piwik no script img

Serie „Unwanted“ von Oliver HirschbiegelFlüchten auf dem Luxusliner

In der neuen Serie „Unwanted“ zeigt sich die ganze Gewalt des EU-Grenzregimes. Es ist eine bizarre Begegnung von Luxus-Urlaubern und Geflüchteten.

Unter Deck und außer Sicht: Geflüchtete auf dem Luxusdampfer in der Serie „Unwanted“ Foto: INDIANA Production/PANTALEON/Sky Italia

Die Geflüchteten auf dem Kreuzfahrtschiff „Orizzonte“ brechen in Jubel aus, als Kapitän Arrigo (Marco Bocci) durchsagt, dass er nun endlich Kurs auf Lampedusa nimmt. Haben sie es bald wirklich bis nach Europa geschafft? Oder ist das ein Trick, um die, wie der Serien-Titel „Unwanted“ schon sagt „ungewollten“ Gäste auf dem Luxusliner zu beruhigen?

Die 28 Geflüchteten in Oliver Hirschbiegels Serie „Unwanted“, die eine Bootshavarie im Mittelmeer überleben, bei der mehr als 100 Menschen ertrinken, werden von einem schicken Kreuzfahrtschiff aufgenommen, auf dem 5.000 Touristen Luxusurlaub machen. Die Überlebenden haben Angst, wieder nach Libyen abgeschoben zu werden, wo sie zuvor eingesperrt und einige gefoltert wurden.

„Unwanted“ zeigt in Rückblenden verstörende und brutale Bilder von den Fluchtrouten durch die Sahara und das nördliche Afrika. Die achtteilige Sky-Produktion basiert lose auf dem Sachbuch-Bestseller „Bilal: Als Illegaler auf dem Weg nach Europa“ (2007) des italienischen Journalisten Fabrizio Gatti, der Menschen auf der Flucht durch Nordafrika begleitete.

Verstörende Bilder von Fluchtrouten

Regisseur Oliver Hirschbiegel baut das dramaturgisch aus und inszeniert das bizarre Aufeinandertreffen konsumverwöhnter europäischer Touristen und traumatisierter Geflüchteten, deren große Sehnsucht darin besteht, europäischen Boden zu betreten, in der Hoffnung, so Armut, Hunger, Gewalt und Verfolgung hinter sich zu lassen.

Die Serie

„Unwanted“ läuft ab dem 3. November 2023 auf Sky.

Die Geflüchteten werden auf einem abgelegenen Deck untergebracht, um die Urlauber nicht zu stören. Viele europäische Passagiere interessieren sich bald für das Schicksal der Geflüchteten. Im Stil einer Kreuzfahrt-Freizeitaktivität wird ein Treffen von Urlaubern und Geflüchteten organisiert.

Das Mitgefühl der Passagiere mit den Fluchtschicksalen hat aber voyeuristischen und konsumartigen Charakter. Die Beziehungen, die entstehen, sind hierarchisch und nutzbringend für die europäischen Urlauber. Die Serie fächert in geschickt miteinander verwobenen Erzählsträngen und Rückblenden die Geschichten der Menschen an Bord auf.

Mitgefühl mit voyeuristischem Charakter

Über allem schwebt die Sorge, wieder in Libyen zu landen. Und genau dorthin soll sie der Kapitän bringen, bis auf der Brücke des Luxusliners eine erbitterte Auseinandersetzung mit der ersten Offizierin Edith (Jessica Schwarz) ausbricht, die sich über die Regeln hinwegsetzt, NGO-Schiffe kontaktiert und mit ihrer Chuzpe wie eine Hommage an Carola Rackete in weißer Traumschiffuniform wirkt. Als die Geflüchteten erfahren, dass sie wieder nach Libyen sollen, kapern drei von ihnen die Brücke des Schiffs.

Hirschbiegels Serie gibt den Schutz suchenden Menschen ein Gesicht und zeigt, wie viel Leid und Gewalt das EU-Grenzregime erzeugt. Auch wenn die Eskalation am Ende der Serie überspitzt wirkt, zeigt Fernsehen selten so harsche Kritik am Rassismus europäischer Wohlstandsbürger gegenüber Menschen auf der Flucht.

Dabei postuliert die Serie beim Streit zwischen Kapitän und erstem Offizier, dass es immer eine Möglichkeit gibt, sich den Sachzwängen zu entziehen und gegen unmenschliche Regeln anzukämpfen. Das bietet eine überraschend kämpferische Perspektive auf dieses gesellschaftspolitische Thema.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!