Seenotrettung im Mittelmeer: „Sea-Watch 5“ festgesetzt
Italien hat die „Sea-Watch 5“ festgesetzt, nachdem es 56 Menschen gerettet und an Land gebracht hat. Davor war ein 17-Jähriger an Bord gestorben.
Die Begründung für die Festsetzung wies Sea-Watch zurück. „Die Festsetzung der ‚Sea-Watch 5‘ ist ein rein politisches Manöver“, erklärte Sprecher Oliver Kulikowski. „Italien scheint jedes Mittel recht zu sein, um von seiner unterlassenen Hilfeleistung abzulenken.“ Sea-Watch kündigte an, die Entscheidung gerichtlich anzufechten.
Die Helfer hatten zuvor den Tod eines 17-Jährigen an Bord des Schiffes beklagt, der am Mittwoch aus Seenot gerettet worden war. Italien, Malta und Tunesien hätten trotz entsprechender Bitten keine medizinische Evakuierung eingeleitet. Vier weitere Personen in kritischem Zustand seien erst nach neun Stunden aufs italienische Festland gebracht worden.
„Sinnfreie Anweisung“
Unterdessen brachte die „Geo Barents“ in der Nacht zum Sonntag 132 Gerettete nach Civitavecchia nördlich von Rom. Ebenso viele weitere müssten aber auf Anweisung der italienischen Behörden an Bord bleiben und dürften erst in Genua in Norditalien an Land gehen, erklärte die Betreibberorganisation „Ärzte ohne Grenzen“. Diese sinnfreie Anweisung zwinge unter anderem Kinder unter drei Jahren und zwei Personen, die dringend medizinische Versorgung bräuchten, bei rauem Seegang zum Verbleib an Bord.
Das Mittelmeer zählt zu den gefährlichsten Fluchtrouten weltweit. 2023 kamen laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) mehr als 3.000 Menschen bei der Überfahrt ums Leben oder sie werden vermisst. Seit Beginn dieses Jahres sind es demnach bereits mehr als 250. Die Dunkelziffer liegt vermutlich weit höher.
Die deutsche Hilfsorganisation Sea-Eye brachte derweil 144 Bootsflüchtlinge aus dem Mittelmeer in den Hafen der süditalienischen Stadt Reggio Calabria. Das Schiff „Sea-Eye 4“ landete am Sonntag nach einem zweieinhalbwöchigen Einsatz in der Stadt an der Meerenge zwischen Sizilien und dem italienischen Festland. Nach Angaben eines Sprechers stammen die meisten Migranten aus Syrien und Somalia. Sie waren in den vergangenen Tagen aus Booten aufgegriffen worden, die sich aus Afrika auf den gefährlichen Weg übers Mittelmeer nach Europa gemacht hatten.
Die italienischen Behörden prüfen nun das weitere Vorgehen. Insgesamt handelt es sich um Migranten aus 14 Ländern. Die Flüchtlinge sollen nach Angaben der zuständigen Präfektur auf verschiedene Aufnahmezentren verteilt werden. Zudem geht es um die Frage, ob das Schiff im Hafen festgesetzt wird, wie es bei früheren Einsätzen bereits häufiger geschah. Ursprünglich hatten die italienischen Behörden der „Sea-Eye 4“ die viel weiter entfernte Stadt Ancona an der Adria als Hafen zugewiesen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit