Semesterstart an den Universitäten: „Mein Ziel ist Präsenz“
Hauke Heekeren ist seit kurzem neuer Präsident der Uni Hamburg. Er setzt alles daran, dass Studierende wieder vor Ort lernen.
taz: Herr Heekeren, wie geht es Ihnen als neuer Präsident der Universität Hamburg?
Hauke Heekeren: Es ist genau die spannende Aufgabe, die ich erwartet hatte, in einer wunderschönen Stadt mit einer spannenden Wissenschaftsszene.
Sie waren ja ursprünglich mal Spitzenforscher?
Ich bin Neurowissenschaftler und habe mich damit beschäftigt, was im Gehirn passiert, wenn wir Entscheidungen treffen.
Was bewog Sie dann, in die Hochschulleitung zu gehen?
Die Freude am Gestalten und der Wunsch, für die Uni insgesamt Verantwortung zu übernehmen. So war ich an der FU Berlin zunächst Dekan der Erziehungswissenschaften und später Vizepräsident für Studium und Lehre. Jetzt bin ich seit einem halben Jahr Präsident der Uni Hamburg, und das mit großer Freude.
Nun startet das Wintersemester. Bleiben trotz Corona und Gaskrise die Hörsäle auf?
Ja. Es ist mein Hauptziel für das Wintersemester, dass Uni in Präsenz stattfindet. Einfach weil es wichtig ist, dass es Gelegenheit gibt, sich zu treffen. In Lehrveranstaltungen, aber auch in der Mensa, bei Konzerten oder in der Kneipe. Und sollte sich im pandemischen Geschehen etwas tun, haben wir dafür drei Szenarien entwickelt.
51, ist Professor für Biologische Psychologie und Kognitive Neurowissenschaft und seit 1. März Präsident der Universität Hamburg
Was für Szenarien?
Bleibt die Situation so, wie sie ist, haben wir keine Maskenpflicht und keine Abstandsregel im Hörsaal. Wir empfehlen natürlich allen, geimpft zu sein, und gehen davon aus, dass Menschen mit Erkältungssymptomen sich testen und bei positivem Ergebnis zu Hause bleiben. Sollte sich das pandemische Geschehen verschlechtern, haben wir gelernt, wie wir alle Uni-Angehörigen schützen können. Wird es notwendig, führen wir etwa eine Maskenpflicht im Hörsaal ein.
Mit Medizinischer Maske?
Genau. Mir ist wichtig, dass unsere Strategie eine wissenschaftsgeleitete ist, die wir unter anderem auch mit Expertinnen und Experten des UKE entwickelt haben. Auch für die Energieversorgung haben wir Szenarien entwickelt, je nachdem wie sich die Lage ändert. Also wann wir etwa in den Gebäuden die Temperatur senken oder warmes Wasser reduzieren. Beides mit dem Ziel, dass die Univeranstaltungen in Präsenz stattfinden.
Uni fand über ein Jahr nur online statt. Taten Ihnen die Studierenden leid?
Ich war auch in Berlin mit für das Pandemiemanagement zuständig. Da haben wir uns bemüht, für alle sichere Bedingungen zu schaffen. Für meinen Geschmack haben sich die Hochschulen in Deutschland schwergetan, wieder in den Präsenzbetrieb zurückzukehren. Was mich beschäftigt: Dieses reine Online-Studium hatte gravierende Auswirkungen im psychosozialen Bereich, gerade für die, die beengt wohnen oder in schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen leben.
Litt in dieser Zeit der Studienerfolg? Weiß man das?
Ja, sicher. Es kam zu Verzögerungen. Alle Hochschulen unternahmen große Anstrengungen, um das abzupuffern. Es fanden sowohl in Berlin als auch in Hamburg viele zusätzliche Beratungen statt. Aber klar ist, dass die Studis weniger Prüfungen ablegten. Bei diesen war die Durchfallquote insgesamt geringer. Also ein gemischtes Bild.
Nun sagt Hamburgs Schulsenator, es gingen zu viele an die Uni, das sehe man an den Abbrechern. Stimmt das?
Der Schulsenator spricht ein wichtiges Thema an: Den Übergang von der Schule auf die Universität. Das beschäftigt alle Hochschulen und damit natürlich auch uns als Uni Hamburg. Wir müssen ins Gespräch kommen, wie wir sicherstellen, dass die Schulabgänger bestmöglich aufgestellt sind, um erfolgreich ein Studium meistern zu können. Und was auch wir Unis leisten können, damit sie gut ins Studium finden.
Es gibt die hohen Abbruchquoten schon lange.
Es ist bekannt, dass nicht alle Studienanfänger*innen ihr Studium zu Ende führen. Wir wissen aber nicht, warum, oder was die Studierenden dann machen. Deswegen sprechen wir an der Stelle nicht so gerne von Studienabbruch. Die Menschen wählen nach einer Orientierungsphase an der Universität vielleicht einen anderen Bildungsweg für sich. Ich wüsste gerne mehr über die Ursachen. Von unserer Studienberatung höre ich, dass die Ratsuchenden dort häufig Überforderung schildern. Einerseits, sich im studentischen Leben zurechtzufinden, teilweise aber auch, was das Finanzielle angeht oder die Jobbelastung.
Beginnen mehr junge Menschen ihr Studium, als später Akademiker gebraucht werden?
Das sehe ich nicht so. Wir haben einen hohen Bedarf an Akademikern. Wir sehen, dass diejenigen, die ein Studium abschließen, auch eine extrem hohe Wahrscheinlichkeit haben, Arbeit zu finden. Wir haben hier eine sehr geringe Arbeitslosenquote.
Dass man zu wenig über Abbruch wisse, sagten Ihre Vorgänger auch. Kommt man bei der Frage nicht voran?
Die Diagnose kann man stellen. Es ist deutschlandweit so, dass man sich auf einer bestimmten Quote eingependelt hat. Das deutet darauf hin, dass man noch mal gucken muss, wie man das verbessert. Jetzt freuen wir uns aber erst einmal sehr, dass das Wintersemester losgeht und der Campus sich wieder füllt. Wir hatten neulich einen Vorgeschmack darauf, als Otto Waalkes nach genau 50 Jahren hier wieder aufgetreten ist. Das Audimax war ausverkauft, der Campus belebt. Und genau so stelle ich mir das im Wintersemester vor. Und so wird es auch sein. Wir setzen alles daran, dass wieder Campusleben stattfindet und dass die Hörsäle und die Seminarräume gut gefüllt sind mit Menschen, die mit Begeisterung ihr Studium aufnehmen.
Der Sänger Otto feierte sein Bühnenjubiläum im Audimax?
Ja. Das Konzert war der Auftakt eines wissenschaftlichen Projekts. Wir möchten die Geschichte der Hamburger Musik der 70er und 80er Jahre beleuchten unter Beteiligung der Bevölkerung. Dafür suchen wir Quellen aus der Zeit. Konkret bitten wir Hamburger, die noch Poster, Platten oder anderes Material aus der Zeit haben, etwa von Otto-Konzerten oder Konzerten mit Deep Purple: Bringen Sie die bei uns im Universitäts-Museum vorbei. Wir haben dort ein Labor eingerichtet und zeigen, wie wir mit solchen Quellen umgehen. Sie können dann Teil der Ausstellung werden. Wir wollen Menschen so auch die Gelegenheit geben, mit der Uni in Kontakt zu kommen.
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