Shahak Shapira über „Shapira Shapira“: „Du musst auf die Fresse fallen“
Shahak Shapira bekommt seine eigene Comedy-Show. Uns erklärt er, was den Deutschen zum Lustigsein fehlt und warum Nazi-Denke nichts mit Politik zu tun hat.
taz am wochenende: Herr Shapira, wie macht man einen schlechten Witz?
Shahak Shapira: Es gibt da mehrere Techniken, die erste ist: Du erklärst zu viel. Du versimpelst den Witz, du nimmst Klischees. Du nimmst eine Struktur, die alle benutzen: „Hey, was hat es mit diesen Klingeltönen auf sich?“ Oder einfach sehr schlechte Wortwitze.
Vervollständigen Sie doch mal diesen Satz: Meine neue Sendung „Shapira Shapira“ ist wie „Böhmermann“ für Leute, die …
Meine Sendung ist wie Böhmermann für Leute, die auch Böhmermann mögen. Und die, die ihn nicht mögen. Das sind meine beiden Zielgruppen. Und die, die ihn ganz okay finden.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Sie wollen Sketche und Comedy machen, aber kein Politkabarett. Wo ist der Unterschied?
Viele Themen, die Leute für politisch halten, sind für mich gesellschaftlich. Finden Sie Nazis politisch?
Kommt drauf an, wie man Politik definiert.
Finden Sie, Nazis verarschen ist politisches Kabarett?
Wenn wir sagen, wir wollen nicht mit Nazis zusammenleben, ist das schon politisch, oder?
Ich finde, Nazis sind nicht politisch. Ich gestehe denen nicht zu, dass sie eine politische Position haben. Ich finde, auch Homophobie ist nicht politisch. Und Feminismus und Gleichstellung sind nicht politisch.
Das wird unsere Leser*innen sehr interessieren. Sie sind ja nicht gegen Feminismus.
Im Gegenteil. Vielleicht macht es so herum Sinn: Sexismus ist keine politische Position. Auch die Ehe für alle ist für mich letztendlich nicht politisch.
Und was ist sie sonst?
Gesellschaftlich. Grundmenschlich. Vielleicht beharre ich da auch zu sehr drauf. Was ich jedenfalls nicht machen werde, ist Innenpolitik persiflieren.
Warum ist es so schwierig, im deutschen Fernsehen lustig zu sein?
Warum ist es so schwierig, in Deutschland lustig zu sein? Vielleicht sind ja sogar Leute lustig und ich bin nur ignorant und respektlos, kann auch sein. Aber es gibt schon einen Unterschied zu Amerika.
Was genau machen die Amerikaner*innen denn besser in ihrer Comedykultur?
Ach, ich bashe so oft deutsche Comedians. Nun ist es ja aber nicht so, dass alle hier so beschissene Comedy machen und das Publikum besteht aus Feinschmeckern, die nur ganz zufällig bei Mario Barth sitzen. Jedes Land bekommt die Comedians, die es verdient. Andere Frage: Warum ist Babelsberg nicht wie Hollywood?
Geld, vermutlich.
Na ja, die Amis haben schon auch einen kulturellen Vorsprung, bei allem. Sie haben halt mehr Weltkriege gewonnen. Hättet ihr den Weltkrieg gewonnen, dann wäre euer Humor besser, aber ich wär’ nicht hier.
Was unterscheidet die beiden Stand-Up-Kulturen?
Ich behaupte mal, die meisten großen Comedians, die man heute in Deutschland sieht, waren noch nie bei einem Open Mic. Das heißt, sie stehen nie vor Nicht-Fans und testen neues Material. Für mich war das eine ganz unangenehme Erfahrung.
Was meinen Sie?
Ich habe angefangen, Lesungen zu machen und nur vor Fans gespielt, vor hundert, zweihundert Leuten. Aber als ich zum ersten Mal zu einem Open Mic ging, ist jemand eingeschlafen zwischendrin.
Inwiefern macht einen das besser, wenn man da scheitert?
Du musst auf die Fresse fallen. Jederzeit, zu jedem Punkt deiner Karriere. Du musst bomben. So nennt man das, wenn du keine Lacher kriegst: Bomben. Wenn’s sehr gut läuft, dann killst du, wenn nicht, dann bombst du.
Und wenn du nicht bombst?
Wenn du nur sicheres Material spielst, wo du weißt, dass du Lacher kriegst, wirst du dich nie weiterentwickeln. Wenn du dich auf eine Bühne stellst und den Leuten nur erzählst, was sie schon wissen, verschwendest du ihre Zeit und deine Zeit.
Ihr Autor*innenteam ist paritätisch besetzt, jung, berlinerisch, international. Hat Diversity bei der Besetzung eine Rolle gespielt?
