der republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus vorgelegten Haushaltsplan stimmten, sodass eine Haushaltssperre vermieden wurde. Schumers damaliges Einknicken wurde zum Sinnbild demokratischer Orientierungs- und Rückgratlosigkeit, ja Feigheit.

Die 60-Stimmen-Erfordernis im Senat ist das einzige Vehikel, über das die De­mo­kra­t*in­nen in Washington überhaupt noch verfügen, um ein winziges Quäntchen Macht abzubekommen. Lassen sie dieses letzte verbliebene Instrument ungenutzt, stellen sie ihre eigene Daseinsberechtigung als Oppositionspartei und -fraktion infrage. Dabei geht es nicht um billiges politisches Posing.

Der Bereich, den sich die De­mo­kra­t*in­nen herausgesucht haben, betrifft Millionen US-Amerikaner*innen, deren Gesundheitsversicherung in den nächsten Jahren teurer wird oder ganz wegfällt. Denn die Re­pu­bli­ka­ne­r*in­nen haben nie damit aufgehört, das unter Barack Obama eingeführte ACA (Affordable Care Act, bekannt als Oba­macare) wieder abschaffen zu wollen. Weil das unpopulär ist, verschlechtern sie die finanziellen Rahmenbedingungen so, dass das System von innen erodiert.

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Das kleinere Risiko

Eben dagegen wollten die De­mo­kra­t*in­nen vorgehen und eine Fortsetzung staatlicher Versicherungssubventionen in den Haushalt hineinverhandeln. Jetzt kommt es aufs Durchhalten an und darauf, sich gegen die Schmierenkampagne und alle weiteren Drohungen Donald Trumps zu immunisieren. Ja, das birgt Risiken. Shutdowns sind unpopulär und bringen ihrerseits soziale Härten – und wer dafür verantwortlich gemacht wird, erhält oft bei der nächsten Wahl die Quittung.

Für die De­mo­kra­t*in­nen ist das das kleinere Risiko gegenüber dem, als zahnloser Hamster angesehen zu werden. Angesichts des fortschreitenden autoritären Staatsumbaus von oben müssen sie jetzt endlich ins Kämpfen kommen. Sonst nimmt sie bald überhaupt niemand mehr ernst – weder im Kapitol noch in der Wahlkabine.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. Bluesky: @berndpickert.bsky.social In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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14 Kommentare

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  • Too little, too late. Die totalitären Mumien an der Spitze wie Schumer und Pelosi haben zu viel Schaden angerichtet in dem sie seit Jahren alles an jungen Hoffnungsträgern beschnitten haben, die ihre Partei noch zu bieten haben wie jüngst Zohran Mamdani in New York. In der Hoffnung, die MAGA Kultisten irgendwann zurück ins " richtige," Boot zu bekommen. Woran erinnert mich das nur?

  • Wo ist denn nun der Mythos vom "Land der unbegrenzten Freiheit" ? Ist das ein Volk von "Auserwählten" wie gerne behauptet wird? Na dann....

  • Ganz allgemein ist es erschreckend, wie wenige sich gegen die zT klar ungesetzlichen Aktionen des Trump-Regimes stellen. Gerade auch bei den Demokrakten. Kamala Harris zT teilt offenbar lieber in Buchform gegen die eigenen Parteikollegen aus.

    • @T-Rom:

      Wir (ich auch) neigen immer dazu die Demokraten mit Links zu verknüpfen und sie wie ne Mischung aus SPD, Grüne und Linke zu betrachten. Aber schaut man sich ihr Handeln an dann ist da doch eigentlich zuviel Egoismus und Gier am Werk um dem Vergleich Stand zu halten.



      Vielleicht fahren wir besser die Republikaner als Mischung aus CDU und Afd zu betrachten, und die Demokraten als pure CDU. Möglicherweise passt die Sichtweise besser und wir sind nicht immer wieder so irritiert über die...

      • @Rikard Dobos:

        Es gibt keine republikanische "Partei" mehr, sondern inzwischen eine kultische Bewegung aus MAGA, Evangelikalen, rechtsextremen Influencern und opportunistischen Rechtspolitikern, die sich als Arm dieser Bewegung im Kongress verstehen. Diese Bewegung als Mischung aus CDU und AfD zu bezeichnen, zeigt, dass Sie überhaupt nicht erkannt haben, mit wem Sie/wir es in den USA inzwischen zu tun haben!



        In den USA geht es rapide in Richtung Autokratie ... das hat nichts mehr mit der "normalen" Rivalität zweier politischer Lager zu tun!



        By the way: Völlig falsch wäre es auch, die Demokraten mit der CDU zu vergleichen. Wie passen denn dann Leute wie AOC, Crockett, Buttigieg, Newsom, Whitmer, Klobuchar, Mamdami da rein?

