Sexualisierte Gewalt im Sport: Was nun folgen muss

Ein Hearing vermittelte eine Ahnung, wie sehr Missbrauch, Gewalt und Diskriminierung im Jugendsport verbreitet sind. Nun braucht es Taten.

Jugendliche beim Fußballspiele

Kaum erkennbar, aber unübersehbar: Sexualisierte Gewalt ist ein Strukturproblem des Sports Foto: dpa/anspach

Der Aufschrei war groß und das völlig zu Recht. Dank eines Hearing in bei dem Betroffene eindringlich die sexualisierte Gewalt schilderten, die ihnen im alltäglichen Trainingsbetriebs des Jugendsports angetan wurde, weiß die Öffentlichkeit etwas mehr über das, was dort, zumindest partiell, Normalität ist.

Für den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) war dessen Vizepräsidentin Petra Tzschoppe anwesend. Sie relativierte oder bagatellisierte nichts, sondern bat im Namen ihres Verbandes um Entschuldigung und kündigte an, dass sich der DOSB an einem Fonds beteiligen will, der den Opfern zugute kommen soll.

Als erste Reaktion ist das zu begrüßen. Und auch in der Sache mögliches Nachkarten, dass doch vieles, eigentlich alles, vorher bekannt war und dass der DOSB dies alles hätte wissen müssen, wäre aktuell nicht angebracht. Was hätte Frau Tzschoppe auch sonst sagen können?

Wichtiges kommt von der Interessenvertretung „Athleten Deutschland“. Deren Sprecher Maximilian Klein betonte auch und gerade aus diesem Anlass, wie wichtig eine Selbstorganisation der Sportler und Sportlerinnen ist: „Dass sich betroffene Kaderathletinnen und -athleten in einer geschützten Atmosphäre austauschen können, besser vernetzen. Dass wir ihnen zuhören, von ihnen lernen und dann auch ihrer Stimme Gehör verschaffen.“

Von den Aktiven werden nur Erfolge erwartet

Der Umstand, dass ein so offensichtlich übergriffiges Regime an sexualisierter Gewalt so verbreitet ist, so intensiv ausgelebt wird und derart lange und derart selbstverständlich geschützt oder kleingeredet wurde, hat ja nicht nur etwas mit individuellem Versagen überforderter Vereinsfunktionäre zu tun. Es verweist ja vielmehr ganz eindeutig auf Machtstrukturen im Sport: Oben sind Trainer, Funktionäre und ihre politischen Stützen. Unten sind Athleten und Athletinnen, und je weniger deren Sportart medial präsent stark ist, desto weniger können sie sich Gehör verschaffen, wenn sie von den Gewaltverhältnissen in ihrem Sport berichten wollen.

Es sind keine Einzelfälle, es geht ganz eindeutig um Machtstrukturen im Sport

Was die Öffentlichkeit von Judoka, von Schwimmerinnen oder Eiskunstläuferinnen wissen will, ist vor allem ihre Medaillenbilanz alle vier Jahre, wenn Olympia ansteht. Was die Politik von ihn will, ist bedingungsloser Einsatz für eine guten Platz in der Nationenwertung. Und was die Sportpresse von ihnen will, sind konstruktive Beiträge zur besseren medialen Verwertung ihres Sports: Lächelnd, schön, jung, erfolgreich – sich so zu präsentieren, ist die Bedingung, um mal eine Homestory, ein TV-Porträt oder ein paar von Sponsoren finanzierte Werbeauftritte zu bekommen. Wer da kritisch über seinen Trainingsalltag spricht, fällt durch – zumal er oder sie vermutlich gar nicht nach oben käme: Auch das größte Talent wird ausgesiebt, wenn es im Verein als Troublemaker gilt.

Schon ist man wieder bei der Bedeutung einer starken Interessenvertretung, einer Art Sportlergewerkschaft. „Athleten Deutschland“ fordert nun „die proaktive Schaffung einer unabhängigen Institution für Safe Sport“. Dass dies die Lösung der massiven Probleme ist, von deren Größe wir in der zurückliegenden Woche so eindrücklich gehört haben, mag man infragestellen. Aber dass es aktuell eine sinnvolle Forderung ist, die, das ist noch wichtiger, von einer von den Verbänden unabhängigen Interessenvertretung formuliert wurde, dürfte unstrittig sein.

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Jahrgang 1964, Mitarbeiter des taz-Sports schon seit 1989, beschäftigt sich vor allem mit Fußball, Boxen, Sportpolitik, -soziologie und -geschichte

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