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Shisha-Verbot in Hamburger BarsGroßstadt ganz schön unlocker

Hamburger Shishabar-Betreiber*innen fühlen sich diskriminiert: In Schleswig-Holstein dürfen die Pfeifen längst wieder dampfen.

Bild aus fernen Zeiten? Eine Wasserpfeife im Schaufenster einer Hamburger Shishabar Foto: Christian Charisius/dpa

Hamburg taz | Mit einer gewissen Hoffnung hatte der Hamburger Ehssan Qalaenawi in die Zukunft geblickt. Der Hoffnung, dass die Welle der Coronalockerungen nun endlich die Shishabars erreichen würde, also auch ihn und seine „Avenue 95“. Nach der mehrstündigen Pressekonferenz am 30. Juni war jedoch klar: Die Nutzung von Shishas und anderen Wasserpfeifen bleibt in Hamburger Gaststätten weiterhin untersagt.

Schon vor dieser Enttäuschung hatten mehrere Betreiber*innen erklärt, sich die Ungleichbehandlung nicht länger bieten lassen zu wollen: Normale Bars können in Hamburg seit einer Weile wieder öffnen, wenn auch nur unter Auflagen. Im benachbarten Schleswig Holstein dürfen auch längst wieder Shishas an die Gäste verliehen werden. Wenn aber niemand aus der Hamburger Politik sich um ihre Belange kümmert, müssen die Betreiber*innen der dortigen Etablissements sich eben Gehör verschaffen: So sieht es Chanupa Fuat, der selbst die „Chanupa Shisha Bar & Cocktail Lounge“ in Hamburg-Altona betreibt – und eine Petition für die Gleichberechtigung der Hamburger Shishabars initiiert hat.

Die seit Mitte Juni laufende Petition, die – Stand Mittwochnachmittag – bisher 244 Unterstützer*innen fand, solle auf die spürbare Diskriminierung der Branche aufmerksam machen, so Fuat. Denn diskriminiert fühlen sich die Betreiber*innen von 65 Shi­shabars in Hamburg. Woher genau das Verbot für diese Lokalitäten rührt, kann dabei nicht einmal die örtliche Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration erklären. Auf taz-Anfrage verweist Behördensprecher Martin Helfrich vage auf die intensive Zirkulation von Atemluft, die unter Umständen zwischen verschiedenen Nutzer*innen ausgetauscht würde. Dieser Zirkulation sei durch den Zusatz von Wasserdampf möglicherweise noch eine verstärktes Infektionsgefahr beizumessen.

Auf die Frage, ob zu dieser möglicherweise größeren Gefahr Forschungsergebnisse existieren – keine Antwort. Auch zu weiteren Aspekten schweigt man sich aus. Etwa zur Frage, warum es den Gästen einer Shishabar nicht zuzutrauen sein soll, sich an coronabedingte Verhaltensregeln zu halten. Die Betreiber*innen können sich vorstellen, dass Vorurteile dahinterstecken könnten. Die Branche stehe „sowieso unter extremen Druck“, sagt Fuat, die Worte Shishabar und Kriminalität fielen heutzutage stets in einem Atemzug.

Gerade mal 18 Kilometer liegen zwischen den zwei Bars von Omid Wardak: Die eine liegt im schleswig-holsteinischen Geesthacht – und läuft seit Mitte Juni wieder auf Hochtouren. Für die andere, in Hamburg Allermöhe, ist nicht einmal in Sicht, wann dort wieder Pfeifen verliehen werden können. Was offenbar auch manche Hamburger*innen nicht einsehen wollen. Er wisse aus Gesprächen mit Gästen, so Wardak, dass sie sogar Fahrtwege von bis zu 40 Kilometern auf sich nähmen, um in Geesthacht Pfeife zu rauchen.

In Schleswig-Holstein scheint das Hygienekonzept überzeugt zu haben, das Wardak in Eigeninitiative ausgearbeitet hat. In Hamburg dagegen kamen Qalaenawi, Fuat und Wardak damit nicht weit. Auf die Frage, ob die Hamburger Behörden sich das Konzept der drei befreundeten Betreiber angesehen hätten, schütteln diese die Köpfe.

Dabei ist darin an vieles gedacht: Der einmal eingenommene Platz beziehungsweise Tisch darf nicht gewechselt werden, die Kontakte zum Personal sind aufs Nötigste reduziert. Der Aufenthalt auf den Toiletten ist jeweils nur für eine Person zulässig, der Konsum von Alkohol nur in angemessenem Umfang gestattet.

Die Kund*innen kommen Qalaenawi zufolge vor allem zum Rauchen. Wenn er aber keine Pfeifen anbieten könne: Warum sollten sie dann ihre Cola nicht zu Hause trinken? Er spricht von 70 Prozent Gewinneinbruch, obwohl er seine Hamburger Bar täglich öffnet. Und er verweist auf die beträchtlichen Schulden, die für die Betreiber*innen entstanden sein werden, wenn sich die Lage irgendwann normalisieren sollte.

Besuch nur mit einer Reservierung: Wegen dieses schon lange vor Corona, nämlich seit Jahren angewendeten Prinzips wären Shishabars mindestens so gut darauf eingestellt, etwaige Infektionsketten zu verfolgen. Und anders als etwa die Kneipen und Clubs im Hamburger Schanzenviertel – wo wiederholt die Polizei die Regeln durchsetzte – sieht Qalaenawi Shisha-Bars als Orte, an denen sich die Menschen viel besser unter Kontrolle halten und sich die Hygiene gewährleisten ließen.

Gut 100 Wasserpfeifen stehen in Omid Wardaks „S.A.X. Bar“ in Hamburg-Allermöhe im Lager herum. „Damit könnten wir ganz leicht gewährleisten, dass jeder seine eigene Pfeife bekommt“, sagt er. Und gerade einmal 40 Cent je Stück würden ihn Einmalschläuche kosten. In eine hochwertige Belüftungsanlage sei schon viel Geld investiert worden und natürlich ließen sich Pfeifen auch nach draußen bringen. Hat Hamburg je erwogen, das Shisha-Rauchen wenigstens auf der Terrasse zu erlauben? Unklar. Umso mehr muss die Lage den betroffenen Unternehmer*innen als Schikane vorkommen.

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1 Kommentar

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  • Nicht nur die Betreiber fühlen sich diskriminiert. Auch die Kunden. Die Betreiber tuen mir leid, weil sie ein Berufsverbot für MINDESTENS 6 Monate auferlegt bekommen haben. Welcher Mensch kann schon sagen, dass er 6 Monate ohne Arbeit überbrücken kann um die privaten Kosten zu zahlen und sich zu ernähren.

    Aber ich als Kunde fühle mich ebenfalls diskriminiert. Meine Stadt verbietet mir, ein Lokal aufzusuchen, aus nicht wissenschaftlich erwiesenen Gründen. Ich rauche gerne. Es gibt keinen Ort an dem man seine sozialen Kontakte besser pflegen kann. Ich rauche aus Leidenschaft. Für einige ist das Rauchen sogar Kultur. Es ist eine Jahrhunderte alte Tradition. Aber mir persönlich geht es eher darum, gemütlich zu dampfen bei entspannter Atmosphäre. Aber Hamburg sagt Nein während 12 andere Bundesländer sagen: macht doch, unter Auflagen.