Serie „Star Trek: Lower Decks“: Beam me down, Scotty!
Der Weltraum mal unglamourös? Die Serien „Star Trek: Lower Decks“ und „Moonbase 8“ erzählen vom Alltag von Normalo-Astronaut:innen.
Der Weltraum, unendliche Weiten. Aber darf man im Weltraum auch unendlich breit sein? Etwa auf eine Runde Frozen Margaritas, wie sie sich die jungen Fähnriche, frisch von der Sternenflotten-Akademie, in der neuen animierten Serie „Star Trek: Lower Decks“ genehmigen?
Weltraumabenteuer, das waren lang die pathetischen Verlängerungen des Westerns in die nächste Dimension: Als die europäischen Eroberer ganz im US-Westen angekommen waren, in Kalifornien, blieb ihnen nur noch die Verlagerung, um nicht zu sagen: das Beamen, der Entdeckungs- und Eroberungsschauplätze in den Weltraum – natürlich von Kalifornien, von Hollywood aus. Der Revolverheld, der John Wayne der Zukunft – das war der Typ, der die Aliens zum Wohle der Menschheit wegballert.
Im Science-Fiction-Klassiker „Star Trek“ verhielt es sich von Beginn an anders: Hier lag Utopia im All. Captain Kirk in der Originalserie (1966–1969) und, mehr noch, Captain Picard im Nachfolger „Raumschiff Enterprise: Das nächste Jahrhundert“ (1987–1994) waren, im Auftrag der antirassistischen, antikapitalistischen, kurzum humanistischen Planetenföderation keine Haudraufs, sondern weltoffene Erkunder – auf Mission, dorthin zu fliegen, wo noch nie ein Mensch zuvor gewesen ist, und friedlich den Kontakt mit fremdem Leben zu suchen.
Doch auch sie: Lichtgestalten, die man anhimmelt. Die neuen Sci-Fi-Serien „Star Trek: Lower Decks“ und „Moonbase 8“ zeigen hingegen keine solchen heroischen Überflieger:innen, sondern mittelmäßige Normalo-Astronaut:innen auf Nebenschauplätzen. Was ist denn da los?
USS Cerritos statt Raumschiff Enterprise
In „Star Trek: Lower Decks“, (Amazon Prime) der neuesten, animierten Serie im „Star Trek“-Franchise geht es um vier junge Sternenflotten-Ensigns, darunter die ultrademotivierte Becket Mariner (heimlicherweise die Tochter des Captains) und der tollpatschige Streber-Weirdo Brad Boimler. Sie arbeiten keineswegs, wie es gute „Star Trek“-Tradition wäre, auf dem berühmten Flaggschiff Enterprise, sondern auf der USS Cerritos, einem völlig unwichtigen Raumschiff.
„Star Trek: Lower Decks“, ab 22. Januar bei Amazon Prime
„Moonbase 8“, seit 19. Januar bei Sky Ticket
Denn, anders als die Enterprise, stellt die Cerritos keine Erstkontakte mit fremden Spezien her, sondern kümmert sich um den langweiligen Papierkram danach à la: „Wie schreibt man diesen Planeten noch mal richtig?“ Nicht genug der Schmach: Die Protagonist:innen aus „Lower Decks“ sind nicht mal Teil der Brückencrew, der Führungsoffiziere, wie man es bei „Star Trek“ kennt, sondern arbeiten, wie es der neue Serienableger schon im Titel triggert, auf den lower decks, den tieferen Raumschiff-Stockwerken – den billigen Plätzen: Sie nächtigen unweit der Schallduschen in viertklassigen Schlafkajüten, die jeder Jugendherberge zu peinlich wären.
Davon könnten die Protagonisten der Sky-Serie „Moonbase 8“ nur träumen: Anders als man anhand des Titels meinen könnte, sind sie keineswegs auf dem niedlichen Erdtrabanten stationiert, sondern in einem Astronauten-Vorbereitungscamp auf einem Gelände, das nur ungefähr so ausschaut wie der Mond: die Wüste von Arizona. Ob sie es jemals auf den echten Mond packen?
