Senat zögert bei teurerer Parkvignette: Wenn schon, denn schon
Der Staat muss Autofahrern das Parken nicht erleichtern. Tut er es doch, sollte er dafür viel, viel mehr berechnen als bislang 10,20 Euro jährlich.
K ann es sein, dass die schwarz-rote Koalition und vor allem die CDU-geführte Senatsveraltung für Verkehr wirklich alles tut, um den Vorwurf der Autofreundichkeit zu bestätigen, der ihr seit Amtsantritt anhängt? Was damit begann, dass auch fast fertige Radwege auf der Kippe standen, geht nun damit weiter, dass der Senat sich, sehr freundlich gesagt, mit einer angemessenen Gebühr für das Anwohnerparken schwertut.
Dieses kostet bislang – kein Witz – 10,20 Euro im Jahr. Knapp 12 Quadratmeter öffentlichen Raums gibt es also für 12 Monate zum Preis von zwei großen Bieren oder einmal Kino. Zwar waren Gebühren fürs wohnungsnahe Parken bis Mitte 2020 bundesweit gesetzlich gedeckelt. Aber 30 Euro jährlich, also das Dreifache, wären auch da schon erlaubt gewesen.
Die rot-grün-rote Vorgängerregierung hatte vorsichtig daran gedacht, daraus 120 Euro zu machen. Aber dem hat Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) am Dienstag eine Absage erteilt: „120 Euro werden es bestimmt nicht.“ Das warf in jener Pressekonferenz zu Recht die Frage auf, ob dem Senat bekannt sei, wie teuer Anwohnerparken in anderen Metropolen sei – Berlin sieht sich ja gern als Weltstadt. In Zürich werden nämlich umgerechnet rund 308 Euro fällig, in Amsterdam 535 Euro und in Stockholm 827 Euro.
Ja, rein rechnerisch wären 120 Euro fast zwölfmal so viel wie bislang. Und diese Vervielfachung löste schon im Wahlkampf und davor Skepsis bis Ablehnung aus. Während man bei der Linkpartei an eine Staffelung je nach Einkommen dachte, sah Kai Wegner (CDU) als damaliger Oppositionsführer und heutiger Regierungschef Abzocke von Autofahrern und eine Steigerung, die “für viele Berliner sehr hoch sei“.
Was Wegner dabei völlig außer Acht ließ: Es ging und geht nicht darum, einen Vereinsbeitrag oder eine Theaterkarte zwölfmal so teuer zu machen und damit Zugangshürden aufzubauen. Es geht stattdessen um eine zusätzliche Ausgabe bei der Entscheidung, sich mit dem Auto durch die Stadt zu bewegen. Diese Entscheidung aber ist mit einer viel, viel größeren Ausgabe verbunden. Für einen Neuwagen gaben Autofarer in Deutschland vergangenes Jahr durchschnittlich rund 34.000 Euro aus, bei Gebrauchtwagen waren es 18.800 Euro. Die monatlichen Unterhaltskosten liegen im Schnitt bei mindestens 350 Euro.
Unsozial? Nein!
34.000 Euro. 18.800 Euro. Mehrere hundert Euro pro Monat, damit der Wagen überhaupt fahren darf und fahrfähig bleibt. Und angesichts dieser Summen sollen dann zehn Euro monatlich für eine Anwohner-Parkvignette unsozial, schwer verträglich und Abzocke sein? Die Antwort darauf ergibt sich bei diesem Größenverhältnis von allein, aber sie sei hier nochmal aufgeschrieben: Nein, es ist nicht unsozial, wenn jemand, der ein Vieltausendfaches in den Kauf eines Autos stecken konnte, nun 10 Euro dafür zahlen muss, es wohnungsnah abstellen zu dürfen.
Eine Frage stellt sich noch ganz grundsätzlich: Wieso dürfen Autos überhaupt im öffentlichen Raum stehen? Ja, es gibt das, was als Daseinsvorsorge bezeichnet wird: Der Staat hat vor allem für Sicherheit, Bildung, Energieversorgung und Unterstützung für die zu sorgen, die es aus eigener Kraft nicht schaffen. Wie stark das jeweils passiert, ist Ansichtssache und bildet sich im Parteienspektrum ab.
Was nach gängigen Definitionen nicht zur Daseinsvorsorge gehört und weder im Grundgesetz noch in den Zehn Geboten steht: 12 oder mehr Quadratmeter wertvollen öffentlichen Raums für ein privates Auto zur Verfügung zu stellen. Warum müssen die nicht verpflichtend und weit platzsparender in vielgeschossigen Parkhäusern stehen oder auf eigenen Grundstücken oder Flächen von Vermietern? Warum dürfen Autos selbst die schönste Straßenecke zuparken? (Was dann immer für ein Aha-Erlebnis sorgt, wenn für Filmaufnahmen mal das Parken verboten und die Straße autofrei zu erleben ist.)
Es ist eine rein politische Entscheidung zu sagen: Ja, auch in der Stadt gestehen wir die Nutzung öffentlichen Raums als Parkplatz zu. Das aber kann sich der Staat dann auch gut bezahlen lassen und das eingenommene Geld dafür verwenden, den hier nun belegten öffentlichen Raum an anderer Stelle schöner zu gestalten.
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