Sermin Riedel über Rassismus: „Ich war schon sehr schockiert“
Vor eineinhalb Jahren kamen rassistische und sexistische Vorfälle bei der Bremer Feuerwehr heraus. Nun spricht die Feuerwehr- und Polizeibeauftragte.
taz: Frau Riedel, Sie sind seit zwei Monaten Polizei- und Feuerwehrbeauftragte in Bremen. Wie steht es um die Aufarbeitung der Rassismus- und Sexismus-Skandale in der Bremer Feuerwehr?
Sermin Riedel: Ich warte noch darauf, dass die strafrechtlichen Verfahren und Disziplinarverfahren einen Abschluss finden und dass die Feuerwehr sich da noch mal positioniert. Dann werde ich mir angucken, ob, wie und wann ich tätig werden muss.
Können Sie denn sagen, ob sich die Situation in der Bremer Feuerwehr verändert hat?
Es hat schon viele Maßnahmen gegeben, solche Veränderungen kann man aber nicht von heute auf morgen abschließen. Bei allen Veränderungen kommt es auch immer wesentlich auf die Wirksamkeit und Kompetenz der Führungskräfte an. Wenn neue Impulse gesetzt und neue Prozesse nachhaltig in die Organisation integriert werden sollen, wird sich die Feuerwehr auch überlegen müssen, wie eine unterstützende und transparente Führungskultur weiterentwickelt werden kann und wer in Zukunft wie und warum Führungskraft wird. Mein Eindruck aber ist: Die Feuerwehr hat auf jeden Fall aus diesen Vorfällen gelernt.
Was sagen Sie zu dem aktuellen Vorfall, bei dem drei Männer klar erkennbar als Bremer Feuerwehr auf einer Coronademo – auf der auch Reichsbürger mitmarschierten – ein Schild gezeigt haben, auf dem Gesundheitsminister Karl Lauterbach ein Hitlerbärtchen trägt?
Die Feuerwehr hat sich sofort von dem Vorfall distanziert. Dort wird jetzt auch geschaut: Wie ist das zustande gekommen, was hat die Mitarbeiter dazu bewegt? Da ergibt es Sinn zu gucken, was bei der Aufarbeitung der Feuerwehr herauskommt. Die drei Mitarbeiter haben sich selber damit auseinandergesetzt, weil sie offenbar daran interessiert sind, dass das aufgearbeitet wird. Es hat wohl kein Problembewusstsein gegeben, aber jetzt gibt es das.
Richtig, die drei Feuerwehrmänner haben ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst angestrengt. Aber ist diese Reue überhaupt glaubhaft?
Sermin Riedel40, half bei der Neugründung des Bremer Ordnungsamtes. Ab 2020 leitete sie das Migrationsamt, bis sie 2022 das Amt der Polizei- und Feuerwehrbeauftragten übernahm.
Wir wissen am Ende nicht, was diese drei Menschen bewegt hat, darum zu bitten, dieses Disziplinarverfahren einzuleiten. Vielleicht haben sie tatsächlich darüber nachgedacht, was passiert ist. Um das herauszufinden, müsste ich mit den dreien sprechen. Ich warte aber wie gesagt erst einmal ab, was bei der Aufarbeitung der Feuerwehr herauskommt.
Hat die Bremer Feuerwehr ein strukturelles Problem mit Rassismus und Sexismus?
Wenn mit struktureller Rassismus gemeint ist, dass alle Mitglieder einer entsprechenden Organisation rassistisch sind, ist das natürlich Quatsch. Aber jeder Einzelfall ist eingebettet in eine Organisation und man muss gucken, ob diese negatives Verhalten fördert oder jedenfalls nicht genügend unterbindet. Das wäre dann strukturell und das müsste man dann ändern.
Wie haben Sie Ende 2020 die Skandale in der Feuerwehr wahrgenommen?
Ich war schon sehr schockiert. Man fragt sich: Wie kann es dazu kommen, das menschenverachtende Positionen in Dienstgruppen ausgetauscht werden? Mir selbst ist es total wichtig, dass Menschen respektvoll miteinander umgehen. Ich persönlich möchte nicht diskriminiert werden, ich möchte nicht diskriminieren. Und dass andere Menschen diskriminiert werden, möchte ich auch nicht. Das ist mir einfach wichtig und treibt mich an.
Ein Rechercheverbund aus Radio Bremen, NDR und Süddeutscher Zeitung deckte Ende 2020 rassistische und sexistische Vorfälle in der Bremer Feuerwehr auf.
Feuerwehrleute hatten eine rechtsextreme Chatgruppe unterhalten, in der vor allem 2015 der Naziherrschaft gehuldigt und nichtweißen Menschen der Tod gewünscht wurde.
Eine Feuerwehrfrau berichtete 2020 von Drohungen und heftigem Mobbing. Tonbandaufnahmen belegen, dass Feuerwehrmänner planten, ihre Kollegin zu verprügeln und dies zu vertuschen.
Eine Sonderermittlerin attestierte der Bremer Feuerwehr daraufhin einen autoritären und angstbesetzten Führungsstil.
Die Bürgerschaft beschloss Anfang 2021, die Position der Feuerwehrbeauftragten zu schaffen. Im März trat Sermin Riedel ihren neuen Job an.
Wie genau arbeiten Sie?
Meine Aufgabe ist, grob gesagt, auf konkrete und strukturelle Fehlentwicklungen zuschauen, die Organisationen Feuerwehr und Polizei zu begleiten und Maßnahmen zu empfehlen, die Veränderung bewirken können. Außerdem rede ich mit Beschwerdeführer*innen. So eine Beschwerde bei mir kann auch anonym oder vertraulich erfolgen. Das kommt vor allem dann vor, wenn Menschen sich selbst noch nicht sicher sind, wie sie das Erlebte einordnen und was sie jetzt tun können. Ich bin dann beratend tätig. Wenn der*die Beschwerdeführer*in es wünscht, kläre ich den Sachverhalt auf.
Was soll sich durch Ihre Arbeit verändern?
Ich würde mir wünschen, dass mit Kritik in Zukunft konstruktiv und im besten Fall lernend umgegangen wird. Dass sie nicht pauschal als Misstrauen empfunden wird oder als ein Hinweis auf ein etwaiges Versagen an irgendwelchen Stellen. Kritik schwächt nicht unsere Position, sie führt dazu, dass wir immer besser werden. Betroffene von Diskriminierung fragen sich, ob ihnen überhaupt zugehört wird, ob sie vielleicht sogar Konsequenzen fürchten müssen, wenn sie etwas sagen. Wir müssen Hinweise ernst nehmen. Das muss bei allen Akteur*innen und Betroffenen auch ankommen, damit sich eine entsprechende Feedbackkultur überhaupt entwickeln kann.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP