Selbstversuch: Plastik raus aus meinem Leben

Bei der „Zero Waste Challenge“ der Hamburger Naturschutzjugend geht es darum, vier Wochen lang so wenig Plastikmüll wie möglich zu produzieren.

Was an Plastik übrig bleibt: die Müllhalde von Woche vier. Foto: Miguel Ferraz

HAMBURG taz | Plastik ist schlecht. Für die Umwelt, für die Tiere, für uns Menschen. Es ist aber leider verdammt praktisch und manchmal unvermeidbar. Ich wollte mich dennoch der Herausforderung stellen, vier Wochen lang so wenig Plastikmüll wie möglich zu produzieren. Bei der „Zero Waste Challenge“ der Naturschutzjugend (Naju) Hamburg habe ich jede Woche mein Plastik gewogen und die einzelnen Stücke gezählt, um Bilanz zu ziehen. Bei der Challenge machten insgesamt 76 Teilnehmende als Einzelkämpfer oder in einer Gruppe mit, die Ergebnisse wurden wöchentlich von der Naju als Diagramm nach Gewicht und Stückzahl veröffentlicht.

Innerhalb der Challenge habe ich nur Platz 26 (Gewicht) und 27 (Stückzahl) von 29, ich konsumiere aber seit dem Ende der Challenge bewusster als zuvor. Über den Zeitraum habe ich ein Tagebuch geführt, das festhält, was mir schwer gefallen ist und was total einfach umzusetzen war.

Erste Woche: 230 Gramm Plastik

Zu Beginn will ich Neues ausprobieren. Die Auftaktveranstaltung gibt mir viel Input, den es umzusetzen galt. Ich besuchte den Unverpackt-Laden Bio-lose in Hamburg. Hier gibt es all das zu kaufen, was im Supermarkt meist unnötig in Plastik verpackt ist: von Pasta, Reis, Mehl, Molkereiprodukten und Wein über Tee und Kaffee, Gewürzen und Süßigkeiten bis hin zu Non-Food-Artikeln wie Edelstahl-Trinkhalme, Bio-Seifen, Zahnseide im Glasflakon und Menstruationstassen. Obst, Gemüse und Brot gibt es natürlich auch. Ich habe noch wenig Erfahrung mit den Non-Food-Artikeln, ich fülle mir das Waschmittel ab und nehme die unverpackte Seife mit.

In meinem alltäglichen Konsum bemerke ich schnell banale Angewohnheiten, die leider nicht plastikfrei sind – wie etwa, Brötchen an der Selbstbedienungstheke im Supermarkt zu kaufen: Hier klebt an der Papiertüte Plastik, was besonders problematisch ist. Denn Mischstoffe werden in den meisten Haushalten nicht getrennt sondern zusammen entweder in den Plastikmüll oder in den Restmüll geworfen.

Eine weitere Problematik tut sich auf: Ich lebe vegan. Und ich liebe vegane Nuggets. Vegane Alternativen gibt es bis dato nur in viel Plastik eingeschweißt, und auch Pflanzenmilch finde ich nur in Tetra Pak. Darauf will ich über die Wochen nicht verzichten, habe meinen Konsum aber eingeschränkt.

Zweite Woche: 370 Gramm Plastik

In der zweiten Woche mache ich ziemlich viel selbst. Meine Küche füllt sich mit unverpackten Nahrungsmitteln, und auch in meinem Bad war schon mal mehr Plastik zu finden.

Die einzelnen Shampoo- und Duschgelflaschen müssen der einen Seife weichen, was praktisch auch besser klappt als gedacht. Plastikfrei zu konsumieren vereinfacht auch. Wozu ich etwa unzählige kleine und große Plastikflaschen gebraucht habe, kann ich mir nach den vier Wochen nicht mehr erklären.

Da ich kein Freund von sogenannten Denttabs bin und mit einer hohen Wahrscheinlichkeit nicht mehr werde, besitze ich nun eine Bambuszahnbürste mit recyclebaren Borsten, meine Zahnpasta mache ich mir aus Natron selbst. Daraus lässt sich zudem super einfach Spülmittel herstellen, und auch mein festes Deo ist ein Eigenprodukt.

Für die Küche habe ich mir ein altes Bettlaken genommen und daraus einen wiederverwendbaren Kaffeefilter gebastelt, aber wer eine French Press besitzt, der kann bereits plastikfrei Kaffee trinken. Statt Pflanzenmilch im Tetra Pak kaufen zu müssen, entscheide ich mich, meine Hafermilch künftig selbst zu machen. Zudem backe ich mein Brot selbst. Nichts ist einfacher als das.