        • @Plewka Jürgen:

          Zunächst hast du das Urgestein Bernie Sanders vergessen. Vor allem aber auch, dass (von Buttigieg abgesehen) alle Aufgezählten bei den Dems nicht wirklich was zu melden haben, bzw. auf die Meinungsbildung der Partei(führung) Einfluss nehmen können. Crocket, Newsom und Whitmer sind jeweils stark in ihren Bundesstaaten, aber nicht bundespolitisch (wobei gerade Gavin Newsom auch nur im direkten Vergleich mit dem Parteiestablishment ein "Linker" ist). AOC gilt auch vielen Dems als "Sozialistin" ohne Sanders' Altersbonus), Mamdani wurde nicht einmal bei seiner Bürgermeisterwahl vom Parteiestablishment unterstützt, sondern eher pikiert ignoriert. Sanders und AOC wurde die Aufgabe zugeteilt, sich an die "jungen Leute" zu wenden, sie haben aber ansonsten nichts zu melden. Man schaue sich nur das Geeier bei der Nominierung der letzten Präsidentschaftskandidaten an. Da meinte man "auf Nummer sicher" zu gehen, als man sich erst auf Biden und dann auf Harris festgelegt hat. Gut, solche "Exoten" hat die CXU nicht zu bieten, aber vom Klima-Aspekt und etwas Kulturkampf mal abgesehen sind die programmatisch durchaus zwischen den Dems und dem Nicht-MAGA Teil der Reps verortet.

  • Erfolg wird das Aufbäumen nur haben, wenn die Massen dahinter stehen.



    Da der Shutdown aber für viele persönliche Nachteile mit sich bringt und eine unerklärliche Mehrheit Trump immer noch stützt, wird leider fraglich sein, ob es echten Widerstand gäbe, setzte er sich auch hierüber mit Gewalt hinweg.



    Bananen scheint es in USA inzwischen genug zu geben…🧐

  • Ich bin skeptisch, ob der Shutdown den Demokraten nutzen wird (was wichtig wäre!) oder nicht zur Steilvorlage für die weitergehenden Pläne des Trump-Regimes wird. War das tatsächlich ein Zufall, dass einen Tag vor dem Beginn des Shutdowns die gesamte Militärspitze na h Quantico beordert wurde? Wird hier die flächendeckende Anwendung des "Insurrection Acts" vorbereitet, wenn es im Zusammenhang des Shutdowns zu massiven Protesten kommt? Wem werden die staatlichen Angestellten, die jetzt vermutlich mit Massenentlassungen rechnen müssen, die Schuld dafür geben? Wird die Bevölkerung tatsächlich die Republikaner für den Ausfall zahlreicher Behörden verantwortlich machen ... oder nicht doch die Demokraten? Ich befürchte den nächsten - diesmal großen - Schritt bei der Errichtung einer Autokratie in den USA. Eine Alternative zum Vorgehen der Demokraten habe ich allerdings auch nicht zu bieten.

  • Trump ist ein Showman und inszeniert sich und seine Handlungen. Es gibt einige Leute de sagen dass er es nur hat soweit kommen lassen um Massenentlassungen unliebsamer Beamter durchzudrücken. mal sehen. Was die Dems angeht: die sollten lieber konstruktiv für etwas arbeiten, anstelle nur zu versuchen Trump zu behindern, Das macht sienämlich berechenbar für Trump´s show.

  • Die Umfragen zur Zustimmung sind bei den Demokraten aktuell desaströs.

    www.realclearpolli...y/democratic-party

    Wenn die dieses Mal wieder kein Rückgrat zeigen, muss Trump gar nicht gerrymandern.

  • Und am Shutdown sollten die Demokraten tunlichst festhalten. Und das nicht nur wegen der Gesundheitsversorgung. Der Haushalt ist die allerletzte Einflussmöglichkeit, die sie haben. Oder glaubt tatsächlich noch irgendjemand, dass sie je wieder eine Wahl gewinnen werden? Und selbst wenn, werden sie nichts gewinnen. Nationalgarde und Armee werden jetzt schon darauf vorbereitet. Der Sturm auf das Kapitol am 6.1.21 war nur ein laues Lüftchen von Amateuren im Vergleich zum nächsten Mal

    • @Fckafd Somuch:

      Das ist etwas übertrieben. Abseits der Präsidentschaftswahl finden ja auch jetzt laufend Wahlen statt, wo auch die Demokraten gewinnen.

    • @Fckafd Somuch:

      Das denke ich auch. Irgendwann wird die Mehrheit der US-Amerikaner sich sagen, dass sie eigentlich doch keinen König wollen und auf die Straße gehen. Aber dieser Moment muss nun schnell herbeigeführt werden, bevor Friedhofsruhe einkehrt wie in Russland. Denn mit legalen Mitteln über die Gerichte wie TROs ist die Milliardärsjunta um Trump herum nicht zu stoppen. Es wurde wirklich alles versucht und es war zu langsam oder wurde vom rechtsgerichteten Supreme Court zahnlos gemacht.

      • @hedele:

        Trumps Approval Rating liegt bei rund 45%, was mehr als 10% besser ist, als das der Demokraten.



        Fast die Hälfte der US-Bürger wollen also einen König/Führer.