Sexueller Missbrauch an Kindern: Ja zur Missbrauchsbeauftragten
Die Bundesregierung legte einen Gesetzentwurf für besseren Kinderschutz vor. Im Bundestag zeichnet sich am Freitag einmütige Zustimmung ab.
Das Amt der unabhängigen Anti-Missbrauchsbeauftragten gibt es schon seit 2010. Es wurde eingerichtet, als der Missbrauchsskandal in der Katholischen Kirche bekannt wurde. Erste Amtsinhaberin war Ex-Familienministerin Christine Bergmann (SPD), ihr folgte der Ministerialbeamte Johannes-Wilhelm Rörig (SPD). Seit 2022 ist die Journalistin Kerstin Claus (Grüne) unabhängige Bundesbeauftragte.
Nach 14 Jahren wird der Posten nun erstmals gesetzlich geregelt und damit zur dauerhaften Einrichtung. „Das ist ein klares Bekenntnis zum Kinderschutz“, sagte Familien-Staatssekretärin Ekin Deligöz (Grüne) bei der Vorstellung des Gesetzes im Bundestag.
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Anti-Missbrauchsbeauftragte auf Vorschlag der Bundesregierung vom Bundestag gewählt wird. Die Amtszeit soll fünf Jahre betragen, eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Die Beauftragte soll die Öffentlichkeit und Betroffene informieren und in der Öffentlichkeit das Bewusstsein für das Thema sexueller Missbrauch wachhalten. Einmal pro Wahlperiode soll die Beauftragte dem Bundestag Bericht erstatten und dabei auch Versorgungslücken und Versäumnisse aufzeigen.
Gesetzlich abgesichert werden nun auch der Betroffenenrat und die Aufarbeitungskommission bei der Missbrauchsbeauftragten. Die bis zu 18 Mitglieder:innen des beratenden Betroffenenrats werden ebenso wie die sieben Mitglieder der Aufarbeitungskommission von der Beauftragten berufen.
Hotline per Gesetz
Zudem wird der Bund durch das Gesetz verpflichtet, eine medizinische Kinderschutz-Hotline einzurichten. Hier sollen sich Ärzt:innen und Mitarbeiter:innen der Jugendhilfe kompetenten Rat holen können. Für Missbrauchsbetroffene wird ein Einsichtsrecht in ihre Jugendamts-Akten geschaffen. Die Akten müssen zwanzig Jahre aufbewahrt werden. Das Gesetz soll jährlich zu Mehrkosten in Höhe von 4,4 bis 7,4 Millionen Euro führen, die das Familienministerium von Lisa Paus (Grüne) übernimmt.
Für die CDU/CSU forderte die Abgeordnete Bettina-Margarete Wissmann eine Erweiterung der Aufgaben der Beauftragten. Diese soll auch Schutzkonzepte gegen sexuellen Missbrauch für gesellschaftliche Akteure wie die Kirchen erarbeiten. Heidi Reichinnek (Linke) forderte mehr Geld für die Jugendhilfe: „Wer überlastet ist, der übersieht.“
Lars Castelucci (SPD) schlug die Einrichtung einer „Bundesstiftung für die Opfer sexualisierter Gewalt“ vor. Über sie solle die Entschädigung von Opfern aller Bereiche nach einheitlichen Kriterien abgewickelt werden. Auch könnte dort eine Ombudsstelle für Streitfälle eingerichtet werden.
Der AfD-Abgeordnete Martin Reichert bezeichnete auch die „Frühsexualisierung“ von Kindern, etwa durch Aufklärung über Selbstbefriedigung, als „sexuellen Missbrauch“. Dies sei die Fortführung pädophiler Experimente. Für seine Äußerung, „heute sitzt diese perverse Sexual-Ideologie auf der Regierungsbank“ erhielt Reichert einen Ordnungsruf von Bundestags-Vizepräsidentin Yvonne Magwas (CDU). Reichert habe ein Verfassungsorgan „persönlich verächtlich gemacht“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind