Sexismus in der Coronapandemie: Die Krise als Ausflucht
Frauenverbände beklagen, Corona verstärke Ungerechtigkeiten zwischen den Geschlechtern. Die Pandemie bedrohe erreichte Fortschritte.
![Medizinische Mitarbeiterinnen ndemonstrieren vor einem Krankenhaus Medizinische Mitarbeiterinnen ndemonstrieren vor einem Krankenhaus](https://taz.de/picture/4141835/14/25242761-1.jpeg)
Weltweit seien 75 Prozent der Beschäftigten im Gesundheitswesen Frauen, aber nur 25 Prozent von ihnen in Führungspositionen vertreten, schreibt das Netzwerk darin.
Durch die Jobs im Gesundheitsbereich seien Frauen verstärkt Infektionsgefahren ausgesetzt, aber schon Schutzanzüge gebe es oft nicht in Frauengrößen, sondern seien für Männer designt. Da Frauen derzeit weit überwiegend die Kinderbetreuung organisierten, stelle sie der Lockdown zudem auch dort vor besondere Herausforderungen. So könnten sie weniger Zeit in ihre berufliche Arbeit investieren, was zu Nachteilen in der Karriere führen könne. Das Risiko für häusliche Gewalt erhöhe sich durch Kontakteinschränkungen und Ausgangssperren zusätzlich.
Obwohl Frauen während der Pandemie also einen Großteil der Versorgungsarbeit leisteten, „sind sie als Expertinnen nur zu einem geringen Teil mit einbezogen“, kritisiert das Netzwerk. Die WGH forderte, Frauen paritätisch und interdisziplinär in Beratungs- und Entscheidungsgremien einzusetzen, um ihre Perspektiven hörbar zu machen: in Kommissionen, Beratungsstäben, aber auch auf Konferenzen oder in Talkshows.
In vorderster Reihe – aber nicht beim Gehalt
Zudem müssten Gesundheits- und Pflegeberufe gestärkt werden, so die WGH. Und schließlich müsse geschlechtersensible Forschung gefördert werden: Daten müssten gesammelt werden, um Forschungslücken zu identifizieren und Handlungsoptionen aufzuzeigen. Dafür gebe es auch in Deutschland „ausreichend qualifizierte Frauen, die gern ihre Perspektive und Expertise in den aktuellen Diskurs einbringen“, so das Netzwerk.
In der deutschen Sektion der WGH sind neben Wissenschaftlerinnen und Beraterinnen auch Politikerinnen wie Annette Widmann-Mauz (CDU) und die ehemalige Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) vertreten.
Konkret an die Bundesregierung richten sich am Dienstag 17 Frauenverbände, die bereits seit 2011 in einem überfraktionellen Bündnis namens Berliner Erklärung zusammengeschlossen sind. Die Coronakrise „legt nicht nur die bestehenden Defizite in der Gleichstellungspolitik offen, sie ist auch besorgniserregend für die gleichstellungspolitische Entwicklung in Deutschland“, schreiben die Verbände in einer gemeinsamen Erklärung.
Ihr Vorwurf: Die Krise werde als Ausflucht genutzt, um zentrale gleichstellungspolitische Vorhaben wie die Ausweitung des Gesetzes für mehr Frauen in Führungspositionen infrage zu stellen. Und die konkrete Befürchtung: Die angepeilten Maßnahmen würden in dieser Legislatur nicht mehr umgesetzt werden.
„Frauen stehen in vorderster Reihe, um die Krise zu bewältigen“, so die Präsidentin des Vereins Frauen in die Aufsichtsräte, Monika Schulz-Strelow. „Aber sie müssen auch vorne stehen, wenn es um Führungsverantwortung in der Wirtschaft und um gerechte Bezahlung geht.“ Die Verbände forderten unverändert eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen, gleiche Bezahlung und eine verbindliche und transparente Gleichstellungspolitik.
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