Eine Herausforderung in der zweiten Woche ist meine Fahrt nach Hannover für einige Tage. Ich versuche, so viel es geht mitzunehmen, weiß aber schon bei meiner Abfahrt, dass ich mir vor Ort einige Dinge werde kaufen müssen. Kein Pro­blem: Auch in Hannover gibt es Unverpackt-Läden.

Ich besuche Lo-La – Der Lose Laden. Dort nehme ich mir ein Bambus-Besteck-Set inklusive Strohhalm und Stäbchen, klimaneutrale Passata-Tomaten im Pflandglas sowie zwei Stoffbeutel. Darin verstaue ich Nüsse und Nudeln, ein Highlight des Geschäfts ist die Nussmusmaschine. Zudem gibt es vegane Schokolade und eine Eistheke, am Eingang können sich Kunden gebrauchte Gefäße von anderen Kunden nehmen, falls der Einkauf spontan ist

Mitgenommene Boxen wiege ich vorher ab, an der Kasse wird das Gewicht wieder abgezogen. Meinen Milchbeutel habe ich auch mit und kaufe mir noch Haferflocken für die Hafermilch, alles weitere habe ich aus Hamburg mitgenommen.

Die hohe Grammzahl an Plastikmüll in der zweiten Woche ist mit der Transformation zu einem plastikfreien Leben zu erklären. Ich wollte keine Zeit verlieren und habe ich in dieser Woche viele leere Verpackungen weggeschmissen, die sich so im Laufe der Zeit angesammelt hatten. Wer sich dazu entscheidet, weniger Plastik zu verbrauchen, der kann das auch langsamer angehen.

Dritte Woche: 100 Gramm Plastik

In der dritten Woche merke ich, wie sich das plastikfreie Leben in meinem Alltag einpendelt. Bei unvermeidlichem Plastik überlege ich lieber fünfmal, bevor ich es kaufe. Ich muss zugeben, auf der Arbeit bin ich noch faul, für einen veganen Fischstäbchen-Test muss ich die veganen Fischstäbchen von Aldi kaufen, von denen fünf Stück in 15 Gramm Plastik verpackt sind. Und manchmal hole ich mir mittags einen Kilo-Sack Karotten mit an den Schreibtisch, der leider auch aus Plastik ist.

Praktische Tipps gibt es aus der Naju-Community. Die Teilnehmenden der Challenge können jederzeit Erfahrungen weitergeben, die Naju teilt nützliche Tricks auf ihren Social-Media-Kanälen. In dieser Woche ist wenig Neues oder Spannendes über ein plastikreduzierendes Leben zu berichten, alles pendelt sich so langsam ein.

Vierte Woche: 60 Gramm Plastik

Die letzte Woche knüpft an den Lerneffekten der dritten Woche an: Ich habe meine Sachen gefunden, die für mich neu sind, und die werde ich künftig durchziehen. Zu viel Veränderung suche ich dann wohl doch nicht.

Besonders in den letzten Tagen wird mir erneut bewusst, wie vegane Menschen gezwungen sind, Plastik zu konsumieren. Hier gibt es definitiv Nachbesserungsbedarf! Denn umweltfreundlicher ist eine vegane Ernährung definitiv, was nicht die Folge haben sollte, dass wir bald alle aus Mi­kroplastik bestehen, weil ich nicht auf meine Nuggets verzichten will.

Mein Fazit: Besonders die Umstellung der ersten und zweiten Wochen sind für jeden machbar. Kleine Umstellungen in Richtung plastikfrei können mehr bewirken, als man denkt. Durchschnittlich wurden über die vier Wochen laut Naturjugend 340 Gramm Plastikmüll pro Person produziert. Im selben Zeitraum fällt bei einer durchschnittlichen Person in Deutschland fast das zehnfache, nämlich 2850g an. Die Siegerin schaffte es, nur 15g Plastikmüll in einem Monat zu produzieren!

Laut Naturjugend bekam die Challenge sehr viel positive Resonanz, sodass überlegt wird, ob eine neue Runde gestartet werden soll. Dann aber über einen längeren Zeitraum.

Mehr zum Thema Plastikmüll lesen Sie in der taz am Wochenende oder hier.

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