Ich habe tatsächlich drauf geachtet, weil ich so arbeiten will. Fast alle meine Autor*innen sind selbst Stand-Up-Comedians, bis auf Matilde (Matilde Keizer, Anm. d. Red.), sie macht Impro. Fast alle sind Migranten, die Hälfte sind Frauen. Aber es ist ja jetzt nicht so, dass es bessere Männer gab und wir dachten: Nee, wir brauchen aber eine Frau. Diese Leute sind einfach die richtigen.
Leider nicht selbstverständlich in der Comedy-Szene.
Ich will nun mal nicht nur ein Männerpublikum. Warum sollte ich nur Männer in der Redaktion sitzen haben? Ich wünsche mir auch mehr weibliche Comediennes in Berlin auf den Open Mics. Darauf sollte man achten beim Booking.
Sie haben neulich auf Twitter geschrieben: „Das einzig gute daran, wenn deine Familie im Holocaust stirbt ist, dass du ihnen Jan Fleischhauer nicht erklären musst.“ Humor, Zynismus, Verteidigung, was ist dieser Satz?
Sarkasmus, einfach nur. Nicht alles was ich auf Twitter sage ist ein Witz. Nicht mal alles was ich auf der Bühne sage. Das habe ich in letzter Zeit gelernt: Du musst nicht immer lustig sein als Comedian. Du musst aber immer interessant sein.
Und Jan Fleischhauer?
Diese Nazi-rein-Scheiße. Wenn mir das jemand gesagt hätte, so ins Gesicht, könnte ich demjenigen durchaus eine scheuern dafür. Ich halte jetzt Jan Fleischhauer nicht für einen Extremisten oder Neonazi. Aber bei manchen Aussagen musst du dich echt fragen: Digger, was machst du? Es gibt diese Leute, die so auf der Grenze sind. Jakob Augstein, manchmal Ulf Poschardt, Henryk M. Broder.
Wann halten Sie selbst denn eine Provokation für gelungen?
Ich finde es nicht schlimm, wenn ich provoziere. Aber ich mache es nicht mit Absicht. Manche Comedians machen das. Aber nicht alles, was provokant ist, ist auch cool und edgy. Nicht jede Provokation hat Wert.
Wann hat man es übertrieben?
Du musst übertreiben, damit es ein Witz ist. Wenn aber Annegret Kramp-Karrenbauer auf die Bühne geht und als Politikerin anfängt, Witze darüber zu machen, dass manche Menschen weniger Rechte haben, dann nehme ich ihr das nicht als Witz ab. Weil ich weiß, dass sie tatsächlich homophob und transphob ist.
Ihr Fotoprojekt „Yolocaust“, bei dem Sie Touristenfotos auf KZ-Bilder montierten, fanden manche Menschen auch drüber. Die Schriftstellerin Mirna Funk zum Beispiel.
Ich finde, Mirna Funk ist drüber. Es ist ein Haufen Müll, was sie sagt. Letztens hat sie mich als die Schande der jüdischen Community bezeichnet, später hat sie sich entschuldigt. Aber ich gehöre auch gar nicht zu dieser Community. Ich bin Atheist. Meine Mutter stand drei Wochen unter Polizeischutz, da habe ich null Solidarität von der jüdischen Community bekommen. Scheiß auf sie.
In der offiziellen ZDF-Pressemappe zu Ihrer Show steht, dass Sie jetzt Deutscher sind.
Tatsächlich? (lacht)
Ja, tatsächlich. Sind Sie denn jetzt deutscher als vorher?
Ich hab jetzt eine Pollenallergie.
Sie sind genervt, wenn Ihnen gegenüber immer das Judentum thematisiert wird. Warum?
Am Anfang habe ich das tatsächlich selbst total thematisiert, und das war nicht gut. Ich wusste nicht, dass ich dann so eine Rolle bekomme, dass ich komplett darauf reduziert werde: Man ist immer nur der jüdische Künstler. Jüdische, jüdische, jüdische. Antisemitismus, blablabla. Kein Bock drauf. Ich will kein Klischee, ich will keine Rolle spielen. Ich will ein weißer privilegierter Künstler sein, so wie ich auch aussehe. Ich will keine monothematische Comedy machen.
Anders als viele weiße privilegierte Männer reden Sie selbstkritisch. Sie sagen: Ich weiß nicht, ob die Show gut wird. Warum kokettieren Sie so mit dieser Unsicherheit?
Weil ich ehrlich sein will. Ich glaube schon, dass es gut ist, was wir machen. Aber ich bin da vorsichtig, weil ich Respekt vor diesem Handwerk habe. Ich nehme seit vier, fünf Monaten Schauspielunterricht, um mich vorzubereiten. Ich gehe drei bis fünf Mal pro Woche nach Drehschluss auf offene Bühnen und mache Comedy. Ich stecke da so viel Arbeit rein und hab vielleicht einfach Schiss, dass es floppt. Heute soll alles von Anfang an immer fucking perfekt sein. Aber man braucht Zeit, um etwas zu entwickeln.
Herr Shapira, wie macht man einen guten Witz?
Mit viel Arbeit.
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