Selbstverwaltete Kinderläden in Berlin: Miethaie kennen keine Gnade
In Berlin gibt es fast tausend selbstverwaltete Kinderläden. Der angespannte und kaum regulierte Gewerbemietmarkt bedroht ihre Existenz.
Fast ein Drittel der 2.900 Kitas in Berlin sind selbstverwaltete „Kleinsteinrichtungen“, hier werden 34.000 von 170.000 Kita-Kindern betreut. Kinderläden gibt es seit Anfang der 1970er Jahre, in Ortsteilen wie Kreuzberg prägen sie seitdem das Stadtbild. Doch auch ihnen droht die Verdrängung durch Kündigung oder drastische Mieterhöhungen, berichtet Babette Sperle, Sprecherin des Dachverbands der kleinen Kindertagesstätten (DaKS), der zum Aktionstag aufgerufen hat.
Auch der benachbarte Kinderladen Cuvrybande nimmt am Aktionstag unter dem Motto „Wir bleiben alle“ teil. Während die Kinder draußen rennen und tanzen, findet drinnen ein Pressegespräch mit Erzieherinnen und Politiker*innen statt.
Die Cuvrybande existiert seit 2008. Nun will der Eigentümer die Miete auf eine „ortsübliche, zeitgemäße Gewerbemiete“ erhöhen. Das bedeute eine Verzehnfachung der bisherigen Miete, erzählt eine Erzieherin. Sie berichtet von Existenzängsten und Ungewissheit, hofft auf die Politik – und dass der Vermieter „ein Herz für Kinder“ hat.
Gewerbemietverträge einfacher kündbar
„Der Markt torpediert den sozialen Zusammenhalt“, kritisiert die Grünen-Abgeordnete Katrin Schmidberger. Gewerbemietverträge seien einfacher kündbar, wodurch Mieter*innen komplett dem Markt ausgesetzt seien. Für den angespannten Gewerbemietmarkt sei ein Mietendeckel nötig. Der Jugendstadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Max Kindler (CDU), erklärt, für Bestandsschutz sei der Bund zuständig. Das Land Berlin wolle sich im Bundesrat dafür einsetzen, doch zwischen den Ländern gebe es keine Einigung.
Der Kampf gegen Verdrängung und die steigenden Anforderungen belastet die meist ehrenamtlich arbeitenden Kinderladen-Initiativen. Babette Sperle vom DaKS berichtet von einer „Grunderschöpfung“. Sie fordert vom Land Berlin, „den Verwertungsdruck für die landeseigenen Immobiliengesellschaften zu reduzieren, damit sie Gewerberäume zu bezahlbaren Mieten an soziale Einrichtungen vermieten können“.
Außerdem regt sie an, dass Gewerbeimmobilien durch landeseigene Vermieter*innen vorrangig an Einrichtungen zur Daseinsvorsorge vermietet werden: an Schülerläden, Seniorentreffs, Arztpraxen und eben Kitas. Auf Bundesebene schlägt sie eine Änderung des Baurechts vor. Die Bauämter könnten dann über die Nutzungsgenehmigungen eingreifen.
Auf einem Spielplatz haben Kinder eine Performance vorbereitet: „Vermieter, Vermieter, wie hoch ist die Miete?“, rufen sie. „Fünf Euro!“, erwidert ein Mädchen mit Pelzmütze. „Wie sollen wir das bezahlen?“ „Schwimmen“, befiehlt es, und die Kinder paddeln durch den Sand. Je höher die Mietforderung, desto größer sind die Ansprüche an die Kinder: Am Ende sollen sie über Wasser fliegen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Streit in der SPD über Kanzlerkandidatur
Die Verunsicherung
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen