piwik no script img

Sexuelle Übergriffe gegen FlüchtlingeKaum Schutz vor Gewalt

Der Missbrauchsbeauftragte Rörig fordert, den Asylkompromiss zu verbessern – für Frauen und Kinder in Flüchtlingunterkünften.

Auch hier braucht es schutz vor sexueller Gewalt: Notunterkunft für Asylbewerber in Dresden Foto: dpa

berlin taz | Ungeachtet des beigelegten Koalitionsstreits zum Familiennachzug von minderjährigen Flüchtlingen kritisiert der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung Johannes-Wilhelm Rörig das Asylpaket. Es enthalte keinerlei Schutz für Frauen und Kinder vor sexueller Gewalt in Flüchtlingsunterkünften, sagte Rörig am Donnerstag.

Genaue Zahlen über sexuelle Gewalt an Frauen und Kindern in Asyleinrichtungen gibt es nicht. Aber MitarbeiterInnen von Frauen- und Flüchtlingsberatungsstellen würden jede Woche aufgrund von sexueller und anderer Gewalt in Asyl- und Aufnahmeheime gerufen, sagte Rörig. Dem Bundeskriminalamt zufolge sind zwei Prozent der angezeigten Delikte in Sammelunterkünften Sexualstraftaten.

Rörig sagte, dass im Referentenentwurf zum Asylgesetz Maßnahmen formuliert waren, mit denen sexuelle Gewalt in Flüchtlingsunterkünften vermieden werden soll. Diese Passagen, darunter Vorschläge zu räumlichen Standards sowie separate Duschräume und Toiletten für Frauen und Männer, seien wieder herausgestrichen worden.

„Das halte ich für falsch“, sagte Rörig: „Da muss nachgebessert werden.“ Es sei „fahrlässig zu glauben, ein erweitertes Führungszeugnis für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Asylunterkünften“ schütze Bewohnerinnen ausreichend vor Übergriffen.

Um den Kinderschutz in muslimischen Einrichtungen zu verbessern, schlossen Rörig und Aiman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, eine Kooperationsvereinbarung. Es gelte, „Tabuisierungen, die es auch im muslimischen Umfeld gibt, aufzubrechen“, betonte Mazyek. So gibt es jetzt einen Informationsflyer zu sexuellem Kindesmissbrauch auf Türkisch, Arabisch und Deutsch.

Die EU-Kommission hat Deutschland gerügt, weil das Land eine EU-Richtlinie zum Schutz vor sexueller Gewalt an Flüchtlingen noch nicht umgesetzt hat

Besonders gefährdet seien minderjährige Flüchtlinge, die ohne Eltern hier sind. In Deutschland gibt es rund 60.000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. 4.500 von ihnen sind spurlos verschwunden. Rörig und Mazyek gegen davon aus, dass manche von ihnen kriminellen Organisationen zum Opfer gefallen sind, die sie zur Prostitution zwingen oder ihnen Organe entnehmen.

Unterdessen hat die EU-Kommission Deutschland gerügt, weil das Land eine EU-Richtlinie zum Schutz vor sexueller Gewalt an Flüchtlingen noch nicht umgesetzt hat. Die Richtlinie schreibt unter anderem Schutzstandards in Asyleinrichtungen vor. Deutschland hat zwei Monate Zeit, auf das Mahnschreiben zu reagieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Ja. Hauptsache prekräre Unterbringung. Alles andere ist politisch schwer vermittelbar, insbesondere vor Wahlen.

  • wie freundlich das klingt: den asylkompromiß verbessern.

    so freundlich wie: für subsidiär schutzberechtigte unbegleitete kinder+jugendliche in härtefällen den familiennachzug erlauben.

    nun darf also frau mit kind in härtefällen in ein extra-heim?

  • Ich finde es sehr merkwürdig das ich nie etwas lese über LGTB Probleme wo das in den Niederlanden sehr wohl ein Thema ist.

  • Gut das hier zu lesen und dass es mehr Beachtung erfährt! Dranbleiben finde ich wichtig, denn oft werden in Krisensituationen beschwichtigende Dinge gesagt, die aber, wenn erstmal das öffentliche Interesse abflacht, nicht umgesetzt werden. Da gilt es, meines Erachtens, auch genau hinzuschauen, um eventuelle Kriminelle auch unter den Verantwortlichen ausmachen zu können. Seit Operation Zucker, Jagdgesllschaften, wissen wir, dass gerade unter einflussreichen Menschen TäterInnen zu finden sind.

  • "....räumlichen Standards sowie separate Duschräume und Toiletten......" Das wird keinen Gewalttäter abhalten. Die Tür wird einfach eingetreten oder von innen versperrt. Es helfen nur Sicherheitsdienste, Prävention durch Aufklärung der Frauen und Minderjährigen und Strafverfolgung.

    • @Simon23456:

      "Sicherheits"dienste helfen gar nichts. Da können Sie ja gleich eine Bürgerwehr aufstellen.

      • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

        Wer soll für die Sicherheit in einer Unterkunft sorgen ?