Eigentlich sind die drei Dudes ziemlich beste Taugenichtse: Cap aus Hawaii ist bankrott und flieht vor seinen Geldeintreibern. Skip ist Astronaut, weil, na ja, sein Papa war halt auch schon Astronaut. Und Rook, der Religiöse, ist deshalb motiviert, zum Mond durchzustarten, weil er die Botschaft Gottes in das Universum tragen will. Kam sie da nicht eh her?
Inspiriert von Donald Trump
„Moonbase 8“ ist nicht allein damit, mit dem Szenario zu spielen, dass wir vielleicht bald wieder auf den Mond fliegen: Auch die Serie „Space Force“ (Netflix) griff 2020 humoristisch die imperialistische Idee und Geste von Donald Trump auf, dass US-Ameriker:innen bald wieder den Mond besteigen sollten. All diese neuen Serien betreiben indes eine Dekonstruktion von Heldentum: Raumschiffmissionen erscheinen nicht mehr so weltverändernd wie noch in den fortschrittsoptimistischen, vom Aufbruch besessenen 1960er Jahren.
Die drei in „Moonbase 8“ kochen Rührei, strampeln auf dem Heimtrainer, pflegen die Laborratte Jeremy und umarmen sich, damit die Isolation nicht zu schlimm wird. Bei all dem tun sie geradezu besessen so, als wären sie jetzt aber in ganz echt auf dem Mond, wirklich. Sie nehmen ihren Traum auf eine anrührende Weise ernst.
Die Fähnriche in „Lower Decks“ machen allen Mistkram, auf den die Oberen keinen Bock haben. Wenn sie doch mal an einem Abenteuer mit einer Schleimspinne, sprechenden Hunden, fiesen Parasiten oder anderen beleidigten Aliens teilhaben dürfen, dann meist nur durch einen (un-)glücklichen Zufall. Die Männer in „Moonbase 8“ sind schon überfordert, wenn ein Skorpion aufkreuzt oder Waschbären ihren Müll plündern – oder ihnen das Wasser ausgeht und sie dann filtrierte Pisse trinken müssen. Prost!
Zum Glück steht noch eine Flasche Champagner im Eisfach – eigentlich gedacht für einen gloriosen Moment. Beide sehenswerte, wenn auch passenderweise nicht herausragende Serien bauen ihren Humor auf der Tatsache auf, dass die Charaktere im konventionellen Sinne, gesellschaftlich wie popkulturell-erzählerisch, vernachlässigte Underdogs sind. Aber die Witze in den Serien sind (fast) nie gehässig, sondern neckisch-liebevoll.
Fanservice-Referenzen
Bei „Lower Decks“ überschlagen sich die Plotpoints, gespickt mit Fanservice-Referenzen auf vorige „Star Trek“-Serien, und man parliert in derber Sprache. „Moonbase 8“ zelebriert eher lakonisch das Nichtpassieren. Beide Comedy-Serien lassen an ein Gedicht von Bertolt Brecht denken: „Fragen eines lesenden Arbeiters“ von 1935: „Wer baute das siebentorige Theben? / In den Büchern stehen die Namen von Königen. / Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt?“ Spoiler: Haben sie nicht. „Wohin gingen an dem Abend, wo die Chinesische Mauer fertig war / Die Maurer?“, fragt Brecht auch. Wahrscheinlich auf die Lower Decks.
Brecht beklagt, dass wir Geschichte allzu oft aus der Sicht der Herrschenden erzählen. Was wäre, wenn wir uns Geschichten erzählten von Menschen, die unten schuften – und Sorgen haben, die nicht gleich die Welt bedeuten? Beide Serien, „Lower Decks“ und „Moonbase 8“, regen, obwohl primär Comedy, zum Umdenken, Umschreiben von sogenannten Held:innengeschichten an: Es ist voll okay, nicht Will Smith oder Tom Cruise zu sein und pathetisch Aliens wegzuballern. Ein Mensch, der in der Arizona-Wüste davon träumt, zum Mond zu starten, ist nicht minder liebens- und erzählenswert. Beam us down, Scotty!
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