Senatswahlen in Chile: Die Mutige
Fabiola Campillai kommt aus der Arbeiterschicht und erblindete nach einem Tränengaseinsatz der Polizei – jetzt zieht sie in den chilenischen Senat ein.
„Ich werde ein würdevolles Leben für unsere Bevölkerung verteidigen, die Gesundheit und die Bildung, die unseren Kindern heute verweigert wird“, sagte sie am Wahlabend im Radiosender BioBio.
„Ich kämpfe seit zwei Jahren für Gerechtigkeit und bis heute habe ich sie nicht erhalten. Es muss Gerechtigkeit für uns geben, dafür werde ich mich einsetzen“, sagte sie weiter. Campillai ist eine von über 460 Menschen, die während den Protesten in Chile 2019 und 2020 von der Polizei teilweise oder vollständig erblindet wurden.
Viele von ihnen können nicht mehr arbeiten und mussten sich verschulden, um teure Augenoperationen bezahlen zu können. Die Regierung hat ihnen keinerlei Hilfe zukommen lassen und die verantwortlichen Polizisten wurden bis heute nicht verurteilt. Weder Vetreter der Regierung noch der Carabineros haben Campillai kontaktiert, ums ich bei ihr zu entschuldigen.
Eine Politikerin aus der Arbeiter*innenschicht
Patricio Maturana, der Polizist, der Campillai verletzte, hatte aus 50 Metern Entfernung auf sie geschossen. Einer Studie zufolge hatte die Tränengasgranate eine Temperatur von etwa 200 Grad, als sie Campillai ins Gesicht traf. Anstatt ihr zu helfen, verließen die Polizisten den Tatort. Die Nachbarn mussten Campillai ins Krankenhaus bringen.
Maturana befindet sich zurzeit in Untersuchungshaft, während die Ermittlungen gegen ihn laufen. Der Rechtsextreme José Antonio Kast, der die meisten Stimmen bei den Präsidentschaftswahlen erhielt und gegen den ehemaligen Studierendenführer Gabriel Boric in der Stichwahl im Dezember antreten wird, hat sich mehrfach für die Freilassung des Polizisten Maturana ausgesprochen.
Campillai kommt aus San Bernardo, einem Arbeiter*innenviertel am Stadtrand von Santiago. Es ist eine der drei Stadtgemeinden mit den höchsten Armutsraten der Region. Sie war einst Mitglied der freiwilligen Feuerwehr, spielte Fußball, engagierte sich in ihrem Stadtviertel und arbeitete in einer Fabrik des Lebensmittelherstellers Carozzi.
„Stellt euch vor, wie die Elite reagiert, wenn eine farbige Frau, eine Arbeiterin, eine vom Staat Erblindete in den Senat einzieht“, hatte sie vor ihrer Wahl zum Online-Medium Interferencia gesagt. Der chilenische Senat ist traditionell elitär und konservativ geprägt und in dem Zweikammerparlament die Kammer, die in der Vergangenheit häufig soziale Reformen blockiert hat.
Campillai will sich für die Rechte der Arbeiter*innenschicht und die Forderungen der Protestbewegung einsetzen: Ein gerechtes Bildungs- und Gesundheitssystem, würdevolle Löhne und Renten. Mit der Wahl zur Senatorin haben die Wähler*innen ihr ein kleines Stück Würde und Gerechtigkeit gegeben, die die Regierung und die Polizei ihr genommen haben.
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